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Die Kupfermeister-Dynastie Peltzer und die historische Bedeutung der Peltzer-Werke.
Gegen Ende des Jahres 2017, kurz vor Weihnachten, wurde nach zwei endlos scheinenden Jahren das Insolvenzverfahren gegen die Peltzer-Werke aufgehoben. Für die Mitarbeiter dürfte die erlösende Nachricht damals wohl eines der schönsten Weihnachtsgeschenke gewesen sein. Nachfolgend wird diese hoffnungsfrohe Kunde zum Anlass genommen, die historische Bedeutung der Peltzer-Werke gebührend und angemessen zu würdigen.
Die in der hiesigen Region über Jahrhunderte ansässigen Kupfermeister nutzten bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts zur Herstellung von Messing den Galmei, der im Bereich der lokalen Abbaufelder gefördert wurde. Auf Grund der Tatsache, dass man, verglichen mit der eingesetzten Kupfermenge, die doppelte Gewichtsmenge Galmei benötigte, ergaben sich für Stolberg entscheidende Standortvorteile, da es aus logistischen Gründen sehr viel einfacher war, die deutlich geringere Kupfermenge zur Galmeilagerstätte (also nach Stolberg) zu transportieren.
Galmei aus dem
Steinbruch Bernardshammer. Sammlung und Fotos: F. Holtz, H. Wotruba |
Mit der Technologie der Zinkverhüttung (Zinkdestillation) ging dieser Standortvorteil im 19. Jahrhundert verloren, was den Niedergang des traditionellen Messinggewerbes einleitete. Der mit dieser technologischen Entwicklung einhergehende Strukturwandel bedeutete nicht nur Niedergang, sondern ist in gewisser Weise auch als Neubeginn aufzufassen und war wichtiger Impulsgeber für die Weiterentwicklung unserer Region. Die Kupfermeister waren von diesem Strukturwandel nicht nur betroffen, sondern haben diesen Wandel durchaus mitgestaltet.
Beispielsweise wurde die erste Zinkhütte des Stolberger Raumes 1819 von Matthias Leonhard Schleicher durch Umbau seines Kupferhofes Velau errichtet. Der Betrieb dieser Hütte wurde 1845-46 eingestellt und von der Zinkhütte Birkengang mit den Anteilseignern EBV sowie Matthias Ludolph Schleicher weitergeführt. Ein weiterer Angehöriger der Schleicher-Dynastie, nämlich Johann Matthias Eduard Schleicher verlegte seinen Betrieb 1873 von der Atsch zum Untersten Hof und spezialisierte sich dort auf die Herstellung von Messsing-Halbzeug.Der von William Prym und dessen Söhnen Gustav Wilhelm sowie Heinrich August 1859 gefasste Entschluss, Fertigprodukte in Form von Kurzwaren (damals Nadler- und Panzerwaren) herzustellen, kann als Meilenstein in der Stolberger Wirtschaftsgeschichte gelten.
Zinkhütte Birkengang, Lithographie von Adrien Chanelle |
Kupfermeister-Dynastie Peltzer
Die neben Schleicher wohl bedeutendste Kupfermeister-Dynastie Peltzer verlegte sich auf die Herstellung von Zinkornamente, die größtenteils als Gestaltungselemente in der Architektur Verwendung fanden. Ursprung der Stolberger Zinkornamentenfertigung war das 1861 von Johann Adolf Peltzer und Henry Walchenbach gegründete Unternehmen in der Steinwegstraße. In den 1880er Jahren kam Moritz Kraus als Teilhaber hinzu und der Firmensitz wurde zur Prattelsackstraße verlegt.
Moritz Kraus ist als „Retter der Burg“ in Stolberg bestens bekannt. 1888 ersteigerte er die stark verfallene Burg Stolberg und ließ sie entsprechend des damaligen Zeitgeschmacks im historistischen Stil wieder aufbauen. 1909 schenkte er die restaurierte Anlage den Stolberger Bürgern.
Moritz Kraus |
Burg um 1900, nach dem Umbau durch Moritz Kraus. |
Über Jahrzehnte war Kraus, Walchenbach & Peltzer als Hersteller von Zinkornamentik weltbekannt. 1909 übernahmen die Gebrüder Julius, Karl sowie Ernst Peltzer alle Anteile und 1963 wurde das Unternehmen in Peltzer Werke umbenannt.
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Kraus, Walchenbach & Peltzer, Bildquelle: Firmenprospekt. |
Historismus
Die Entwicklung der Zinkornamenten-Firma Kraus, Walchensee & Peltzer wurde entscheidend begünstigt durch Stilrichtungen, die sich in der Architektur als Modeerscheinung durchsetzten und in hohem Maße durch die Nachahmung historischer Baustile geprägt war. Insbesondere Romanik, Gotik und Klassizismus dienten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als nachahmenswerte Vorbilder. Zur begrifflichen Differenzierung der nachempfundenen Architektur setzte sich allgemein die Verwendung der Vorsilbe "Neo" durch. Der zeitgleiche Stilpluralismus, zusammenfassend auch mit dem Begriff Historismus belegt, erforderte ein variantenreiches Sortiment von Dekorationselementen wie Dachaufsätze, Gesimse, Statuen, neogotisches Fenstermaßwerk, Wetterfahnen, Ecktürmchen, Balustraden etc., die unter Verwendung des korrosionsbeständigen Zinks einfach und preiswert herzustellen waren.
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des Frühlings, Sandfarben gefasst, Hersteller: Kraus, Walchenbach & Peltzer, |
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Hersteller: Kraus, Walchenbach & Peltzer, |
Die Fülle von unterschiedlichen Bauformen war Ausdruck einer einheitlichen Grundidee, denn Historismus kann als Idealisierung und Bewunderung früherer Geschichtsepochen verstanden werden. Geisteshaltung und Wertmaßstäbe, die für bestimmte Epochen als charakteristisch und kennzeichnend galten, waren Grundlage einer Symbolik, die sich häufig auf den Verwendungszweck von Bauwerken bezog.
Während neogotische Kirchen beispielsweise das Ideal mittelalterlicher Frömmigkeit symbolisierten, brachten neogotische Verwaltungsbauten die Identifikation mit dem Selbstbewusstsein mittelalterlicher Städte zum Ausdruck. Ein weiteres Beispiel ist der Anspruch auf Gelehrsamkeit, der sich in Schul- bzw. Universitätsbauten der Neorenaissance manifestiert.
Zinkgussrelief in Marmoroptik: „Die Kunst
unterweist Industrie und Kunstgewerbe“ von August Kiß im
westlichen Tympanon des Neuen Museums in Berlin 1862.
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