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Standortgegeben

Migration der Kupfermeister

Wasserkraft in Stolberg

 

 
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Kupferstadt, Kupfermeister und Wasserkraft

Friedrich Holtz
 

 

Die Bezeichnung Kupferstadt als Attribut zum Namen unserer Heimatstadt Stolberg ist mittlerweile bestens etabliert und wird in hohem Maße von der hiesigen Bürgerschaft akzeptiert. Mittlerweile (seit Mitte 2012) ist der Begriff Kupferstadt auch offizieller und amtlicher Beiname der Stadt Stolberg Rhld. In der gängigen Fachliteratur ist häufig davon die Rede, die protestantischen Kupfermeister seien aus dem katholischen Aachen vertrieben worden.

Standortgegebenheiten
Diese Aussage suggeriert den Eindruck, Stolberg sei als Messingstandort lediglich zweite Wahl gewesen. Denn die aus Aachen vertriebenen bzw. geflohenen Kupfermeister hätten sich schließlich irgendwo ansiedeln müssen, wobei natürlich auch das nahe gelegene Stolberg als neuer Standort in Frage kommen musste. Die somit implizierte Beliebigkeit bei der Standortwahl war in Wirklichkeit nicht gegeben, sondern Stolberg hatte mit seinen geologischen und naturräumlichen Gegebenheiten gerade für das Messinggewerbe handfeste Standortvorteile zu bieten.

Verursacht wird das argumentative Dilemma durch die häufig monokausalen Darstellungen (Flucht, Vertreibung) zur Migration der Kupfermeister von Aachen nach Stolberg. Dieses Dilemma dürfte maßgeblich von der in früherer Zeit üblichen anthropozentrischen Geisteshaltung (Mensch als Mittelpunkt weltlicher Realität) beeinflusst worden sein.

Migration der Kupfermeister
Die Gründe für die Abwanderung der Kupfermeister sind durchaus vielschichtig gewesen und lassen sich nicht auf religiöse Aspekte reduzieren. In diesem Zusammenhang ist bezeichnend, dass der erste Kupfermeister (Leonhard Schleicher) bereits vor 1575 nach Stolberg kam, zu einer Zeit also, als der Einfluss der protestantischen Kupfermeister im Aachener Stadtrat noch dominant war. Der Entschluss, seinen Betrieb samt Wohnsitz nach Stolberg zu verlegen, dürfte somit vorwiegend (wenn nicht gar ausschließlich) unternehmensstrategische Gründe gehabt haben, und nicht (wie häufig behauptet) eine Folge von religiös motivierten Auseinandersetzungen gewesen sein1. Gleiches muss bspw. auch bei Mathis Peltzer vermutet werden, der 1587 nach Stolberg kam.

Erst im Zuge der einige Jahre später einsetzenden Gegenreformation sahen sich die protestantischen Kupfermeister in Aachen gewissen Repressalien ausgesetzt. Diese jedoch scheinen weniger religiös motiviert gewesen zu sein, als dies häufig in der Literatur dargestellt wird. Das Verhalten beider Parteien lässt eher den Schluss zu, dass die katholische Seite den wachsenden Einfluss der Kupfermeister zu fürchten begann und sie sich den privilegierten Zugriff auf knappe Ressourcen (insbesondere Wassergerechtsame) dauerhaft sichern wollte.
Eyll, K. van (1998): Die Kupfermeister im Stolberger Tal in: Mühlen, Hammerwerke und Kupferhöfe im Tal der Vicht, Beiträge zur Stolberger Geschichte, Band 23.

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Dollartshammer, Aquarell nach Walschaple von G. Dodt

Die Tatsache, dass sich mit zunehmender Abwanderung der Kupfermeister auch auf katholischer Seite Bestrebungen durchsetzten, das Messinggewerbe mit seinen Kupfermeistern aus wirtschaftlichen Gründen in Aachen zu halten, wäre bei einem fundamentalistisch geprägten, fanatisch ausgetragenen Religionskonflikt kaum nachvollziehbar. Es gilt auch zu bedenken, dass sich die „Fluchtbewegung“ von Aachen nach Stolberg über einen Zeitraum von etwa acht Jahrzehnten erstreckte. Die Kupfermeisterfamilie von Asten und der Kupfermeister Gotthard Schardinel bspw. verließen Aachen erst in den 1650er Jahren. Selbst zur Hochphase der Gegenreformation muss der Migrationsdruck auf die protestantischen Kupfermeister also noch halbwegs erträglich gewesen sein.

Außerdem wurden die Kupfermeister nach Verlassen der Stadt Aachen in einem Gebiet ansässig, in welchem auch wieder katholische Institutionen, nämlich die Grafen von Jülich, die Stolberger Unterherren und die Reichsabtei Kornelimünster Territorialrechte besaßen. Trotz ihres protestantischen Glaubens waren die Kupfermeister in Stolberg willkommen und konnten hier in Frieden ihrem Gewerbe sowie weitgehend ungestört ihrer Religion nachgehen. Dies wird sicherlich nicht nur durch religiöse Toleranz seitens der katholischen Territorialherren, sondern in erster Linie durch die Wirtschaftskraft des Messinggewerbes und der daraus resultierenden Abgaben begründet gewesen sein.

Wasserkraft in Stolberg
Neben weiteren Standortvorteilen spielte bei der Umsiedlung der Kupfermeister die Wasserkraft der Vicht eine höchst wichtige, wenn nicht gar ausschlaggebende Rolle. Eine effektive Nutzung der Wasserkraft konnte nur durch weiträumige Besiedlung entlang der Gewässerläufe ermöglicht werden, da man zum Antrieb der Mühlräder neben einer gewissen Wassermenge auch ein nutzbares Gefälle benötigte. Abhängig von den topographischen Gegebenheiten ließ sich eine hinreichende Fallhöhe des Aufschlagwassers nur erreichen, wenn die einzelnen Kupferhöfe mit ihren Wasserrädern in entsprechender Entfernung zueinander errichtet wurden, und man das Wasser über entsprechend geführte Mühlgräben den Antriebsrädern zuleitete.

Spätestens im 18. Jahrhundert, als die Kupfermeister die Messingmärkte monopolartig beherrschten, reichte die Wasserkraft der Vicht nicht mehr aus, die nachgefragten Produktionsmengen zu realisieren. Man musste also die Antriebskraft von Inde und Wehe zur Deckung des Energiebedarfs mit einbeziehen. Hierzu war es natürlich erforderlich, Kupferhöfe und Hammermühlen entlang dieser Bachläufe zu errichten.

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Jan Ravens Mühle,
Aquarell nach Walschaple von
G. Dodt

Wenn wir rückblickend die ganze Weitläufigkeit des Siedlungsgebietes der Kupfermeister an Vicht, Inde und Wehe betrachten, so wird eigentlich sofort klar, dass diese Entwicklung im engen Aachen niemals hätte stattfinden können. Auch ohne Religionskonflikte und Gegenreformation wären die Kupfermeister also ohnehin gezwungen gewesen, ihren Siedlungsbereich auf die wasserreichen Täler der Voreifel auszudehnen.

Fernerhin ist zu bedenken, dass Wasserkraft (im Gegensatz zu den sonst erforderlichen Betriebsstoffen wie bspw. Galmei oder Kohle) die einzige Ressource gewesen ist, die nur „vor Ort“ nutzbar war und eben nicht (und auch nicht nach Aachen) transferiert werden konnte.

Die unkommentierte, lapidare Aussage, die protestantischen Kupfermeister seien aus dem katholischen Aachen vertrieben worden, ist letztlich wenig geeignet, die vielschichtige Sachlage auch nur annähernd zu vermitteln. 

Publiziert in:
„Messing aus der Kupferstadt Stolberg“ (Mai 2019)

 

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