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Lokale Erzbasis

Zink und Historismus 

Zinkverhüttung

Besonderheiten beim Walzen von Zink

  

 

 

 

 

 

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200 Jahre Zink in Stolberg

Berichtet von Friedrich Holtz im Mai 2020

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Skulptur eines Zinkschmelzers von Prof. Hennig Seemann, Foto: B. Engelen.

In Stolberg begann die Geschichte der Zinkindustrie 1819 mit dem Bau einer Zinkhütte durch Matthias Leonhard Schleicher auf dem Gelände seines Kupferhofes Velau. Wenig später, nämlich 1820, also vor genau 200 Jahren, waren mit der Einführung des Zinkwalzens alle Voraussetzungen zur großtechnischen Herstellung von Zinkprodukten aller Art gegeben.

Die eingangs erwähnte Zinkhütte Velau (erbaut 1819) wurde 1837 vom Eschweiler Bergwerksverein übernommen. Darüber hinaus entstanden in Stolberg drei weitere Zinkhütten, nämlich die von der Stolberger Gesellschaft betriebene Zinkhütte Münsterbusch (1834), die zur Eschweiler Gesellschaft gehörende Zinkhütte Birkengang (1845) sowie die Zinkhütte Steinfurt (1850). Letztere allerdings war nur etwa ein Jahrzehnt in Betrieb.

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Zinkhütte Birkengang,
Lithographie von Adrien Chanelle,
Bilder bitte anklicken !!!

Die 1834 - 37 von John Cockerill erbaute Zinkhütte Münsterbusch wurde bis 1967 betrieben. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde in der Zinkhütte Münsterbusch eine Muffel mit ovalem Querschnitt entwickelt, welche Rheinische Muffel genannt wurde. In Zinkhütten, die mit liegenden Muffeln arbeiteten, fand dieser Muffeltyp später weltweit Verwendung. Das der Hütte angeschlossene Zinkwalzwerk blieb noch bis Ende März 1991 in Betrieb. Das Schwungrad des damaligen Walzwerkantriebes befindet sich heute als Freilichtexponat in der Außenanlage des Zinkhütter Hofes.

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Foto: F, Holtz

Wie eingangs erwähnt, hatte man 1820, also nur ein Jahr nach der Errichtung der Zinkhütte Velau, mit der großtechnischen Produktion von Walzzink begonnen und spätestens bis 1860 hatten insgesamt vier Zinkwalzwerke ihren Betrieb aufgenommen. Diese Betriebseinrichtungen lieferten Zinkbleche, die ihrerseits eine Massenproduktion von korrosionsbeständigen Haushaltswaren ermöglichten. Ob Putzeimer, Gießkannen, Badewannen u.v.a.m. wurden aus gewalztem Zinkblech hergestellt.

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Foto: F, Holtz

Ebenfalls auf Grund der guten Korrosionsbeständigkeit fand Zink auch im Baugewerbe weite Verbreitung. Dachrinnen und Regenfallrohre beispielsweise werden auch heute größtenteils aus Zink hergestellt. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts fand Zinkblech häufig und insbesondere an der Wetterseite von Gebäuden als Fassadenverkleidung Verwendung.
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Haus Loh
Foto: F, Holtz

Ein gutes Beispiel hierfür ist Fassadenverkleidung von Haus Loh an der Zweifaller Straße. An diesem um 1900 entstandenen Bauwerk sind historistische Bauelemente (Tudor Revival) noch deutlich erkennbar. Zum Thema Historismus und zu den in Stolberg hergestellten Zinkornamente wird weiter unten noch ausführlich berichtet.

Die Zinkhütten-Industrie im früheren Stolberg sowie deren Entstehung, Entwicklung und Bedeutung wäre ohne die hiesigen Erzlagerstätten nicht vorstellbar gewesen. Deshalb scheint es angebracht, kurz über die damalige Bergbausituation in Stolberg und Umgebung zu berichten.

 

Lokale Erzbasis
Von den insgesamt etwa zehn Stolberger Erzabbaugebieten: Breinigerberg, Brockenberg, Burgholz, Büsbacherberg, Diepenlinchen, Glücksburg, Hammerberg, Herrenberg (Verlautenheide), Kirchfeld- Heidchen (Eilendorf) und Römerfeld (zwischen Gressenich und Werth) belieferten insbesondere die Gruben Breinigerberg und Diepenlinchen die Stolberger Zinkindustrie mit Erzen. Die Grube Breinigerberg wurde nach kriegsbedingten Unterbrechungen (Kriegsjahre 1870/71), 1883 endgültig aufgegeben. Die Grube Diepenlinchen in Mausbach hingegen stand zwischen 1890 und 1910 in bester Entwicklung und erreichte Spitzenwerte von mehr als 10 000 Jahrestonnen.

Graphik
Skizze: F. Holtz, nach DUNKEL, F. (1989) Kapitel 7 u. RÜBMANN, A. (1925)

Als kurz nach dem 1. Weltkrieg die Mausbacher Erzgrube Diepenlinchen 1919 auf Grund von Problemen mit der Wasserhaltung (Entwässerung der Grubenbaue) ebenfalls geschlossen wurde, wurden die Stolberger Zinkhütten mit Erzen aus Bergwerken beliefert, die zwischenzeitlich von der Gesellschaft für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation zu Stolberg übernommen worden waren.

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Schalenblende, ein polymetallisches Erz,
Sammlung und Skizze: F. Holtz

 

Zink und Historismus

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte der königlich-preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel erstmalig Zink als Gestaltungselement in der Architektur ein. Diese Elemente waren teilweise als reine Ornamentik, teilweise jedoch auch als figürliche Darstellungen in Reliefform oder Vollplastik ausgeführt. Hiermit leitete Schinkel einen geradezu weltweiten Modetrend ein, denn die Verwendung von Zinkornamentik als Dekorations-Accessoire in der Architektur erfreute sich bald allgemeiner Beliebtheit. Die Stil- und Formenfülle kam insbesondere dem Geltungs- bzw. Repräsentationsbedürfnis des in der Gründerzeit reich gewordenen Bürgertums entgegen.

Die Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts war in hohem Maße durch die Nachahmung historischer Baustile geprägt. Insbesondere Romanik, Gotik und Klassizismus dienten als nachahmenswerte Vorbilder. Zur begrifflichen Differenzierung der nachempfundenen Architektur setzte sich allgemein die Verwendung der Vorsilbe "Neo" durch. Der zeitgleiche Stilpluralismus, zusammenfassend auch mit dem Begriff Historismus belegt, erforderte ein variantenreiches Sortiment von Dekorationselementen wie Dachaufsätze, Gesimse, Skulpturen, neogotisches Fenstermaßwerk, Wetterfahnen, Ecktürmchen, Balustraden etc., die unter Verwendung des korrosionsbeständigen Zinks relativ einfach herzustellen waren.

Zinkornamente im Museum Zinkhütter Hof, hergestellt von
Kraus, Walchenbach & Peltzer Ende 19. Jahrhundert.
(bitte anklicken)

Bei der Herstellung der Statuetten und Skulpturen bediente man sich zunächst des klassischen Formgusses, wobei entweder die erforderlichen Einzelteile mittels Metallformen gegossen und später zusammengelötet wurden oder das gesamte Gussteil durch den Einsatz "verlorener" Sandformen entstand.

Von besonderer Bedeutung war der sogenannte Zinksturzguss. Eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Stahlform wurde mit flüssigem Zink gefüllt. Nach wenigen Sekunden, wenn das flüssige Zink an der kühlen Formoberfläche zu erstarren begann, wurde die Form so gedreht (gestürzt), dass das im Innenbereich flüssig gebliebene Zink durch die Einfüllöffnung wieder abfließen konnte. Somit entstanden gegossene Hohlkörper, deren Außenseite exakt der gewünschten Geometrie entsprach. Dieses Verfahren eignete sich hervorragend zur Großserienfertigung und erlaubte auf Grund der entstehenden Hohlkörper einen sparsamen Materialeinsatz und gewährleistete somit auch ein relativ geringes Gewicht der Gussteile. Letzteres war durchaus von praktischer Relevanz, wenn man bedenkt, dass mit diesem Verfahren großvolumige, lebensgroße Skulpturen hergestellt wurden.
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Flora, römische Göttin des Frühlings, Zinkguss gefasst.

Eine im Zinkhütter Hof befindliche Skulptur der Flora (römische Göttin der Blumen und Feldfrüchte) vermittelt die perfekte Illusion von behauenem Stein. Insbesondere die monochrome, sandfarbene Fassung gibt der Skulptur die Anmutung einer alten, verwitterten Steinmetzarbeit.

Bei der Anwendung des Zinksturzgussverfahrens ließen sich bei den gegossenen Hohlkörpern nicht beliebig dünne Wandstärken erreichen. Bei kürzeren Verweilzeiten des Zinks in der Form, also beim frühen Stürzen, reduzierten sich zwar die Wandstärken, jedoch erhöhte sich hierdurch auch die Gefahr, dass sich Fehlstellen bildeten und die gegossene Skulptur Löcher aufwies.

Dünne und gleichmäßige Wandstärken konnten bei einer anderen Fertigungsmethode erreicht werden. Hierbei lötete man die Skulptur aus einer Vielzahl von tiefgezogenen und entsprechend geformten Zinkblechen zusammen. Bei der Planung und Auslegung der einzelnen Blechteile wurden deren Konturen so festgelegt, dass möglichst unauffällige Nahtstellen entstanden. Vorzugsweise verliefen die Lötnähte z.B. entlang eines Faltenwurfs in der Bekleidung, entlang des Haaransatzes oder auch entlang des Halsausschnittes.
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Victoria, die
Siegesgöttin,
Zinkblech.

 

Technologische Besonderheiten

Zinkverhüttung

Die Herstellung von Zink ist erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts möglich, nachdem die hierfür erforderliche, anspruchsvolle Technologie, die Zinkdestillation, entwickelt worden war. Die Schwierigkeiten bei der Herstellung von Zink ergaben sich aus dem Umstand, dass bei der Verhüttung nicht flüssiges Zink (Siedepunkt 907oC), sondern Zinkdämpfe entstanden, die sich überdies bei Kontakt mit Luftsauerstoff zu staubförmigem Zinkoxid umwandelten. Dieses Problem wurde dadurch gelöst, dass man die entstehenden Zinkdämpfe in sogenannten Muffeln unter Luftabschluss kondensierte.

Muffel mit Vorlage, Skizze F. Holtz
bitte anklicken


Die Zinkdämpfe, die sich zusammen mit Kohlenmonoxid in der Vorlage angesammelt hatten, konnten hier kondensieren, weil besagte Vorlage aus dem eigentlichen Feuerraum des Ofens herausragte und somit kühler gehalten wurde (Zink: Siedepunkt 907oC, Schmelzpunkt 420oC). Die der Muffel abgewandte Seite der Vorlage war mit einer röhrenförmigen Öffnung versehen, durch die das Kohlenmonoxid abströmen konnte, wodurch das Eindringen von Luftsauerstoff in das Muffelsystem verhindert wurde. Beim Austritt aus der Vorlage wurde dieses Kohlenmonoxid sofort abgefackelt und zu Kohlendioxid aufoxidiert. Dieser exotherme Vorgang heizte das ohnehin schon heiße Gas noch weiter auf, sodass schwach leuchtende Flammen entstanden. Mit dem Abfackeln des austretenden Gases vermied man nicht nur eine Ausbreitung des höchst toxischen Kohlenmonoxids, sondern die Erscheinungsform der Feuerzungen erlaubte den Zinkschmelzern auch Rückschlüsse auf den Fortgang des Verhüttungsprozesses.
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Anordnung von Zinkmuffeln in einem Zinkofen, Foto: F. Holtz. 

   

Besonderheiten beim Walzen von Zink

Eine weitere Eigenart bezieht sich auf das Walzen von Zink. Hierzu erstellte das Freilichtmuseum Hagen (Lutz Engelskirchen) ein bemerkenswertes Traktat, welches 2006 publiziert wurde. Besagte Besonderheit ergab sich daraus, dass dieses Metall nur innerhalb eines Temperaturbereiches von etwa 100 bis 200oC geschmeidig und somit walzbar war. Unterhalb und erstaunlicherweise auch oberhalb dieses Temperaturbereiches ist das Material so spröde, dass es sich nicht plastisch verformen lässt. Diese abnorme Materialeigenschaft des Zinks ist seit etwa 1805 bekannt.
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 Zinkwalzwerk
Freilichtmuseum Hagen
Foto: F. Holtz.

Fernerhin wird durch das Walzen des Zinks die Korn- und Gitterstruktur so verzerrt, dass sich im gewalzten Zinkblech eine unerwünschte und äußerst unangenehme Eigenschaft einstellt. Bei Anwendung des üblichen Walzverfahrens war Zinkblech nämlich stark anisotrop, d.h.: es stellten sich in Walzrichtung deutlich andere Verarbeitungseigenschaften ein als quer zur Walzrichtung.

Das Problem der Anisotropie wurde dadurch gelöst, dass bei den einzelnen Walzdurchläufen das Walzgut um jeweils 90o gedreht wurde (kreuzweises Walzen). D.h.: der jeweils nachfolgende Durchlauf (auch Stich genannt) erfolgte quer zu der Walzrichtung des vorherigen Durchlaufes. Zur Beschleunigung des Fertigungsablaufes und zur besseren Handhabung des Walzgutes wurden nicht einzelne Zinkbleche gewalzt, sondern man arbeitete üblicherweise nach dem sogenannten Paketwalzverfahren (gleichzeitiges Walzen mehrerer übereinander gelegter Zinkbleche).
Da Reversierwalzwerke (umkehrbare Drehrichtung) nur mit erheblichem konstruktiven Aufwand realisierbar waren, mussten die Pakete nach jedem Durchlauf um das Walzengerüst zur Einlaufseite zurück transportiert werden, um dann erneut in den (zwischenzeitlich enger gestellten) Walzenspalt eingeführt zu werden.

Das immer wieder neue Einführen des Blechpaketes in den enger gestellten Walzenspalt führte zu Laststößen, die das Antriebsaggregat kaum hätte abdecken können. Somit wäre das Wasserrad zum Stillstand gekommen. Dies wurde bei wassergetriebenen Walzwerken häufig durch den Einsatz von wuchtigen Mühlrädern vermieden, deren rotierende Massen als Energiespeicher dienten und, ähnlich wie ein Schwungrad, den kurzfristig und schlagartig erhöhten Energiebedarf abdecken konnten.
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Wasserrad des Zinkwalzwerkes,
Foto: F. Holtz.

Diese Anlage befand sich ursprünglich auf dem Betriebsgelände der Firma Hoesch in Schneidhausen bei Kreuzau. Besagte Familie gehörte zu der aus Stolberg stammenden Eisenhütten-Dynastie. Mittlerweile ist das komplette Zinkwalzwerk vom Freilichtmuseum Hagen übernommen und dort wieder originalgetreu aufgebaut worden.

Zunächst kann man sich aus heutiger Sicht eigentlich nur wundern, wieso die Stolberger Zinkindustrie im etwa 20 km entfernten Schneidhausen ein Zinkwalzwerk betrieb. Hierbei ist zu bedenken, dass die Erzeugung von mechanischer Antriebsenergie nur mit Wasserrädern und Fließgewässern möglich war, welche ein hinreichendes Gefälle aufwiesen. Die aus der Eifel kommende Rur wies im Vergleich zu Stolbergs Bächen (Vichtbach, Inde, Wehe) eine erheblich höhere Wasserführung auf.

Somit war der Standort Schneidhausen im Rurtal damals auch für die Stolberger Zinkindustrie höchst attraktiv. Die Verfügbarkeit von Energie verbesserte sich erst, als 1905 der Urftsee gebaut war und mit der Inbetriebnahme des Jugendstil-Kraftwerkes Heimbach mit der Elektrifizierung unserer Region begonnen wurde.

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Jugendstil-Kraftwerk Heimbach, Foto: Rureifel-Tourismus.

     


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