Alphabet der Heimatkunde
Kurzer Ausflug in
die vor- und frühgeschichtliche Metallurgie.
Aachener Messing im 16. Jahrhundert.
Verhältnisse in der Grafschaft Mansfeld
Literatur und Quellen
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Alphabet der Heimatkunde Kupfermeister,
Messing und Protestantismus,
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Hinweis: Kleingedruckte Anmerkungen im Text verweisen auf das am Ende der Seite angeführte Literatur- und Quellenverzeichnis.
Zwischen der Messingregion um Dinant, Aachen, Stolberg
einerseits
und der Kupferregion des Mansfelder Raums andererseits entwickelten
sich über viele Jahrhunderte intensive Handelsbeziehungen, die
sich aus der damaligen Messingtechnologie ergaben.
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Die Entwicklung am Messingstandort Aachen trug im 16. Jahrhundert wesentlich dazu bei, dass im Mansfelder Raum ein äußerst freundliches Wirtschaftsklima entstand. Von diesem Boom profitierte u.a. auch ein gewisser Hans Luder (später Luther genannt), der seinem Sohn Martin eine außergewöhnlich gute (und sicherlich auch nicht ganz billige) akademische Ausbildung bieten konnte. Überspitzt formuliert haben die Aachener Kupfermeister mit ihrem erhöhten Kupferbedarf einen indirekten Beitrag zur Entstehung des von Martin Luther entwickelten reformatorischen Gedankenguts geleistet. Dem hieraus resultierenden Protestantismus schlossen sich später die Kupfermeister zusammen mit weiteren fortschrittlich und frei-denkenden Unternehmern (bspw. Tuchmachern) an.
Obschon Kupfer über viele Jahrtausende zur Herstellung unterschiedlichster Gerätschaften genutzt wurde, fand dieses Metall in seiner Reinform kaum Verwendung, weil reines Kupfer sich nicht blasenfrei vergießen ließ. *Marechal, J.R. (1962): Zur Frühgeschichte der Metallurgie. - Schriftenreihe der O. Junker GmbH, Lammersdorf, S. 17 u. 22.
Das liegt hauptsächlich daran, dass aufgeschmolzenes Kupfer in beträchtlichem Maße Gase aufnehmen kann (insbesondere Sauerstoff und Wasserstoff). Bei der Abkühlung der gegossenen Formteile kommt es kurz vor dem Erreichen der Erstarrungstemperatur (1085oC) in der Schmelze zu einer drastischen Verringerung des Lösungsvermögens, so dass die in der Kupferschmelze gelösten Gase freigesetzt werden. Hierdurch entsteht eine stark ausgebildete Porosität bzw. Blasigkeit des Gusses, woraus sich in früherer Zeit bei der Weiterverarbeitung von Gussstücken eine meist völlig unzureichende Qualität der Fertigprodukte ergab.
Dieses Problem wurde erst im 19. Jahrhundert durch den Einsatz von Phosphor als Desoxidationsmittel gelöst.* Marechal, J.R. (1962): Zur Frühgeschichte der Metallurgie. - Schriftenreihe der O. Junker GmbH, Lammersdorf, S. 17.
Im Verlauf der weiteren Entwicklung spielten bei der Nutzung des Kupfers die beiden Legierungen Bronze und Messing eine zunehmend wichtige Rolle, wobei Bronze als Legierung aus Kupfer und Zinn zu verstehen ist, Messing hingegen aus den Legierungsbestandteilen Kupfer und Zink besteht. Sowohl bei der Bronze- als auch bei der Messingherstellung waren häufig weite Transportwege nicht zu vermeiden, weil die Lagerstätten der jeweils erforderlichen Erzarten sich weit entfernt voneinander befanden.
In diesem Zusammenhang wäre noch zu
erwähnen, dass die frühe Eisengewinnung
(Ursprünge um 1400 v.Chr) und damit auch die Herstellung von
Eisengeräten billiger war als die Herstellung der (vor der
Eisenzeit üblichen) Bronzewerkzeuge. Der mit der
Einführung des Eisens verbundene Fortschritt lässt
sich nicht nur mit den besseren Eigenschaften des Eisens, sondern vor
allem durch seine quantitative Verfügbarkeit
erklären. *Henseling, K.O. (1989): Bronze,
Eisen, Stahl, Bedeutung der Metalle in der Geschichte. Deutsches
Museum, Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik,
rororo-Verlag, S.13.
Das in der hiesigen Region über Jahrhunderte ansässige Messinggewerbe war von diesem Problem in besonderer Weise betroffen. Das zur Herstellung von Messing erforderliche Zink war bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts weder verfügbar noch überhaupt bekannt. Man nutzte ein seit archaischer Zeit bekanntes, empirisches Wissen und setzte dem Kupfer eine Substanz zu, die Galmei genannt wurde und die im Bereich der lokalen Abbaufelder ausgegraben wurde.
Obwohl es sich bei diesem Galmei in Wirklichkeit um Zinkerz handelte, war man noch im 18. Jahrhundert der Auffassung, Messing sei nichts anderes als veredeltes, goldglänzend eingefärbtes Kupfer und Galmei sei hierzu der entsprechende Farbstoff gewesen. Bei dem damaligen Verfahren der Messingherstellung war es allerdings so, dass man, verglichen mit der eingesetzten Kupfermenge, die doppelte Gewichtsmenge Galmei benötigte. *Schleicher, K. (1974): Geschichte der Stolberger Messingindustrie. - Herausgegeben von den Stolberger Metallwerken KG., S. 16.
Galmei, Sammlung und Foto: F.Holtz. |
Aus logistischen Gründen musste das Kupfer also zur Galmeilagerstätte gebracht werden. In Ermangelung regionaler Kupferlagerstätten von hinreichender Ergiebigkeit musste das Kupfer schon im 12. Jahrhundert aus dem etwa 450 km weit entfernten Mansfelder Raum bis in die belgische Provinz Namur herangeschafft werden, wo im Hochmittelalter ein blühendes Messinggewerbe entstanden war (siehe auch Anhang 1) sowie. *Peltzer, R.A. (1909): Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinanderies) in Aachen und den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart. - Aus Band XXX der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Aachen, S 91.
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Kerzenleuchter aus getriebenem
Messingblech in der alten Abteikirche Kornelimünster, Foto: F. Holtz. |
Kennzeichnend für das Maastal und für Dinant waren kunstvoll aus Messingblech getriebene Arbeiten. Der Ausdruck Dinanderien steht im Kunstgewerbe auch heute noch als Synonym für handwerklich getriebenes Ziergerät aus Messing. Das Dinanter Messinggewerbe brachte bedeutende Kunstwerke, vorwiegend zur sakralen Verwendung, hervor. Adlerpulte, Altarleuchten, Wand- und Kronleuchter, Taufbecken etc. waren wegen ihrer Schönheit und Gediegenheit in Frankreich, Flandern, Brabant, Brüssel und Antwerpen sehr begehrt. *Mathar, L. und Voigt, A. (1956): Über die Entstehung der Metallindustrie im Bereich der Erzvorkommen zwischen Dinant und Stolberg. - Schriftenreihe der O. Junker GmbH, Lammersdorf, S. 66.
Nachdem der blühende Wirtschaftsraum um Dinant 1466
infolge
kriegerischer Auseinandersetzungen völlig zerstört
worden
war, verlagerte sich das Messinggewerbe nach Aachen und erreichte nach
kurzer Zeit schon eine erneute Hochblüte. Allerdings brach das
Aachener Messinggewerbe mit der Tradition der "Dinanderien". Statt der
kunstvoll ausgetriebenen Ziergegenstände stellte man in
zunehmendem Maße Gerätschaften des
täglichen Gebrauchs
her.
* Mathar, L. und Voigt, A. (1956), S. 70.
Diese Abkehr von vorwiegend sakralen Ziergegenständen hin zu profanem Gebrauchsgerät war durchaus Ausdruck des damaligen Zeitgeistes. Das Selbstverständnis der kirchlichen Kulturträger hatte im Mittelalter zu einer Entweltlichung, zu einer Überbetonung des "Jenseitigen" geführt, wobei sich mit der zwischenzeitlich neu aufkeimenden Zeitströmung der Renaissance eine deutliche Hinwendung zum "Diesseits" ergab.
Messing wandelte sich also vom Zier- zum Gebrauchsmetall, wodurch die Nachfrage nach Kupfer natürlich stimuliert wurde. Hinzu kam, dass in Aachen Mansfelder Kupfer bevorzugt wurde und man dort der Meinung war, die Mansfelder Region würde das beste „Messingkupfer“ liefern. * Peltzer, R.A. (1909), S. 91.
Aus dem Jahr 1550 ist ein Zunftstatut der Kupferschläger bekannt, welches eine Signatur (Stempelung) der Produkte mit dem prestigeträchtigen Stadtadler durch die dazu bestellten Zunftvertreter nur dann erlaubte, wenn das Messing unter Verwendung von „Eislebisch“ also Mansfelder Kupfer hergestellt worden war. * Peltzer, R.A. (1909), S. 92 u. 94.
Adlerwappen, mit freundlicher Genehmigung der
Stadt Aachen.
Die Privilegierung des Mansfelder Kupfers dürfte in Aachen Ausdruck eines auf guten Erfahrungen fußenden Vertrauens in die Qualität der Mansfelder Lieferungen gewesen sein. Es gibt allerdings aus heutiger Sicht objektive Gründe dafür, dass Kupfer anderer Provenienzen zur Messingherstellung der Mansfelder Ware durchaus ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen war, wobei folgende Überlegungen eine Rolle spielen:
Der Mansfelder Kupferschiefer und auch das daraus erschmolzene Kupfer enthielt Silberanteile in einer Größenordnung, die eine Extraktion des enthaltenen Silbers lohnenswert und lukrativ machte. Hierzu gab man der Kupferschmelze zunächst flüssiges Blei zu, da sich Silber im Schmelzprozess wesentlich besser in Blei als in Kupfer löst. Somit nahm das Blei die ursprünglich im Kupfer enthaltenen Silberranteile auf. Anschließend wurde in Seigeröfen unter Ausnutzung der unterschiedlichen Erstarrungstemperaturen zunächst das silberhaltige Blei vom Kupfer und letztlich das Silber vom Blei getrennt.
Da Bleigehalte die Messinglegierung spröde machte, waren bleihaltiges Kupfer sowie bleihaltiges Zinkerz bei der Messingherstellung höchst unerwünscht. Nun wurde aber im Hunsrück bspw. silberfreies bzw. -armes Kupfer erschmolzen, welches für die Messingproduzenten deshalb ideal war, weil keinerlei Veranlassung bestand, dieses Kupfer mit Blei zu behandeln und somit jedes systemimmanente Risiko einer Bleiverunreinigung ausschied.
Die Entwicklung des Erzbergbaus- und des Metallhüttengewerbes hätte in der zweiten Hälfte des 15. und im beginnenden 16. Jahrhundert kaum besser verlaufen können. Während der Abbau der ergiebigen Erzlagerstätten sowie die Verhüttung des Kupferschiefers bereits um 1200 begann, hatte man um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein Raffinationsverfahren entwickelt, mit dessen Hilfe man das im Kupferschiefer und somit auch das im daraus verhütteten Kupfer enthaltene Silber abscheiden konnte.
Hierdurch erhielt der Mansfelder Bergbau und das dortige Hüttenwesen eine ganz neue Bedeutung und bot den ansässigen Unternehmern entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten.
Die stürmische Entwicklung der Silberproduktion führte im Mansfelder Raum zwangsläufig auch zu einer bedeutenden Steigerung der Kupferproduktion, weil sich bei der vorliegenden Lagerstättenkonstellation die Produktionsmengen von Silber und Kupfer nicht entkoppeln ließen. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage hätte eigentlich einen Verfall der Kupferpreise bewirken müssen.
Das wurde dadurch verhindert, dass sich im fernen Aachen bezüglich des Messings zeitgleich der bereits erwähnte Wandel vom Zier- zum Gebrauchsmetall vollzog. Nicht nur die Maasregion und Aachen, sondern später auch Stolberg wurde im 16. bis 18. Jahrhundert in erheblichem Maße (streckenweise sogar ausschließlich) mit Mansfelder Kupfer beliefert. Die steigende Nachfrage stabilisierte die Kupferpreise und auch der Mansfelder Hüttenmeister Hans Luder (später Luther genannt) profitierte von dieser Entwicklung.
Das Selbstbewusstsein und die gesellschaftliche Stellung dieses Unternehmers sowie seiner Ehefrau Magrethe manifestierte sich in dem Umstand, dass sie sich von dem bekannten Maler Lucas Cranach (dem Älteren) porträtieren ließen.
Eheleute Hans und Magrethe Luther,
Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren.
Bildquelle: Wartburg-Stiftung.
Allerdings wurde die günstige Wirtschaftsentwicklung zunehmend auch von auswärtigen frühkapitalistischen Finanziers mit hohen Renditeerwartungen beeinflusst (bspw. Fugger).
Darüber hinaus versuchten die Grafen von Mansfeld, sich durch neue Pachtverträge und Erzabbauberechtigungen einen erheblichen Anteil an der boomenden Wirtschaftsentwicklung zu sichern.
Diese Entwicklung ließ seitens der Luders den Wunsch nach familieninterner Rechtskompetenz entstehen. Somit investierte man gerne in ein entsprechendes Jurastudium und finanzierte bereitwillig die Grundausbildung des Sohnes Martin.
Diese Entscheidung mag auch von den Vorstellungen der frühen Renaissance beeinflusst gewesen sein, die in Kreisen der damaligen Bildungsbürger durchaus üblich gewesen sind. In späterer Zeit sollten diese Auffassungen unter dem Schlagwort „Humanistisches Bildungsideal“ bekannt werden.
Die Erwartungen der Familie und insbesondere des Vaters wurden
allerdings bitter enttäuscht als Martin Luther 1505 als
Mönch
in den Augustinerorden eintrat *Roper, L.
(2016): Der Mensch Martin Luther, S. Fischer Verlag, S. 14, 43, 67 69.
Ganz anders als vom Vater gewollt, ist die Ausbildung seines Sohnes
Basis für das reformatorische Gedankengut gewesen, das von
Luther
zusammen mit weiteren zeitgenössischen
Geistesgrößen in
der Absicht entwickelt wurde, die Kirche nicht zu spalten, sondern im
besten Wortsinn zu reformieren. (siehe auch Anhang 2)
Die erwähnte Entfernung von etwa 450 km zwischen den beiden Produktionszentren:
muss als nahezu vernachlässigbar eingestuft werden, wenn man bedenkt, dass die zur Bronzeherstellung erforderlichen Legierungskomponenten Kupfer und Zinn bereits zur Bronzezeit (etwa 1500 v. Chr.) Fernhandelsgüter gewesen sind, die global gehandelt wurden.
Das Gebiet der englischen Grafschaft Cornwall bspw. war in der Antike als Hauptquelle für Zinn bekannt, wobei das hier geförderte Zinn über See- und Landwege zur Bronzeherstellung in den gesamten Mittelmeerraum gelangte.
Hinsichtlich der damaligen Fernhandelsgüter ist ein gesunkenes spätbronzezeitliches Segelschiff äußerst aufschlussreich. Dieses Schiff wurde 1982 vor der Südwestküste der Türkei in der Nähe des Kap Uluburun (Provinz Antalya) entdeckt und hatte u.a. auch etwa 10 Tonnen Rohkupfer sowie ca. 1 Tonne Zinnbarren an Bord. * http://www.uluburun.de/ Das Schiff Uluburun, Sonderausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, 2005-06, (23.06.2017).Das Kupfer lag größtenteils in der damals üblichen Handelsform der Ochsenhautbarren vor, wobei die vier an den Ecken angebrachten Tragegriffe die Vorstellung von getrockneten, aufgespannten Ochsenhäuten entstehen ließ.
Rohkupfer, Ochsenhautbarren.
Da sich beide Legierungsbestandteile der Bronze nämlich sowohl Kupfer als auch Zinn (sehr im Gegensatz zum Messing) damals schon in ihrer metallischen Reinform darstellen ließen, war die Standortwahl der Bronzehütten von der Logistik her erheblich weniger restriktiv, als dies bei den Messinghütten der Fall gewesen ist.
Denn, wie bereits erwähnt, war bei dem damaligen Verfahren der Messingherstellung, ein Gewichtsmengenverhältnis zwischen Kupfer und Galmei von 1:2 erforderlich, woraus sich aus den vorher ebenfalls beschriebenen logistischen Gründen eine obligate geographische Bindung der Messingherstellung an Galmeilagerstätten ergab.
Die renommierte Oxford-Historikerin Prof. Lyndal Roper stellt in ihrer faszinierenden Publikation „Der Mensch Martin Luther“ die starke Persönlichkeit des Reformators in den allgemeinen Kontext der frühen Neuzeit. Im einleitenden Kapitel „Mansfeld und der Bergbau“ werden technische Details beschrieben, die aus montanhistorischer Sicht an einigen Stellen einer Erklärung bedürfen.
Auf Seite 38 sind drei Abbildungen aus Agricolas, Werk „De re metallica libri XII“ gezeigt, wobei die Illustration oben links einen Klaubetisch zeigt. Hier wurden Erzstücke aus dem Haufwerk ausgeklaubt (aussortiert), wobei das taube Gestein auf Halde deponiert wurde und man die Erzstücke zur Aufbereitung weiterleitete. Die aussortierten Erzstücke wurden hier mittels wassergetriebenen Pochwerken zerstoßen bzw. zerkleinert. Nur in Einzelfällen trennte man durch einen kräftigen Schlag mit einem Handhammer anhaftendes Erz von größeren Brocken Nebengestein ab.
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Pochwerk aus "De re metallica libri XII" von G. Aricola. |
Auf Seite 39 ist von Rennöfen bzw. von Rennfeuern die Rede. Da der Rennofen ein vor- bzw. frühgeschichtlicher Ofentyp zur Herstellung von Eisen gewesen ist, dürften hiermit eigentlich Seigeröfen gemeint sein, mit deren Hilfe man das im Kupfer enthaltende Silber abscheiden konnte.
Wie bereits erwähnt, wurde der Kupferschmelze zunächst Blei zugesetzt, wobei sich das Silber nahezu vollständig im Blei löste. Mit Seigeröfen wurde dann das Blei vom Kupfer und anschließend das Silber vom Blei getrennt. Als letzter Verfahrensschritt wurde der Rest der im aufkonzentrierten Silber verbliebenen Bleiverunreinigungen in Treiböfen beseitigt (oxidiert).
Auf Seite 33 findet sich der Hinweis, Hans Luder habe nie zu den kapuzentragenden Männern gehört, die sich unter Tage mit Schlägel und Eisen abplagten. Betrachtet man die in der Publikation von G. Agricola gezeigten Holzschnitte, so lässt sich diese Aussage durchaus relativieren.
Der in Montankreisen allgemein übliche Spruch: "wo Erz ist zu vermuten, steht uns das Schürfen frei", deutet auf ein stolzes, fast übertriebenes Selbstbewusstsein der Bergleute hin, welches von der übrigen Bevölkerung (insbesondere den Landwirten) als Provokation empfunden werden musste.
Gericht der Götter über den Bergbau.
Diese Stimmungslage wird in der um 1490 verfassten Schrift Iudicium
Iovis von Paulus Niavis (Paul Schneevogel) recht gut verdeutlicht. *Heilfurth,
G. (1967): Bergbau und Bergmann in der deutschsprachigen
Sagenüberlieferung Mitteleuropas, Marburg. Veröffentlichung
des Instituts für mitteleuropäische Volksforschung an der
Philipps-Universität, Marburg, S. 93ff.
Die Publikation mit dem deutschen Titel „Gericht der Götter
über den Bergbau“ spiegelt im Prinzip den uralten Konflikt
zwischen dem Agrarwesen und den bergbaulichen Aktivitäten
wider.
Besagte Stimmungslage findet auch Ausdruck in einem Holzschnitt, der Teil dieser Publikation ist. Unter Jupiters Vorsitz halten die antiken Götter Tribunal über den homo montanus, den in Kapuzentracht gekleideten, mit Schlägel und Eisen ausgerüsteten Bergmann. Die Anklage lautet auf Vergewaltigung und Schändung der terra mater, der Mutter Erde. Nach heutigem Sprachgebrauch haben wir es mit der imaginären Schilderung eines Umweltprozesses zu tun.
Die im Berg- und Hüttenwesen übliche Kapuzentracht scheint mit gewissem Stolz getragen worden zu sein, denn bei Agricola findet sich diese Art der Bekleidung nicht nur in Illustrationen, die untertägige Plackerei zeigen, sondern Kapuzentracht ist auch im Zusammenhang mit Tätigkeiten über Tage häufig zu sehen. Als Beispiel hierfür seien Szenen in der Erzaufbereitung, an den Schmelzöfen der Hütten oder bei der Beprobung von Erzen (Probierkunst bzw. Dokimastik) genannt.
Ofenarbeit in Kapuzentracht nach Agricola.
In besagter Publikation von Lyndal Roper ist auf Seite 44 die Rede davon, die Mansfelder Lagerstätten seien gegen Ende des 16. Jahrhunderts erschöpft gewesen.
In der Tat konnte zur damaligen Zeit dieser Eindruck entstehen, denn ein lohnender Bergbau konnte erst wieder betrieben werden als man ab dem 17. Jahrhundert mit dem Vortrieb von tiefen und langen Wasserhaltungsstollen begann. Diese Arbeiten verzögerten sich erheblich durch den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges.
Besonders hervorgehoben werden muss die Inbetriebnahme der ersten deutschen Dampfmaschine Watt´scher Bauart am 23. August 1785. Erst 1980 kam der Bergbau aus finanziellen Gründen gänzlich zum Erliegen. Engel, O. (1987): Die Funktionsweise der ersten deutschen Dampfmaschine, in: Schriften des Mansfeld- Museums, Heft 1
Engel, O. (1987): Die Funktionsweise der ersten deutschen Dampfmaschine, in: Schriften des Mansfeld- Museums, Heft 1.
Heilfurth, G. (1967): Bergbau und Bergmann in der deutschsprachigen Sagenüberlieferung Mitteleuropas, Marburg. Veröffentlichung des Instituts für mitteleuropäische Volksforschung an der Philipps-Universität, Marburg.
Henseling, K.O. (1989): Bronze, Eisen, Stahl, Bedeutung der Metalle in der Geschichte. Deutsches Museum, Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik, rororo-Verlag.
Marechal, J.R. (1962): Zur Frühgeschichte der Metallurgie. - Schriftenreihe der O. Junker GmbH, Lammersdorf.
Mathar, L. und Voigt, A. (1956): Über die Entstehung der Metallindustrie im Bereich der Erzvorkommen zwischen Dinant und Stolberg. - Schriftenreihe der O. Junker GmbH, Lammersdorf.
Peltzer, R.A. (1909): Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinanderies) in Aachen und den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart. - Aus Band XXX der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Aachen.
Roper, L. (2016): Der Mensch Martin Luther, S. Fischer Verlag.
Schleicher, K. (1974): Geschichte der Stolberger Messingindustrie - Herausgegeben von den Stolberger Metallwerken KG.
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