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Vielschichtige Aspekte zur Stadtgeschichte: Gehlens Kull.
Gehlens Kull als Industriedenkmal
Gehlens Kull,
naturräumliche
und geologische Gegebenheiten.
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Grüne
Kupferstadt?
Keineswegs
nur Illusion,
sondern faszinierende Realität !!!
Zuammenstellung: Friedrich Holtz.
Foto: Axel Pfaff.
Die Burg Stolberg vor dem Hintergrund des bewaldeten Hammerbergs erinnert an das Attribut „Industriestadt im Grünen“, welches in früheren Jahrzehnten für Stolberg gelegentlich Verwendung fand.
Diese Formulierung ist zwischenzeitlich wohl deshalb aus der Mode gekommen, weil der Beiname „Kupferstadt“ dem Anspruch auf Alleinstellung erheblich besser gerecht wird. Ungeachtet dessen hatte der damalige Slogan „Industriestadt im Grünen“ durchaus seine Berechtigung; man denke bspw. nur an den Burgfriedhof, der sich unmittelbar nördlich der Altstadt im Bereich zwischen Burg und Vogelsangkirche erstreckt.
Das
sogenannte Pestkreuz im Burgfriedhof. |
Vielschichtige Aspekte zur Stadtgeschichte: Gehlens Kull.
Etwas versteckt, aber dennoch unmittelbar neben Burg und Altstadt liegt ein Landschaftselement mit außerordentlich hohem Freizeitwert: der ehemalige Steinbruch Gehlen, der mittlerweile als ökologisch wertvolles Biotop zu werten ist.
Nachdem der 1897 gegründete Steinbruchbetrieb in den 1950er Jahren aufgegeben worden war, wurde das ehemalige Betriebsgelände zunächst zaghaft und beinahe unmerklich von neu entstehender Vegetation vereinnahmt. Zwischenzeitlich stand dem Vernehmen nach auch eine Verkippung des Betriebsgeländes zur Diskussion, was damals durchaus noch dem Zeitgeist entsprochen hätte, aber abgewendet werden konnte.
Als um die Mitte der 1980er Jahre die Sanierung der Altstadt abgeschlossen war, präsentierte sich der Altstadtbereich als eines der Glanzlichter unserer Kupferstadt. Als Resultat der bestandserhaltenden, aus städtebaulicher Sicht einfühlsamen Sanierung entstand rund um die Burg ein attraktives Highlight, das eine touristische Vermarktung durchaus nahelegte.
Mittlerweile hatte sich das Ödland des aufgegebenen Steinbruchgeländes ganz ohne menschliches Zutun in eine grüne Insel verwandelt. Durch die Anlage eines Teiches wurde das Gelände weiter aufgewertet, womit u.a. die Voraussetzungen zur Entwicklung einer artenreichen Reptilienfauna geschaffen wurden. Über Jahrzehnte ließen sich hier Entwicklung und Wandel von charakteristischen Landschaftsformen erkennen.
Insbesondere auf Grund seiner Nähe zur sanierten Altstadt entwickelte sich das ehemalige Steinbruchterrain zu einem Landschaftselement mit hohem Freizeitwert. Da dieses Biotop in der Bevölkerung breite Akzeptanz findet und diese Anlage überdies von prägender historischer Relevanz für die gesamte Region ist, muss es sehr verwundern, dass für diesen ansprechenden Landschaftsteil keinerlei Naturschutzstatus ausgewiesen ist. Das gilt deshalb umso mehr, weil sich sowohl Anwohner als auch weitere Bürger der Stadt für die Erhaltung dieser grünen Oase in vorbildlicher Weise engagieren.
Foto: W. Meuthen
Im Zusammenhang mit der Aufwertung des Geländes entsann man sich auch der 1899 errichteten Brennöfen zur Herstellung von Branntkalk und restaurierte einen der zwischenzeitlich verfallenen Schachtöfen und stellte diesen konsequenterweise unter Denkmalschutz. Somit entstand ein authentisches Dokument für das in unserer Gegend charakteristische, traditionelle Kalkgewerbe.
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Foto: F. Holtz |
Kalkstein erfreute sich insbesondere deshalb einer starken Nachfrage, weil dieser Rohstoff in den neu entstandenen Industriebetrieben des 19. Jahrhunderts als Zuschlagsstoff benötigt wurde. So belieferte der Steinbruch Gehlen das Aachener Hüttenwerk Rothe Erde mit gebranntem Kalk und die Stolberger Rhenania mit gemahlenem Kalkstein. Die besagte Chemische Fabrik Rhenania benötigte den Kalkstein zur Herstellung von Soda, welche zur damaligen Zeit als wichtiges Schlüsselprodukt galt.
Als wichtiger, teilweise prägender Landschaftsfaktor treten am Eifelnordrand mächtige Kalksteinformationen, die sogenannten Kalksteinzüge auf. Im Siedlungsbild der alten Ortskerne tritt der Kalkstein als landschaftstypisches Baumaterial ganz augenfällig in Erscheinung. Die Ortskerne Kornelimünster, Breinig, Büsbach oder Stolberger Altstadt mit Burg sind größtenteils geprägt durch den hellen Kalkstein des Karbons, der im Volksmund auch als Blaustein bezeichnet wird.
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Altbreinig, Foto: F. Holtz. |
Die Verwendung von Kalkstein und Dolomit als Baumaterial und somit auch die Spuren der Steingewinnung, also aufgegebene sowie noch in Betrieb befindliche Steinbrüche, sind seit mindestens 2000 Jahren augenfälliger Bestandteil unserer Kulturlandschaft und unserer Tradition. Als Beispiel hierfür kann die keltisch-römische Tempelanlage Varnenum zwischen Kornelimünster und Breinig gelten.
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Varnenum:
Fundamente der Anlage bei den 1989 durchgeführten Ausgrabungsarbeiten.Foto: F. Holtz |
Aber auch in vorgeschichtlicher Zeit waren die Kalksteinzüge, die relativ trockene Böden aufwiesen, für die Entwicklung unserer Region von hoher Bedeutung. Sie bildeten in der Frühzeit großräumig verlaufende, leicht begehbare, mit lichtem Buchenwald oder Kalkmagerrasen bedeckte Schneisen in der ursprünglichen, naturbelassenen Urwaldlandschaft. An diesen Schneisen orientierte sich der Verlauf früherer Reise und Handelswege.
Hintergrundinformation
zur
Stadtgeschichte und Gehlens Kull.
Die mittlerweile im Steinbruch Gehlen anzutreffende Vegetation kann dem Typus der fortgeschrittenen Sukzession zugeordnet werden. Als Sukzession-Vegetation bezeichnet man die natürliche, zeitliche Abfolge von unterschiedlichen Pflanzengesellschaften, die sich ohne menschliches Zutun auf ungenutzten Flächen entwickeln. In den ehemaligen Steinbrüchen des Stolberger Raumes sind, anhängig von der jeweiligen Dauer der Betriebsruhe, die unterschiedlichen Stadien der Sukzession nahezu idealtypisch ausgeprägt. Vom Initialstadium, nämlich dem zaghaften Vordringen von Pionierpflanzen auf nahezu vegetationsfreien Flächen, über das Auftreten stark gefährdeter Arten, die hier eine Überlebensnische finden, bis hin zur völligen Verbuschung lassen sich in den verschiedenen Steinbrüchen alle Zwischenstufen der Sukzession beobachten, woraus sich letztlich der Wald als sogenannte Klimax-Gesellschaft entwickelt.
Der Terminus Sukzession wird gelegentlich auch als Synonym für das fortgeschrittene Stadium der Verbuschung verwendet. Bezüglich des Erhalts von Offenlandflächen, wie beispielsweise Heidelandschaften, ist die Sukzession ein durchaus unerwünschtes Phänomen, welches man in vielen Fällen mit Hilfe landschaftspflegerischer Maßnahmen zu kompensieren sucht.
Hintergrundinformation
zum
Industriedenkmal Gehlens Kull.
Der mit fortschreitender Industrialisierung immer weiter steigende Bedarf einerseits, und die nur begrenzte Verfügbarkeit von Soda bzw. deren natürlicher Ausgangsstoffe andererseits, drohten gegen Ende des 18. Jahrhunderts die allgemeine Industrieentwicklung ernsthaft zu behindern. Vor diesem Hintergrund setzte die französische Akademie der Wissenschaften einen Preis auf die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung synthetischer Soda aus. Um 1790 stellte Nicolas Leblanc ein entsprechendes Verfahren vor, welches später nach ihm benannt wurde (Leblanc-Verfahren). Dieses Verfahren wurde später von dem energetisch günstigeren Solvay- Verfahren verdrängt.
Soda wurde in Stolberg zunächst in der 1850 von Friedrich Wilhelm Hasenclever gegründeten Waldmeisterhütte und später in der Rhenania bis 1925 in großtechnischem Maßstab nach dem Leblanc- Verfahren hergestellt und fand auch in den umliegenden Industrien (Glashütten, Textilfabriken sowie Seifen- und Waschmittelindustrie) guten Absatz.
Kalkstein
Ein bezeichnendes Beispiel für die Bedeutung der lokalen
Kalkstein-Lagerstätten zeigt sich bei der Herstellung von
Glas. Dem Quarzsand wird vor dem Erhitzen ein sogenanntes Flussmittel
zugesetzt, wodurch der Schmelzpunkt herabgesetzt wird. Als Flussmittel
findet heute vorwiegend Soda Verwendung, wobei zur Herstellung von Soda
beträchtliche Mengen Kalkstein benötigt
werden.
Durch den Zuschlag von Flussmitteln ergibt sich jedoch auch eine gewisse Wasserlöslichkeit des Glases, die normalerweise natürlich nicht erwünscht ist. Daher wird dem Gemenge Gesteinsmehl, bestehend aus kohlensaurem Kalk (gemahlener Kalkstein), als Stabilisator zugesetzt.
Hintergrundinformation
zu den
naturräumlichen Gegebenheiten von Gehlens Kull.
Die so entstehende Oberflächeneigenschaft, in der Geologie mit dem Fachbegriff „Karst“ bezeichnet, entsteht dadurch, dass der Kalkstein von eindringenden, kohlensäurehaltigen Sickerwässern leicht und schnell angelöst wird. Selbst feinste Haarrisse im Gebirgskörper werden von diesem Lösungsprozess aufgeweitet, wodurch im felsigen Untergrund Höhlen sowie Fließkanäle entstehen, die das Oberflächenwasser zur Tiefe hin ableiten.
Insbesondere als Weideland sind die Kalkböden bestens geeignet und haben schon seit frühester Zeit eine sehr viel ertragreichere Viehwirtschaft zugelassen, als dies beispielsweise auf den steinigen, sumpfig-sauren Böden der Eifel der Fall war. Die im ortsnahen Bereich oft als Streuobstwiesen ausgebildeten, weiten Weideflächen und die zum Teil stattlichen Gehöfte prägen das sogenannte „Münsterländchen“ und auch das angrenzende Eupener „Butterländchen“.
Das Karstphänomen hatte zur Folge, dass die Kalkformationen voller Wasser standen, was den späteren Erzbergbau ganz erheblich behinderte. Andererseits wird das im Gebirge eingeschlossene Wasser bis auf den heutigen Tag zur Wasserversorgung genutzt.
In den Karsthöhlen treten häufig spektakuläre Kalkspatbildungen auf. Ob Kalksinter, Tropfsteine, Tropfleisten oder Kalkspatkristalle, diese Bildungen sind allesamt von wirklich hervorragender, modellhafter Erscheinungsform.
In den stark unregelmäßig verlaufenden Karsthöhlen können im stehenden, ruhigen Wasser der Bodensenken perfekt ausgebildete Kalkspatkristalle von geradezu faszinierender Schönheit entstehen. Obschon der reine Materialwert dieser Bildungen verschwindend gering ist, werden Ebenmaß Glanz und Farbe häufig als durchaus ästhetisch empfunden.
Die überzeugende Attraktivität gut ausgebildeter Kalkspatkristalle verleitete unsere Ahnen dazu, diese Kostbarkeiten mit Zwergenschätzen in Verbindung zu bringen. So sollen bspw. die Killewittchen (uralte Zwergengestalten aus der lokalen Sagen-Überlieferung) vor ihrem Verschwinden lange in der Erde gegraben, die kostbaren Schätze verpackt und diese mitgenommen haben.
Welch ein Glitzern, welch
ein Funkeln,
gleich, als wollten eitle Zwerge
einmal zum Verwundern zeigen
all den Reichtum ihrer Berge;
All den Hort geheimer Schätze,
die sie rastlos schürften, scharrten
aus der Erde dunklen Tiefen,
wo sie edlen Schatz bewachten.
Nach Friedrich Wilhelm Weber:
Dreizehnlinden.
Kalkspatkristalle aus dem "Killewittchen" Steinbruch,
Sammlung und Foto: F.Holtz, H. Wotruba.
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