Startseite

  --------------------------

Et schünnste Blömche

Enne Veeter Jong
Dr. Walter Haas

Feste feiern

Pferd mit drei Beinen

Familienwappen der Kupfermeister

Wat ess ejentlich a Pilles? 

Fürstlicher Besuch in Stolberg

Keen richtijje
Duvve !!!

Das „Götz-Zitat“ im
Stolberger Platt.

Jungfernstein-Sage

Rime'se Tring

Homo stolbergensis als Lateiner

Halv un Halv

Die Hexe von der Enkerei.

Schmetze Koh

 

Kupferstädter Einblicke
und Ameröllcher,

erzählt von Friedrich Holtz.

Bild

Startseite Graphiken Kaleidoskop Touristisches

Aus dem Stolberger Raum gibt es eine Fülle von Geschichten zu erzählen, die entweder informativ, spannend oder lustig sind, manchmal aber auch zum Nachdenken anregen, und die im Idealfall sogar noch gewissen Unterhaltungswert aufweisen. 

Es gibt jedoch auch noch durchaus interessante Geschichten, die so langsam in Vergessenheit geraten, dafür aber eigentlich viel zu schade sind. Auch derartige Erinnerungen und Geschichten sollen in  unserer Kolumne „Kupferstädter Einsichten und Ameröllcher“ ihren Platz finden. 

 

 

Et schünnste Blömche

Der Aachener Wissenschaftler, Pädagoge und Naturschutzpionier Prof. Dr. Matthias Schwickerath machte bereits in den frühen 1950er Jahren mit zahlreichen Publikationen zur Pflanzensoziologie auf die Besonderheiten und Einmaligkeit der heimischen Galmeifluren aufmerksam.

Bild

Bilder bitte anklicken

Besagte Publikationen und auch die Vegetationsformen auf den ehemaligen Erzfeldern fanden internationale Beachtung und auswärtige Botaniker aus ganz Deutschland, aus Belgien, Niederlande und sogar aus Großbritannien waren am Schlangenberg zur Hochblüte von Galmeiveilchen & Co. mehr oder weniger regelmäßig anzutreffen.

Die alten Stolberger allerdings assoziierten noch vor 10 oder 15 Jahren die alten Erzschürfgebiete mit wertlosem Ödland, welches zu nichts Nutze war. Und wenn bei Stadt- bzw. Museumsführungen die botanischen Preziosen unserer Heimat erwähnt wurden, ließen Gesichtsausdruck und Blicke häufig auch ohne ein einziges Wort die aufrichtige und ehrliche Meinung deutlich erkennen: „Jätz äss'e komplett övverjeschnappt“. In derartigen Situationen hat immer mal wieder ein Gedicht in Stolberger Mundart geholfen: 

Et schünnste Blömche, jääl un kleen,
dat kenn ich at van Kengerbeen.
Am schünnste blöht et en d'r Mai;
hat singe Nahm van d`r Galmei.1

Et wääßt merr hee, es nett jelohre,
do kött'er jedderenne vrohre.
Sießte de Blöhtcher, dausend Stöck;
dann best'e heem, wat för e Jlöck.

Se löhte jääl als wör et Jold,
du has dich nie su jott jevolt.
Bekick se dich un freu dich drömm,
et jitt se merr bei oss erömm.

Söns op de Welt, dat ess a Dänge,
kanns'te die Veilcher nerjens venge.
D'r Herrjott, dat äss onjelohre,
hat se os zom Schotz empfohle.

Anmerkung:
Der mundartliche Ausdruck für Galmei lautet eigentlich "Kelmis" oder "Kelmes". Diese beiden Begriffe sind heute allerdings nur noch wenig bekannt. Die Verwendung des Wortes "Galmei" berücksichtigt hier also nicht nur heutige Sprachgewohnheiten, sondern liefert außerdem einen passenden Reim.

Wenn ein auswärtiger Gast das Mundartgedicht nicht verstehen konnte, hat er überhaupt nichts versäumt; außer vielleicht eine neuerliche Bewusstwerdung von Heimat- und Naturverbundenheit mit gewissem Unterhaltungs-, Nostalgie- bzw. „Schmunzelwert“.

Bei Translationen jedweder Art steht der Transfer von Sinngehalten im Vordergrund und ganz ausdrücklich nicht das Bestreben nach wortwörtlicher Übersetzung. Im Falle eines Gedichtes kommt erschwerend hinzu, dass sich durch den Zwang, passende Endreime zu bilden, wortgetreue Formulierungen kaum noch erreichen lassen.

Derartige Übersetzungen und der Vergleich zwischen Original und Übertragung haben somit keinerlei Nutzen als Einweisung in eine andere Sprache bzw. in einen anderen Dialekt. Möglicherweise sollte man wirklich die Kenntnis des Heimatdialektes ganz souverän als Privileg verstehen und sich erst gar nicht auf den Versuch einer Übersetzung einlassen.

Ävver wat deet merr nät all“ um des lieben Friedens Willen: Hier also die mehr oder weniger gelungene Übertragung ins Hochdeutsche, un völl Pläsir met d'r janze Kroom, ömme.

Das schönste Blümchen, gelb und zart,
das ist von ganz besond'rer Art.
Am schönsten blühet es im Mai;
hat seinen Namen vom Galmei.

Es wächst nur hier, ganz ohne Zweifel,
am Rande uns'rer schönen Eifel.
Siehst Du die Blütchen, tausend Stück,
bist Du zu Hause, welch ein Glück. 

Wie schön sie leuchten, welche Wonne,
wenn sie erstrahlen in der Sonne.
Sie deuten hin auf Erzes Spuren,
versteckt im Erdreich unsrer Fluren.

Sonst auf der Welt, wer mag's verstehen,
gibt’s diese Veilchen nicht zu sehen.
Der Herrgott, das ist nicht gelogen,
hat sie uns zum Schutz empfohlen.

Bild

 


 

Enne Veeter Jong
Dr. Walter Haas

Die Heimat der Lehmjöese scheint schon seit vielen Jahren eine Hochburg der lokalen Mundart zu sein. Neben Dr. Walter Haas ist auch Andre Franzen unvergessen, dessen absolut zotenfreie Gedichte tiefe Gläubigkeit gepaart mit feinsinnigem Humor erkennen lassen.
Ohne jeden Zweifel stehen auch die von dem Altphilologen und Pädagogen Dr.Walter Haas überzetzten Gedichte „Max und Moritz“ sowie „Stuwwelpeter“ in der gleichen Tradition. 

Im Mai 2011 überraschte „Haase Waller“ die Heimat- und Mundartszene (nätt märr op de Veet) mit einer bestens gelungenen Übersetzung von „Max und Moritz“ op Veeter Platt. Mit viel Humor, Geschick und gutem Erfolg präsentierte Dr. Haas diese Lausbubengeschichte von Wilhelm Busch u.a. im Stolberger Torburgmuseum, im Seniorenheim Maria im Venn und anlässlich der Stolberger Museumsnacht auch im Kupferhof Rosental.

Hier einige Verse aus dem Vorwort zu „Max und Moritz“:

Och, wat driene manche Kenger
merr vöör ööstich vreche Denger.
Ävver Max un Moritz maache
van se all de schlemmste Saache.
Kenne kritt se an et Liere,
losse sich zo nüüs bekiere.
Nää, die laache sich kapott,
wenn m’r meent et met en jott.
Jott un Mensch dönnt se net iere,
merr Nixnötzichkeet studiere.
Zenke Lüü, dönnt Deere haue,
Äppel, Beere, Prumme klaue.

Bild
Haase Waller,
d'r Veeter Jong.
 

Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass Dr. Walter Haas im November des letzten Jahres verstorben ist. Wir alle trauern mit den Angehörigen um den Verlust des beliebten, hilfsbereiten Altphilologen und sind tief betroffen. 

Mit Hilfe seiner Angehörigen brachte Dr. Haas noch kurz vor seinem Tod ein Gedicht zu Papier, das seinen Humor, sein ausgeprägtes Sprachgefühl sowie die emotionale Verbundenheit zu seinem Heimatort deutlich erkennen lässt: 

D‘r Veeter Jong

Enne Knirps, däh wod jebohre
op de Veet vöör lange Joohre.
Suwie e aah ze mulle vong,
sproch e Platt, däh klehne Jong.

De Modder, die deng immer schubbe:
„Das sind Pantoffeln und nicht Schlubbe.
Es heißt nicht Möp, das ist der Hund
Und die Mull, das ist der Mund.
Der Rest vom Essen ist kein Otz,
man trägt die Hose, nicht die Botz.
Ein Beutel ist gewiss kein Büll,
und ein Gefäß ist keine Jrüll.

Es zirpt der Spatz und nicht die Meusch,
es grünt der Wald und nicht der Beusch.
Wer sich beeilt, tut sicht nicht zaue,
das Hemd hat Ärmel, keine Maue.
Und mein Sohn, ich warne dich,
sag nicht Schrohm, es ist ein Strich.

Den Schuh besohlen heißt nicht lappe,
und das Gähnen ist kein Jappe.
Man tut nicht kriesche, sondern weinen,
wirft nicht mit Keie, sondern Steinen.
Sag nicht Jölp zum Hosenstall
und nicht Pahv zu einem Knall.“

Hott däh Jong jehoot die Prädisch,
saat e an de Mamm janz jnädisch:
„Mutti, du hast völlig Recht,
Hochdeutsch klingt ja gar nicht schlecht.“
Dann drient e sich erömm unn laat
unn hat janz stell bei sich jedaat:
„Sahch doch, watt de wells, lehv Mamm,
Butterbrot bliet Botterramm.“

Wie e enn de Schüll nu koohm,
datt Elend singe Lauf jetz noohm.
oh mot e rischtisch Huchdütsch liere,
dämm Joethe singe Faust studiere.
Datt hat em, onger oß jesaat,
jahr kenn jruße Vreud jemaat. 

E mot jetzt sprääsche immer fing,
och enn Jriechisch unn Lating.
Met Änglisch mot däh ärme Jong
sich verbehje Monk unn Dsong.
Französich liert e och noch sprääsche,
do mot e sich de Nahs zoohpääsche. 

Drömm, immer wenn de Schüll ess uus,
krohmt däh Jong et Platt eruus.
Vann all die Sproohche op de Welt
et Platt am beidsde hämm jevellt.
Wie einfach, schünn unn klohr datt jeet,
wenn m‘r Platt mullt op de Veet,
met völl Jevöhl unn öf och drastisch,
doch immer treffjenau unn plastisch.
Drömm, Kenger, hührt, ich rohn üsch datt,
lott net ongerjoh oß herrlisch Platt!

© Dr. Walter Haas

Bild
Vichter Kirche
Foto: F. Holtz

  


  

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen.
Unstimmigkeiten in der Abfolge von Stolberger Ortsjubiläen.

Ein nicht unbedingt ernstzunehmender Rückblick
auf die Jubiläumsfeierlichkeiten zum
100jährigen Stadtjubiläum im Herbst 1956,

Anlässlich des in 2018 anstehenden 900jährigen Ortsjubiläums denken viele Bürger meiner Generation zurück an den Herbst 1956, als mit großem Festzug und mit historischen Kostümen ein im wahrsten Sinne des Wortes Jahrhundertfest begangen wurde. Interessanterweise wurde die damalige Stadtfete nicht nur als 100jähriges Jubiläum zur Verleihung der Stadtrechte, sondern von der Bürgerschaft und von vielen Besuchern auch als 800 jähriges Ortsjubiläum wahrgenommen. 

Auf den ersten Blick scheint da etwas nicht zu stimmen, denn nur 62 Jahre später wollen wir noch in diesem Jahr das 900jährige Ortsjubiläum feierlich begehen. 

Aber wenn es darum geht, Feste zu feiern, hört bei uns Stolbergern der Spaß auf. Dann kümmern wir uns nicht um schnöde Arithmetik oder um andere lästige Störfaktoren (wo kämen wir denn hin?). Stattdessen sorgen wir uns um einen guten, möglichst auch spektakulären Festverlauf, wobei auch übereifrige Lokalpatrioten häufig ihren Beitrag leisten. Und zweifellos klang es damals sehr beeindruckend, wenn man zeitgleich mit dem 100jährigen Stadtjubiläum ein 800 jähriges Ortsjubiläum feiern konnte. 

Ausschlaggebend für Jubiläen, die aus der Historie abgeleitet sind, ist die urkundliche Erstnennung. Und diese Erstnennung erfolgte die in der Tat am 30. September 1118 als ein gewisser Reinardus von Stalburg neben anderen Edlen die Gründungsurkunde des St. Georg-Stiftes zu Wassenberg siegelte. Das Geschlecht derer von Stalburg besaß bis 1275  u.a. die Stolberger Burg und wurde namengebend für den nahe gelegenen Siedlungsweiler und für die heutige Stadt Stolberg. 

Text
Reinardus von Stalburg am
Stolberger Galminusbrunnen,
Foto: Justus Holtz.

Aber unter Berücksichtigung rheinischer Wesensart lässt sich die arithmetische Unstimmigkeit und somit die oben gestellte Frage höchst simpel, einfach und fast plausibel klären. Denn nach rheinischem Verständnis ist die erste Nennung im Jahr 1156 zu finden, denn die noch frühere Erwähnung aus dem Jahr 1118 ist eben nicht als erste, sondern als allererste Nennung zu werten. 

Diese Sichtweise ist übrigens kein Einzelfall, denn so oder ähnlich dürfte auch die Legende entstanden zu sein, Stolberg sei die älteste Messingstadt der Welt, oder schlimmer noch, Stolberg sei die älteste Kupferstadt der Welt. 

Die hier anklingende Sicht der Dinge ist ganz charakteristisch für die rheinische Region. Obschon sogenannte Absolutadjektive (wie bspw. erste oder älteste) laut Duden eine Steigerung nicht zulassen, setzt sich der Rheinländer über derartige Banalitäten und Belanglosigkeit souverän und sehr überzeugend hinweg. 

In diesem Zusammenhang sollte man fernerhin bedenken, dass dem „Rheinländer an sich“ eine gewisse Wahrheitsliebe nicht grundsätzlich abzusprechen ist. Allerdings empfindet der Rheinländer und somit auch der Stolberger eine tiefe Abneigung gegen absoluten, unbedingten Wahrheitsanspruch, der nicht auch in gewisser Weise relativiert werden kann. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Begriff einzig bzw. einziger oder einzige, der ebenfalls zur Kategorie der Absolutadjektive gehört. Obschon, wie bereits erwähnt, eine Steigerung sich a priori verbietet, ist der Ausdruck „einzigster“ bei uns Bestandteil des alltäglichen Sprachgebrauchs. Damit nicht genug, dieses grammatikalische Paradoxon lässt sich hier bei uns ganz selbstverständlich und ohne große Mühe über den Komparativ „allereinzigster“ zum Superlativ „allereinzigster övverhaupt“ steigern. 

Keinesfalls sollten wir uns durch die vorstehende Retrospektive die Erinnerung an den Herbst 1956 vermiesen lassen. Jedenfalls haben wir (wie so oft) auch damals schon gezeigt, dass wir trotz sachlicher Widrigkeiten großartige Feste feiern können. Mit sehr viel Zuversicht und Freude sehen wir Stolberger auch diesmal einer angemessenen Jubiläumsfeier entgegen. Hierzu schon jetzt und von dieser Stelle ganz herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die nächsten 900 Jahre, ömme!!!


 

Pferd mit drei Beinen

Als Ursache für die im 16. und 17 Jahrhundert stattgefundene Migration der protestantischen Kupfermeister aus dem katholischen Aachen nach Stolberg werden in der einschlägigen Literatur häufig religiöse Motive (Flucht und Vertreibung) angegeben, andererseits aber auch handfeste Wirtschaftsinteressen genannt. In der Tat spielte beides eine Rolle und da eine monokausale Begründung dieser Migrationsbewegung kaum möglich ist, sind äußerst zwiespältige und konträre Darlegungen des Sachverhaltes in den entsprechenden Quellen zu finden. Die zwiespältigen Auffassungen beeinflussten, wie man später noch sehen wird, im Zusammenwirken mit dem Familienwappen der Schleicher-Dynastie auch des Volkes Meinung. 

Allianzwappen

In besagtem Wappen sind im oberen Teil des Wappenschildes drei Hufeisen dargestellt. Diese drei Hufeisen deuten auf die Unvollkommenheit des irdischen Daseins hin. Das Pferd, mit dem der Kupfermeister sein Erz (Galmei) aus den Bergen holt, lahmt oft schmerzlich. Sein viertes Eisen ging ihm verloren. Aber die Dreifaltigkeit, Gott Vater, Gott Sohn und Heiliger Geist, stehen helfend zur Seite. Mit anderen Worten: Die drei Hufeisen spannen den symbolischen Bogen zwischen der Mühsal auf Erden (lahmendes Pferd) und der himmlischen Verheißung (Dreifaltigkeit).

Ende der 1940er Jahre wurden in Stolberg allerdings noch zwei gänzlich andere Geschichten erzählt. In der ersten Geschichte wurde unter Anspielung auf die häufig als Ursache der Abwanderung genannte Vertreibung behauptet, das vierte Hufeisen sei auf der Flucht von Aachen nach Stolberg verloren gegangen.

Die zweite Geschichte nahm offensichtlich Bezug auf den Umstand, dass die Kupfermeister auch nach dem Umzug von Aachen nach Stolberg häufig Dependancen (Filialen) in Aachen unterhielten. Mir ist immer noch mein naives und ungläubiges Staunen in Erinnerung, wenn Erwachsene damals erzählten: „Dat vierde Been van dat Pääd es en Oche jeblevve“. (Das vierte Bein des Pferdes ist in Aachen geblieben). 

 


 

Familienwappen der Kupfermeister

Ähnlich wie insbesondere zu früherer Zeit in Adelskreisen üblich, haben auch die bürgerlichen Kupfermeister ihr Selbstbewusstsein und ihren elitären Anspruch durch das Führen von Familienwappen Ausdruck gegeben. Bei der Gestaltung dieser Wappen wurden weniger heraldische Konventionen berücksichtigt, sondern christliche Symbolik in den Vordergrund gestellt.

Besonders häufig spielt bei den Kupfermeisterwappen die Zahl 3 (Trinität) eine Rolle. Und in der nordischen Mythologie wird bereits von drei Schicksalsfrauen (Nornen) erzählt, die als Entsprechung bzw. Personifikation von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gelten. In der christlichen Symbolsprache und natürlich auch bei den Kupfermeisterwappen weist Trinität auf die göttliche Dreifaltigkeit hin und ist in den Wappen der Familien Beck, Peltzer, Schleicher und von Asten unverkennbar.

Bild

Drei fallende Blätter im Wappen der Kupfermeisterfamilie Peltzer verweisen nicht nur auf die göttliche Dreifaltigkeit, sondern stehen auch als Symbol für die Vergänglichkeit alles Irdischen. Sie beziehen sich somit auf den Psalm 103, dessen Sinngehalt sich in dem alten Kirchenlied wiederfindet:

Er kennt das arm Gemächte,
und weiß, wir sind nur Staub.
Ein bald verwelkt Geschlechte,
ein Blum und fallend Laub.

Der gleiche Sinngehalt, nämlich die Vergänglichkeit alles Irdischen, ist auch in einem zeitgenössischen Gemälde erkennbar, das den Kupfermeister Jeremias Hoesch den Älteren zeigt, dessen rechte Hand auf einem Totenschädel ruht.

Bild

 

Raten Sie doch mal:
Wat ess ejentlich a Pilles? 

In der mundartlichen Umgangssprache war es in früherer Zeit üblich, Verben am Wortende so zu kürzen, dass der ursprüngliche Wortstamm noch erkennbar blieb und durch Anhängen der Buchstaben "es" ein Substantiv zu bilden, welches die Örtlichkeit oder Räumlichkeit bezeichnete, an der die durch das Verb benannte Tätigkeit verrichtet wurde (z.B. Backes für Backhaus).

Bild
Bethaus der James Grube

Im lokalen Bergbau war der Ausdruck Bänes (abgeleitet von bäne = beten) als mundartliche Bezeichnung für Betsaal bzw. Bethaus gebräuchlich. Im Bethaus versammelten sich die Bergleute vor dem Einfahren ins Bergwerk, um dort ein Gebet zu sprechen. Neben der Anrufung der Schutzheiligen, 

Sankt Barbara, du edle Braut,
Mein Leib und Seel' sei dir vertraut.
Sowohl im Leben als im Tod,
Komm' mir zu Hilf' in aller Not.

war auch das Beten eines Rosenkranzgesetzes üblich. Hieraus ergab sich neben dem üblichen Bänes in der Belegschaft der Erzgrube Diepenlinchen auch der verballhornende Ausdruck Pilles, wobei man sich auf die Perlen (Pillen) des Rosenkranzes bezog.

Bild
Barbara-Darstellung mit Turm, Schwert, Kelch u. Krone,
Clemens Winkhold 1888, Pfarrkirche St. Barbara Breinig,
Seitenschiff-Fenster, Nordseite.

Letztlich wird der geneigte Leser selbst erraten können, weshalb das Lohnbüro der gleichen Grube, in Anspielung auf schlechte und abgestandene Luft, Footzes genannt wurde.

Bild
Erzgrube Diepenlinchen, Ölgemälde von F. Hüllenkremer.


 

 

Fürstlicher Besuch in Stolberg. 

Einer der schönsten Stolberger Kupferhöfe wurde 1724 von Johannes Schleicher als repräsentative Hofanlage mit prächtigem Brückentor erbaut. Konzeption und Bauausführung des eindrucksvollen Gesamtensembles entsprachen durchaus der gesellschaftlichen Stellung der Kupfermeisterfamilie Schleicher, die auch Verbindung zu Kreisen des deutschen Hochadels hatte. 

Bild
Foto: Axel Pfaff

Anlässlich einer Reise nach Aachen war der höchst einflussreiche Kurfürst Clemens August (u.a. Erzbischof von Köln und Hochmeister des Deutschen Ordens) im Juli 1738 im Haus Rosental zu Gast. 

Bezeichnend für das Selbstbewusstsein der Stolberger war die nachstehende Geschichte, die nach gut 200 Jahren (um 1950) in Stolberg noch wie folgt erzählt wurde: Dat soll waal see, dat dä Clemes Aujust enn Stolbärsch jeschloffe hat. Enn Oche koonnt'e kee Quartier fänge, wat'm zepaaß koom un ooch fing jenoch woor. (Der vornehme Kurfürst habe in Stolberg übernachtet, weil er in Aachen keine standesgemäße Bleibe fand).

 


 

 

Keen richtijje Duvve !!!

Mit Duffenter und Duvvelor gibt es in Stolberg zwei Straßen- bzw. Flurnamen, deren erster Wortteil „Duff“ respektive „Duvv“ starke phonetische Ähnlichkeit mit unserem mundartlichen Ausdruck für Taube haben.

Bei der Deutung dieser beiden alten Flurnamen ist die Doppelsinnigkeit des Begriffes „Taube“ allerdings zu berücksichtigen. Während dieser Ausdruck als Substantiv für die Bezeichnung eines Vogels steht, ist er als Adjektiv „taub“ bzw, „taube“ nicht nur im Sinne von schwerhörig (doof) gebräuchlich, sondern auch als gängige Bezeichnung für „inhaltsleer“ (z.B. taube oder doofe Nuss). Analog hierzu ist im Bergbau die Bezeichnung „taubes Gestein“ für Felsformationen ohne Wertstoffgehalt üblich.

Die Bezeichnung Duvvelor des in Breinigerberg gelegenen Straßenzuges dürfte sich ganz offensichtlich von dem bergmännischen Ausdruck „Taube Lage“ ableiten. In der Tat befindet sich die Duvvelor am äußersten westlichen Rand des Grubenfeldes Breinigerberg, so dass diese Deutung durchaus plausibel erscheint.

Ähnlich verhält es sich mit dem am südlichen Rand des Donnerberges gelegenen Duffenter, dessen Name als evidente Ableitung von „taubem Ende“ gelten kann. Allerdings kann hiermit nur das Ende des Erzabbaus gemeint sein, denn nur knapp 1 km Richtung Osten begann der zum Eschweiler Kohlberg gehörende Abbau von Steinkohle.

Bild


 

 

Das „Götz-Zitat“ im
Stolberger Platt.

Über viele Jahrzehnte wurde das „Plattsprechen“ als höchst verwerflich, fast schon als unmoralisch dargestellt; und das insbesondere von Leuten, die den Heimatdialekt selbst nicht beherrschten. In selbstgefälligen und versnobten Bildungskreisen wurde der rheinische Dialekt häufig mit Vulgärsprache gleichgesetzt. 

Ähnlich wie im Hochdeutschen hat es im Dialekt natürlich auch ordinäre Ausdrucksweisen gegeben, aber in meiner Kinder- und Jugendzeit habe ich eine Menge ehrbarer Stolberger gekannt, die einerseits nie Hochdeutsch sprachen, von denen ich andererseits aber niemals ein unflätiges, ein „fieses“ Wort gehört habe.

Selbst das in der Mundart gelegentlich zu hörende „Götz-Zitat“ war in den meisten Fällen nicht als grobe Beleidigung gemeint, sondern eher im Sinne von „maach doch wat de wällst“ zu verstehen (mach doch was du willst). 

In manchen Fällen wurde mit dem „Götz-Zitat“ aber auch höchste Verwunderung oder tiefste Betroffenheit ausgedrückt. Beispiel: 

„Hast'de at jehoot, dess Naat ess Schmet'ze Hein jestorve?“. „Ja dann leck mich….“. 
(„Hast du schon gehört, vergangene Nacht ist Heinrich Schmitz gestorben?“ „Ja dann leck mich….“.)

 


 

 

Die Jungfernstein-Sage.

Die Felsformation, die sich an der Ausfallstraße nach Vicht gegenüber der Bleihütte befindet, wird Jungfernstein genannt. Namengebend soll eine Sage gewesen sein, in welcher von einer verschmähten Braut berichtet wird. 

Bei der Vermählung ihres früheren Verlobten mit seiner neuen Braut soll die verlassene Braut dem Hochzeitszug aufgelauert und vom Jungfernstein her Felsstücke und Steine auf den vorbeifahrenden Hochzeitswagen hinabgeschleudert haben.

Bild
Jungfernstein-Sage,
romantisierende Darstellung von
Franz Hüllenkremer.

Nach einer anderen Variante soll bei Stolberg ein furchtbarer Ritter gehaust haben, der sein Seelenheil dem Teufel verkauft hatte. Seine junge, bildhübsche und dunkelhaarige Tochter, die Schwarze Käthe, grämte sich sehr um das Seelenheil des Vaters. Von einem Erdgeist erfuhr die schöne Tochter, die Seele des Vaters könne gerettet werden, wenn sie sich auf einen bestimmten Berg verdammen ließe. Erlösung könne sie nur durch die Liebe eines jungen Mannes finden, der jedoch seine Liebe mit dem Leben bezahlen müsse.

Der Verbannungsort wurde insbesondere von jungen Burschen gemieden. Als ein fremder Musikant von dieser Geschichte hörte, meinte er nur, er würde der Schwarzen Käthe schon tüchtig aufspielen. Trotz eindringlicher Warnungen erklomm er zu nächtlicher Stunde guten Mutes den fraglichen Berg ohne auch nur im Geringsten an den Spuk zu glauben.

Im Lichtschein der ersten aufzuckenden Blitze eines heranziehenden Gewitters näherte sich zaghaft die verbannte Jungfrau. Von der außergewöhnlichen Schönheit und Anmut dieser Erscheinung war der fremde Musikant so sehr verzückt, dass er sich augenblicklich und hoffnungslos verliebte. Also näherte er sich der Schwarzen Käthe und nahm sie zärtlich in seinen Arm. Ein greller Blitz, begleitet von einem gewaltigen Donnerschlag, erschlug die beiden und verwandelte sie zu Stein.

 


 

 

Rime'se Tring.

Im Bereich der Klatterstraße, zwischen dem Treppenaufgang zum Luciaweg und der Wurstgasse, hat zu Anfang des 20. Jh. eine junge Frau mit Namen Katharina Rimus, genannt Rime'se Tring, gewohnt. Nachdem die Mutter früh verstorben war, bereitete Rime'se Tring jeden Morgen das Mittagessen. Da der Vater in Unterstolberg oder in der Atsch arbeitete, wurde das von Tring vorbereitete Essen jeden Mittag von Ihrem Bruder „änn et Mittche“ zum Vater gebracht.

Bild
Klatterstraße, Foto: F. Holtz.

Eines guten Tages jedoch meinte der Bruder: „Wees’de änns wat Tring, ich hann hüh kenn Looß, ich bräng d’r Papp nätt et Eiße.“ „Dann äss avver jett loss,“ erwiderte Tring, „ich verzäll dat d’r Papp“.
(„Weißt Du was, Trina, ich habe heute keine Lust, ich bringe dem Vater heute kein Essen“. „Dann ist aber wohl was los, ich erzähle das dem Vater.“)

Sie ging auch tatsächlich zum Vater und berichtete ihm, der Bruder habe sich geweigert, ihm das Essen zu bringen. Sie nahm aber nicht etwa das Essen mit, sondern beschwerte sich lediglich ganz entrüstet über ihren Bruder.

 


 

 

Homo stolbergensis als Lateiner.

In der frühesten Darstellung des Stolberger Raumes, die im 15. Jahrhundert als Landkarte erstellt wurde, findet sich auf der linken Seite der Vicht, also auf abteilichem Territorium, mehrfach der Eintrag „prata“. Dieser Begriff hat den gleichen Wortstamm wie der Wiener Prater, der sich als Festwiese versteht.

Unser „prata“ ist der Plural von Pratum = Wiese, wobei auch noch der Ausdruck Pratulum = kleine Wiese in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen mag. Wie dem auch sei, diese Karte liefert einen eindeutigen Hinweis darauf, dass auch im hiesigen Raum (wie damals allgemein üblich) kräftig latinisiert wurde. Man wird sich das ähnlich vorstellen können wie die heute gängige und krampfhafte Verwendung von Anglizismen.

Bild

Ausschnitt aus der Walschaple-Karte von 1544/46
mit Jan Ravens Mühle (links) und vergrößertem Texteintrag (rechts).

Bei der fast zwanghaften Manie zur Latinisierung wird man damals vor dem Wort „abteilich“ auch kaum zurückgeschreckt sein. Als naheliegende Möglichkeit wäre aus heutiger Sicht ein Begriff zu vermuten, aus dem sich auch unser gegenwärtiges „sakral“ ableitet, wobei: 

Sacrum = Heiligtum, heiliger Gegenstand oder Ort
und
Sacra wie in sacra virginitas = heilige Jungfräulichkeit

durchaus in Frage kämen.

Der Homo stolbergensis scheint bei der lokalen Latinisierung nach Kräften mitgeholfen zu haben, als er aus Konstrukten wie Pratulum sacrum, Prata sacra oder ähnlichem in seiner Genialität schlicht und einfach „Prattelsack“ machte.

Bild
Jan Ravens Mühle,
Aquarell nach Walschaple von G. Dodt

 

Halv un Halv.

Die Klatterstraße war noch im 19. Jahrhundert die Hauptgeschäftsstraße von Stolberg. Man muss sich vorstellen, dass sich hier Geschäft an Geschäft reihte. Ob Bäcker, Fleischer oder Lebensmittelhändler, ob Schneider oder Schuster, alles war vorhanden und stellte den alltäglichen Bedarf sicher. Meist verbunden mit einem Schwätzchen (manchmal wohl auch mit Getratsche) wurde der tägliche Einkauf erledigt.

Natürlich gab es in diesem Straßenzug auch Gastwirtschaften. Dem Vernehmen nach hatte sich ein Gastwirtehepaar eine Getränke-Kreation einfallen lassen, die entweder dem Geschmack der Stolberger oder dem Bedürfnis nach Abwechslung entgegen kam. Dieser „Kurze“ bestand möglicherweise halb aus klarem und halb aus braunem Korn und wurde folglich „Halv un Halv“ (Halb und Halb) genannt.

Es wird nun erzählt, dass einige Kupfermeister nach einer Feier im Hammerfeld (opp de Huus) zu nachtschlafender Zeit und in guter Stimmung durch die Klatterstraße nach Hause gegangen sind. Beim Passieren des besagten Gasthauses verspürte die lustige Gesellschaft Lust auf einen Absacker und verlangte vor der geschlossenen Kneipe lautstark und ausgelassen nach „Halv un Halv“. Nach kurzer Zeit öffnete sich im Obergeschoss ein Fenster und es ergoss sich ein Kübel Flüssigkeit auf die Straße; begleitet von den Worten: „He hadd’er Halv un Halv, halv va mich un halv va ming Frau“. 

Bild
Klatterstraße, Foto: Axel Pfaff.

 

 

Die Hexe von der Enkerei.

Von dem Hof Sonnental und dem in nur wenigen Minuten fußläufig erreichbaren Hof Grünenthal wird folgende Geschichte erzählt: 

„Ein Hammerknecht wurde von seinem Herrn, dem Kupfermeister auf Sonnental, zu einem Botengang nach Grünenthal geschickt. Unterwegs traf er eine Bettlerin, die in Wirklichkeit eine Hexe war. Der Bitte um eine milde Gabe entzog sich der Bursche mit dem wahrheitsgemäßen Hinweis, er habe selber nichts.

Als er weiterging, rief die Hexe ihm nach, er solle sich nur plagen, es sei ein weiter Weg nach Grünenthal. Und wirklich, der Weg nahm gar kein Ende. Auch kannte er sich gar nicht mehr aus und meinte, in einer ganz fremden Gegend zu sein, lief und mattete sich ab und ward ganz in Schweiß gebadet. Kurz vor Erreichen des Grünenthals stand die Hexe vor ihm und lachte ihn aus. Er hatte für eine Strecke von knapp 10 Minuten volle drei Stunden gebraucht.“ 

Bild
Hof Sonnental, Foto: Axel Pfaff.

Häufig ist in diesem Zusammenhang die Frage zu hören, ob nicht zwischen den Höfen Sonnen- und Grünenthal eine Kneipe gelegen haben könnte. Für den fraglichen Zeithorizont lässt sich eine Kneipe ausschließen; allerdings wissen wir nicht, wie alt die Hexe gewesen ist.


 

 

Schmetze Koh.

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts praktizierte in Stolberg ein gewisser Dr. med. Franz Schmitz. Dem Vernehmen nach wusste sich der allseits beliebte Arzt bei allen Bevölkerungsschichten, nötigenfalls durch derb-deftige Ausdrucksweise, verständlich zu machen u. wurde sowohl respekt- als durchaus auch liebevoll „Schmetze Koh“ genannt.

So wurde beispielsweise von einer Begebenheit erzählt, die sich im Zusammenhang mit einem Patienten zugetragen haben soll, der über Verstopfung klagte. Nach mehrmaliger und erfolgloser Verabreichung eines Abführmittels soll Dr. Schmitz zu folgendem geraten haben: „He haste en Mark, un jetz jehste em Wiss Pääd jet eiße, dann kannste och wärrem schieße.

 

 


Zurück zum Anfang

Startseite Graphiken Kaleidoskop Touristisches