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Stolberger Tuchindustrie.
Textilgewerbe in Stolberg |
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Bezüglich der Standortvoraussetzungen war das Textilgewerbe erheblich weniger anspruchsvoll und ließ eine viel breitere geographische Erstreckung zu als dies bei vielen anderen Gewerbezweigen der Fall war. Hauptgrund hierfür ist sicherlich das vergleichsweise geringe Gewicht des wichtigsten Rohstoffes gewesen, so dass weite Transportwege in Kauf genommen werden konnten. Bei der Herstellung der „Feinen Tuche“ wurde ausschließlich auswärtige, meist spanische Merinowolle verwendet, da sich aus der Wolle heimischer Schafrassen nur grobe Alltagstextilien herstellen ließen. Die Transportkosten für in Amsterdam angelandete Merinowolle bis nach Monschau bspw. schlug lediglich mit 2% des Rohwollpreises zu Buche.
Als zwingende Standortvoraussetzung war eigentlich nur Wasser erforderlich, welches für einige Arbeitsgänge innerhalb des Verfahrens der Tuchherstellung unbedingt benötigt wurde. Hierbei war weniger die Antriebskraft der Bäche als vielmehr das Wasser selbst zum Waschen, Spülen und Färben von Bedeutung. Die Antriebskraft der Fließgewässer wurde von den Tuchmachern lediglich zum Antrieb weniger Walkmühlen genutzt, da das manuelle Walken zeitaufwändig und anstrengend war. Insofern vertrug sich die Tuchmacherei recht gut mit dem Messinggewerbe, da die Konkurrenz um Wasserkraft angesichts des geringen Bedarfs im Textilgewerbe kaum von Bedeutung gewesen ist.
Wo immer auch das Textilgewerbe ansässig wurde, spielten Verfügbarkeit von menschlicher Arbeitskraft sowie Lohnkosten eine ganz entscheidende Rolle. Da ein großer Teil der in Stolberg und Umgebung verfügbaren Arbeitskräfte bereits in den Kupferhöfen als Ofen- bzw. Hammerknechte tätig waren, musste erneut auf auswärtiges Arbeitskräftepotenzial zurückgegriffen werden.
In großen Bereichen der südlich angrenzenden Eifel erlaubten die Boden- und Klimaverhältnisse keinen intensiven Ackerbau und die bäuerliche Bevölkerung war auf Nebenerwerb angewiesen und nahm entsprechende Arbeitsgelegenheiten gerne wahr. Heimarbeiter und Berufspendler konnten somit zu niedrigeren Löhnen beschäftigt werden als städtische Arbeitskräfte.
Das vergleichsweise geringe Gewicht der Zwischenprodukte erlaubte auch eine verlagsmäßig organisierte Heimarbeit der Spinn- und Webprozesse. Garne, ungewalktes, ungerauhtes sowie ungeschorenes Gewebe konnten zur Weiterverarbeitung durchaus dorthin vergeben werden, wo noch Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Dies war auch deshalb möglich, weil in nahezu allen Örtlichkeiten durch saisonale (meist im Winter) durchgeführte bäuerliche Tätigkeiten bezüglich des Spinnens und Webens Erfahrung mit einheimischer Wolle vorlagen.
Die in unserer Region im 19. Jahrhundert einsetzende Industrialisierung mit dem damit verbundenen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften führte in zunehmendem Maße dazu, dass sich u.a. auch auswärtige Textilarbeiter in Stolberg ansiedelten. Im Zuge der Neustadtentwicklung verließen wohlhabende bürgerliche Familien den Altstadtbereich und wandten sich den Bereichen zu, wo Häuserzeilen in bester Gründerzeitarchitektur entstanden, wobei der freiwerdende Wohnraum von nachziehenden Arbeiterfamilien belegt wurde.
Tuchherstellung
Neben Spinnen und Weben waren zur Herstellung von Feintuchen, die in
früheren Zeiten als Luxusprodukt mit entsprechender
Wertschätzung galten, weitere Arbeitsschritte erforderlich.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alle Fertigungsschritte,
die für die Tuchqualität von entscheidender Bedeutung waren,
in den Tuchmacherhöfen unter direkter Aufsicht des Tuchmachers
oder entsprechend qualifizierter Mitarbeiter durchgeführt wurden.
Weniger qualitätsrelevante Arbeiten wie bspw. Spinnen und Weben
wurden meist in Heimarbeit vergeben (dezentrale Manufaktur).
Ein weiteres Kriterium bei der Einteilung in zentraler und dezentraler Fertigung war der Grad der Mechanisierung der einzelnen Prozessschritte und der damit verbundene Kostenaufwand. Als sich bspw. mechanisierte Spinnmaschinen und Webstühle durchsetzten war auf Grund der damit erzielten Produktivitätssteigerung eine zentrale Fertigung in den Tuchmacherhöfen kostengünstiger als das in Heimarbeit vergebene Spinnen und Weben. Hierdurch wurde für viele Heimarbeiter die aushäusige Arbeit in der Tuchindustrie zur alleinigen Existenzgrundlage, was den Bevölkerungszuwachs im den Städten weiter verstärkte.
Bereitung der Rohwolle
Die in Ballen gelieferte Rohwolle wurde in den Tuchmacherhöfen von
entsprechend geschultem Personal oder unter Aufsicht des Tuchmachers
nach Qualitäten wie Hals-, Nacken-,Bauch- oder Rückenwolle
bzw. nach Wolle von Lämmern und erwachsenen Tieren sortiert. Unter
Zugabe alkalischer Substanzen erfolgte dann das Reinigen, Auswaschen
und Trocknen der Wolle.
Abhängig vom Verschmutzungsgrad der Rohwolle ergab sich beim Waschen und nach dem Trocknen der Wolle eine Gewichtseinbuße deren Höhe kaum mit hinreichender Genauigkeit vorhersehbar war. Somit war die Vergabe des Wollwaschens in Heimarbeit für die Auftragsempfänger immer mit der Versuchung verbunden, eine gewisse Wollmenge zu unterschlagen. Andererseits verblieb bei den Auftraggebern immer ein gewisses Gefühl des Misstrauens. In vielen Fällen führte dies dazu, dass das Waschen der Rohwolle wegen besserer Kontrollmöglichkeiten in den Tuchmacherhöfen durchgeführt wurde.
Hinweise auf diese Praxis haben sich in Stolberg an einem zum Tuchmacherhof Offermann gehörenden Gebäude erhalten, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Stil des Spätbarocks errichtet wurde.
Das Trocknen der gereinigten Rohwolle erfolgte unter Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung in gut durchlüfteten Räumen. Zu diesem Zweck waren die Gebäude der Tuchmacherhöfe meist mit geräumigen und oftmals mit hohen, mehretagigen Speichern ausgerüstet. Auch die zahlreichen Dachgauben des oben erwähnten Gebäudes am Offermann-Platz lassen den dahinter liegenden Hochspeicher erkennen. Eine diesbezüglich modellhaft ausgeprägte Dachkonstruktion findet sich am Roten Haus in Monschau.
Der Walkprozess
Nach dem Spinnen und Weben erfolgte mit dem sogenannten Noppen und
Plüsen (mundartlich für rupfen und zupfen) ein Arbeitsgang,
der für die Qualität des fertigen Tuches kritisch und
entscheidend war. Hierbei ging es hauptsächlich um die Beseitigung
eingesponnener oder eingewebter Fremdkörper. Dieser Arbeitsgang
musste äußerst sorgfältig durchgeführt werden,
denn Holsplitter u.ä. Hätten während der Walke das Tuch
zerstören können. Das Noppen wurde daher meist in den
zentralen Betriebskernen unter Aufsicht des Tuchmachers
durchgeführt.
Das auf den Webstühlen hergestellte, noch lockere Gewebe wurde unter Zugabe von (Seifen-) Lauge und/oder verfaultem Urin mit reichlich Wasser in den Trögen der Walkmühlen gestampft. Hierbei wurde durch das gegenseitige Verfilzen der Fäden das Gewebe verdichtet und konnte bis zu einem Drittel seiner ursprünglichen Flächenausdehnung verlieren.
Die Verdichtung des Gewebes war mit einem Verziehen verbunden, so dass die Tuche vor der Weiterverarbeitung auf lange Holzgestelle gespannt werden mussten. Hierbei wurden die durch Ungleichmäßigkeiten im Walkprozess verursachten Verspannungen ausgebügelt und das Tuch wieder in Form gebracht. Mit diesem Arbeitsgang und ggf. mit einem abschließenden Färben endete der Arbeitsablauf bei der Grobtuchherstellung, wie sie im bäuerlichen Umfeld meist zur Deckung des Eigenbedarfs betrieben wurde.
Appretur
Im Falle der Feintuchproduktion folgten jetzt noch jene
Arbeitsschritte, die das Tuch veredelten und beim Anfassen des fertigen
Stoffes ein weiches, flauschiges und angenehmes Empfinden entstehen
ließ.
Der in den Tuchmacherhöfen zentralisierte, von bestens ausgebildeten Fachkräften durchgeführte Appreturprozess lässt sich in drei Teilabschnitte unterteilen: Rauhen, Scheren, und Pressen. Das Rauhen wurde manuell (später auch mit mechanischer Unterstützung) unter Verwendung von Kardendisteln durchgeführt, die an einem hölzernen Griff befestigt waren und beim „Bürsten“ des Tuches die Faserenden der Gewebefäden aufrichteten. Letztere wurden mit bis zu 20 kg schweren Scheren auf gleiche Länge abgeschnitten.
Um hochfeine Stoffe herzustellen mussten die Tuche nass gerauht, getrocknet und erst dann geschoren werden. Der Vorgang des Rauhens und Scherens wurde, je nach Tuchqualität, bis zu sechs Mal wiederholt, so dass sich der Appteturprozess über mehrere Monate hinzog.
Abschließend wurden die „Feinen Tuche“ mittels heißer Bleche gepresst, um dem Endprodukt eine glatte und glänzende Oberfläche zu geben.
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