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Zur Chemie des Messingbrennens

Friedrich Holtz

Bei der Diskussion um das klassische Verfahren der Messingherstellung (Kupfer, lokalhistorischer Kontext
taucht bezüglich der im Tiegel freiwerdenden Zinkdämpfe häufig die Frage auf, wieso man das Gemenge aus Galmei, Holzkohle u. Kupfer so weit erhitzte, dass der Siedepunkt des Zinks überschritten wurde.

Diese häufig gestellte Frage resultiert offenkundig aus der Vorstellung, man könne die Metalle aus den Erzen ausschmelzen. Unglücklicherweise entspricht diese Vorstellung einer allgemeinen, sehr missverständlichen Sprachgepflogenheit, die geflissentlich ignoriert, dass die im Erz enthaltenen Metalle (sieht man von einigen Sonderfällen wie beispielsweise Gold ab) nicht in elementarer Form, sondern als chemische Verbindungen vorliegen. Das heißt: Die Erzverhüttung ist in Wirklichkeit kein reiner Schmelzprozess, sondern in erster Linie ein chemischer Vorgang.

Unabhängig davon, ob Kupfer-, Blei-, Silber-, Eisen-, oder sonstige Erze nach der klassischen Methode verhüttet werden, ist das auf Reduktion basierende Verfahren immer gleich. Auch Zink bildet hierbei keine Ausnahme, obschon es, im Gegensatz zu anderen Metallen, eben nicht in flüssiger Form, sondern als Metalldampf freigesetzt wird.


Zelliger Galmei aus den Lagerstätten um Stolberg.
Sammlung u. Foto: F. Holtz
Die chemischen Reaktionen, die bei der Metallverhüttung generell involviert sind, können nur bei entsprechend hohen Prozesstemperaturen ablaufen. Dies wird im Folgenden am Beispiel des Einsatzes von Galmei zur Herstellung von Messing erläutert. Allerdings gelten die hier dargestellten Zusammenhänge in gleicher Weise für die Zinkdestillation, die in den Stolberger Zinkhütten des 19. u. 20. Jh. in großtechnischem Maßstab betrieben wurde.

Der Galmei (Sammelbegriff für nicht-sulfidische, also schwefelfreie Zinkerze) kommt häufig als Zinkspat vor, der in der Mineralogie auch Smithsonit genannt wird. Auf Grund seiner chemischen Zusammensetzung lässt sich der Zinkspat (ZnCO3) als Zinkcarbonat einordnen. Die Freisetzung des Zinks aus dem Galmei bzw. aus dem Zinkcarbonat wird mit folgender Reaktionsgleichung beschrieben.

ZnCO3 + 2C → Zn + 3CO

Hierbei handelt es sich um eine Summenformel, die bezüglich der einzelnen chemischen Vorgänge naturgemäß recht vage bleibt.

Die beiden Komponenten des Zinkcarbonats, nämlich das Zinkoxid (ZnO) u. das Kohlendioxid (CO2), können durch starkes Erhitzen (Brennen) des Zinkspates getrennt werden, wobei das Kohlendioxid entweicht.

ZnCO3 → ZnO + CO2

Dieser Vorgang des sogenannten Kalzinierens lief häufig als separater Prozess-Schritt in hierfür speziell ausgelegten Brennöfen ab. Im Falle des direkten Einsatzes von unkalziniertem Zinkspat im Messingofen erfolgte das Freisetzen des Kohlendioxids im Schmelztiegel beim Aufheizen der Charge, wobei das flüchtige Kohlendioxid, ähnlich wie im Kalzinierofen, aus dem Tiegel entweichen konnte. Die im Tiegel verbleibende Restmenge des aus dem Galmei freiwerdenden Gases wurden in der nachfolgenden Prozessphase zu Kohlenmonoxid reduziert.


Messingofen nach Krünitz.

Letztlich bildete sich aus dem so gewonnenen Zinkoxid durch Reaktion mit dem Kohlenstoff (Holzkohle) elementares Zink und Kohlenmonoxid.

ZnO + C = Zn + CO

Auch bei dieser Reaktionsgleichung handelt es sich um eine Summenformel, hinter der sich eine Kombination aus zwei Einzelreaktionen verbirgt. Bei beiden Reaktionspartnern, nämlich Zinkoxid und Kohlenstoff handelt es sich um Feststoffe, die nicht unmittelbar und direkt miteinander reagieren können.

Eingeleitet wird der Reaktionsablauf durch das im Tiegel befindliche Kohlendioxid, welches durch das Kalzinieren des Galmeis und/oder durch die Reaktion von Luftsauerstoff mit der Holzkohle (Verbrennung) beim Aufheizen der Charge gebildet worden war. Mit steigender Temperatur entsteht aus dem Kohlendioxid in Verbindung mit dem Kohlenstoff in zunehmenden Maße Kohlenmonoxid.

(a)
CO2 + C → 2CO

Das so gebildete Kohlenmonoxid kann jetzt dem Zinkoxid den Sauerstoff entziehen, so dass elementares Zink freigesetzt wird.

(b)
ZnO + CO → Zn + CO2

Das so entstandene Kohlendioxid wird entsprechend Gleichung (a) erneut zu Kohlenmonoxid umgesetzt, welches gemäß Gleichung (b) zu einer weiteren Reduktion des Zinkoxids führt. Der überschüssige Teil des Gasgemisches aus Kohlenmonoxid und Kohlendioxid entweicht aus dem Tiegel, wobei das Kohlenmonoxid mit dem Luftsauerstoff zu Kohlendioxid aufoxidiert wird.

Bild Kupfer, am äußeren
Rand zu Messing umgebildet.
Sammlung: F. Holtz, Foto: RWTH Aachen

Die in Gleichung (b) beschriebene Reaktion ist nun allerdings reversibel. Das heißt: Bereits gebildetes elementares Zink kann in Verbindung mit vorhandenem Kohlendioxid durchaus wieder nach Zinkoxid zurückverwandelt werden.

ZnO + CO ← Zn + CO2

Mit anderen Worten: Die Anwesenheit von Kohlendioxid ist für den Ablauf des Prozesses äußerst ungünstig. Es muss also dafür gesorgt werden, dass sich im System möglichst wenig Kohlendioxid befindet. Auch das bei der Reduktion des Zinkoxids gebildete Kohlendioxid muss folglich möglichst schnell und vollständig wieder zu Kohlenmonoxid umgesetzt werden. Unter der Voraussetzung, dass hinreichend Kohlenstoff zur Verfügung steht, ist das Mengenverhältnis zwischen Kohlenmonoxid und Kohlendioxid von der Prozesstemperatur abhängig und wird durch das sogenannte Boudouard-Gleichgewicht bestimmt.

Wie in beiliegendem Diagramm ersichtlich, wird das Kohlendioxid bei steigender Temperatur in zunehmendem Maße durch Kohlenmonoxid ersetzt. Ein Diagrammausschnitt für den oberen Temperaturbereich lässt erkennen, dass der Kohlenmonoxid-Gehalt kurz unterhalb der Siedetemperatur des Zinks von 907oC bei etwa 97% liegt. Der noch verbleibende Kohlendioxid-Anteil von ca. 3% lässt sich durch eine weitere Temperaturerhöhung auf etwa 950o
nochmals halbieren. Für das in der Literatur häufig angegebene, zum Messingbrennen erforderliche Temperaturniveau von über 950oC ergibt sich somit ein Kohlendioxid-Anteil von nur noch 1.5% oder weniger.

Aus diesen Betrachtungen wird einsichtig und plausibel, dass man sich beim Messingbrennen eben nicht an der Siedetemperatur des Zinks orientieren konnte, sondern einen Temperaturbereich erreichen musste, der einen Kohlenmonoxid-Gehalt von nahezu 100% gewährleistete.


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