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Gewichtsrelationen der Einsatzmengen

Volumenrelationen der Einsatzmengen

Schlussfolgerungen

Literatur und Quellen

 

 

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Die Bedeutung des Rohmessings (Arco)
bei der früheren Messingherstellung (Galmeiverfahren).

Friedrich Holtz

In der einschlägigen Literatur wird die traditionelle Messingherstellung mittels Einsatz von Galmei eigentlich immer als 2-Stufen-Prozess beschrieben. Im ersten Prozessschritt stellte man unter Einsatz von Kupfer, Galmei (meist kalziniert) sowie Holzkohle zunächst Rohmessing (Arco) her. Das flüssige Rohmessing wurde dann in eine flache Sandmulde (Monthal) gegossen und konnte auf Grund seiner Warmbrüchigkeit im noch warmen Zustand in Stücke zerschlagen werden. Im zweiten  Prozessschritt wurden die Tiegel dann mit dem stückigen Rohmessing (und manchmal auch mit weiterem Kupfer sowie Galmei und Holzkohle) gefüllt und erneut zum Schmelzen in den Ofen gegeben.

Bild Monthal
nach Krünitz.

Für Stolberg wurde diese Verfahrensweise u.a. von Schleicher, K. (1956) beschrieben. Wie viele andere auch, fühlte sich Schleicher nicht genötigt, den Sinn dieser Vorgehensweise zu erklären bzw. zu begründen. Dies dürfte daran gelegen haben, dass sich diesbezüglich ganz generell eine Auffassung etabliert hatte, die fast schon als Selbstverständlichkeit empfunden wurde und folglich nicht erwähnenswert schien. Nach damals gängigen Vorstellungen sollten sich die Zinkanteile im Messing mit diesem 2-Stufen-Verfahren erhöhen und das so erzeugte Messing von besserer Qualität sein.

Allerdings wurde diese Auffassung von Karsten, C.J.B. (1831) stark angezweifelt und der Sinn des 2-Stufen-Verfahrens völlig anders begründet: „Alle diese Gründe sind indeß in der Wirklichkeit nicht vorhanden, und der wahre Grund des Arcoschmelzens liegt nur darin, daß die Tiegel nicht geräumig genug sind, um so viel Beschickung zu fassen, daß ein vollständiger Tafelguß geschehen kann.“

Ein Indiz für die Richtigkeit der von Karsten vertretenen These ergab sich bereits durch Versuchsreihen, die von Ullwer, H. (2001) durchgeführt und deren Ergebnisse in der Zeitschrift „Erzmetall“ 2001 publiziert wurden. Hierbei stellte sich heraus, dass der gängige Zinkgehalt von 25 bis 30 % schon im ersten Prozessschritt ohne weiteres erreicht werden konnte und ein 2-Stufen-Verfahren zum Erreichen des gewünschten Zinkgehalts nicht erforderlich war.

Weitere Schmelzversuche mit anschließender Überprüfung der Verarbeitungseigenschaften (Kaltverformung), die von Hachenberg und Ullwer durchgeführt und veröffentlicht wurden, haben überdies gezeigt, dass die 2-Stufen-Methode auch bezüglich der Verarbeitungseigenschaften keine Vorteile brachte.

In vielen Fällen wurden bei der Messingherstellung zunächst große Messingtafeln gegossen, die später zu Blech, Draht, Stangen (Halbzeug) und letztlich auch zu Fertigprodukten verarbeitet wurden. Der Guss einer solchen Tafel hatte ohne jegliche Unterbrechung in einem einzigen Gießvorgang zu erfolgen, so dass die hierzu insgesamt benötigte Messingschmelze also in einem entsprechend großen Tiegel bereitstehen musste.

 

Gewichtsrelationen der Einsatzmengen
Bei näherem Hinsehen erweist sich die von Karsten gegebene Begründung für den 2-Stufen-Prozess als schlüssig und plausibel. Wenn man die Einsatzmengen (Kupfer, Galmei, Holzkohle) in Relation zur erschmolzenen Messingmenge stellt, ergeben sich nach dem ersten Prozess-Schritt in den Tiegeln erstaunlich geringe Füllgrade. Dies liegt u.a. daran, dass sich Teile der Einsatzstoffe während des Prozesses verflüchtigten und hauptsächlich als Kohlenmonoxid aus dem Tiegel entwichen. Da das aus dem Galmei reduzierte Zink in dampfförmigem Zustand frei wurde (siehe auch: Chemie des Messingbrennens) , strömten auch Teile des Zinkdampfes zusammen mit dem Kohlenmonoxid aus dem Tiegel und konnten somit für die Messingbildung nicht genutzt werden.

Was das für die Praxis bedeutete, wird erkennbar, wenn man die damals üblichen Einsatzmengen und die daraus resultierende Messingmenge quantifiziert. Zunächst ist in der Literatur häufig erwähnt, dass der Zinkgehalt des Arcos zwischen 25 und 30 %, im Mittel also bei 27,5 % gelegen hat.

In der von Hachenberg und Ullwer transkribierten Handschrift des Marcus Fulda (1717) ist mehrfach erwähnt, dass man zur Herstellung von Arco Kupfer und Galmei in einem Gewichtsmengenverhältnis von 1 : 1 einsetzte.

Schleicher gibt allerdings für die Arco-Herstellung in Stolberg eine andere Rezeptur an. Er spricht nämlich von 40 Pfund Kupfer, 60 bis 65 Pfund Galmei und 25 Pfund Holzkohle, die als Einsatzstoffe erforderlich seien. Quelle: SCHLEICHER, K. (1974) Seite 50

Zur weiteren Bewertung des Arco-Prozesses sind im Folgenden zunächst einige Stoffkonstanten tabellarisch aufgeführt, die für eine Interpretation der Gewichtsmengen-Verhältnisse erforderlich sind.

Stoffkonstanten
    Atom-Masse Dichte
(g/cm3)
C Kohlenstoff 12  
Cu Kupfer 63,5 8,92
O Sauerstoff 16  
Zn Zink 65,4 7,14
ZnO Zinkoxid   5,61
ZnCO3 Zinkspat   4,4
  Messing (CuZn30)   8,72
  Holzkohle   0,45

Die Diskrepanz zwischen den von Fulda und Schleicher gemachten Angaben sowie die Größenordnung der angegebenen Unterschiede legen die Vermutung nahe, dass mit Galmei bei Schleicher unbehandelter Zinkspat (also Zinkkarbonat) und bei Fulda kalzinierter Galmei (also Zinkoxid bzw. ZnCO3) gemeint sein könnte.

Rechnet man die Atom-Massen

65,4 (Zn) + 12 (C) + 3 * 16 (O3) = 125,4

auf die Gewichtseinheiten der eingesetzten Galmeimenge (60 bis 65) um, so ergibt sich:

32,6 (Zn) + 5,98 (C) + 23,92 (O3) = 62,5   Gleichung 1

Während des Aufheizens der chargierten Tiegel wird das im Zinkkarbonat enthaltene Kohlendioxid freigesetzt

ZnCO3 → ZnO + CO2 ,

so dass von dem Zinkkarbonat letztlich nur noch Zinkoxid (also kalzinierter Galmei) im Tiegel übrig bleibt. Bezogen auf die Gewichtseinheiten der eingesetzten Galmeimenge ergibt sich aus Gleichung 1 für das Zinkoxid ein Gewichtsanteil von

32,6 (Zn) + 23,92/3 (O) = 40,57.

Dies entspricht fast genau dem in dieser Rezeptur angegebenen Kupfergewicht. Somit wären die von Schleicher und Fulda gemachten Angaben zur Gewichtsmengenrelation von Kupfer und Galmei unter der Annahme identisch, dass die Aussagen von Schleicher und Fulda sich einerseits auf nicht-kalziniertem und andererseits auf kalziniertem Galmei bezogen haben.

Diese Annahme könnte auch darauf hindeuten, dass bei der Herstellung von Arco in Stolberg zumindest gelegentlich nicht-kalzinierter Galmei eingesetzt worden ist. Bei den kurzen Wegen zu den Galmeilagerstätten spielten die tendenziell höheren Transportkosten für nicht-kalzinierten Galmei (höheres Gewicht) in Stolberg kaum eine Rolle.

Am Beispiel der von Schleicher für Stolberg beschriebenen Rezeptur und unter der Annahme, dass mit Galmei unbehandeltes Zinkkarbonat zu verstehen ist, lassen sich die Gewichtsrelationen wie folgt bestimmen.

Ergänzt man Gleichung 1 mit den eingesetzten Kupfer- und Holzkohlemengen, so ergeben sich die Gewichtsanteile zu:

40 (Cu) + 32,6 (Zn) + 5,98 (C) + 23,92 (O3) +25 (Holzkohle)

bzw. zu:

40 (Cu) +62,5 (ZnCO3) +25 (Holzkohle).

 

Volumenrelationen der Einsatzmengen
Unter Berücksichtigung der Dichte der einzelnen Einsatzstoffe ergeben sich die Volumina wie folgt:

4,48 (Cu) + 14,2 (ZnCO3) + 55,56 (Holzkohle).

Auch wenn das feinkörnige Gemisch aus gemahlenem Galmei und ebenfalls gemahlener Holzkohle angefeuchtet wurde, ist kaum anzunehmen, dass dieses Gemisch im Tiegel porenfrei verdichtet werden konnte. Daher wird für das Gemenge aus Galmei und Holzkohle ein Porenvolumen von 10 % angenommen. Hieraus ergeben sich die Gesamtvolumenanteile zu:

4,48 (Cu) + 15,78 (ZnCO3) + 61,73 (Holzkohle) = 82,00.

Aus dem relativen Kupfergewicht von 40 und bei einem Zinkanteil von 27,5 % ergibt sich für das erschmolzene Arco ein Gewichtsanteil von 55,17 bzw. ein Volumenanteil von

55,17/8,72 = 6,33.

Bezogen auf das Gesamtvolumen aller Einsatzstoffe liegt nach dem ersten Prozess-Schritt das Volumen des Messings also bei 6,33/82 = 0,077 und somit bei unter 8 %. der Tiegelfüllung.

 

Schlussfolgerungen
Bei den in Stolberg üblichen 5-Liter-Tiegeln konnte man also selbst bei randvoll beschickten Tiegeln nach dem Reduktions- und Schmelzvorgang eine Messingmenge von höchstens

5 x 0,077 =  0,385 Liter bzw.
0,385 Liter x 8,72 kg/Liter = 3,36 kg
pro Tiegel erzielen.

Bild Gießstein mit Messingtafel im Zinkhütter Hof

Die im Museum Zinkhütter Hof ausgestellte Gießstation mit einem originalen Gießstein (Bretanier) lieferte Messingtafeln von etwa 1,60 m mal 0,90 m. Bei einer Tafeldicke von 6 mm waren hierzu rund 8 Liter flüssiges Messing erforderlich. Bei der Anwendung eines Einstufenverfahrens in Verbindung mit der von Schleicher beschriebenen Rezeptur wären zum Guss einer solchen Tafel 21 Tiegel erforderlich gewesen. Da jeder Ofen mit lediglich 8 Tiegeln bestückt war, hätte es drei Öfen gebraucht, um eine einzige Tafel zu gießen.

Bild Messingofen nach Krünitz

Aus praktischen Erwägungen blieb also nichts anderes übrig, als das erschmolzene Arco in einem zweiten Prozess-Schritt erneut einzuschmelzen, um die zum Tafelguss erforderlichen flüssigen Messingmengen verfügbar zu haben.

Fernerhin konnte man in der zweiten Prozessstufe das Arco zumindest teilweise durch Messingschrott ersetzen. Somit hatte man Gelegenheit, die im Betrieb anfallenden Messingabfälle in den normalen Verfahrensablauf einzuschleusen.

Aus der zweistufigen Arbeitsweise ergab sich zudem eine gewisse Flexibilität in der Arbeitsorganisation. In konjunkturell ruhigen Zeiten ließ sich nämlich Arco auf Vorrat produzieren, so dass man sich bei Bedarf (Auftragsspitzen) auf den Tafelguss konzentrieren konnte.

Bei der Betrachtung der von Schleicher angegebenen Einsatzmengen fällt allerdings noch der hohe Gewichtsanteil der Holzkohle auf. Das genannte Gewicht von 25 Pfund liegt jedenfalls deutlich oberhalb der Menge, die zur Reduktion des reinen Zinkoxids eigentlich nötig gewesen wäre. Dies dürfte u.a. dadurch zu erklären sein, dass im Ablauf des Prozesses die Phasen des Kalzinierens und des Reduzierens ineinander übergingen. Mit anderen Worten: Ein Teil der Holzkohle wurde dazu benötigt, Teile des beim Kalzinieren freiwerdenden Kohlendioxids entsprechend des Boudouard-Gleichgewichtes in Kohlenmonoxid umzuwandeln.

Die von Hachenberg und Ullwer durchgeführten Versuche haben gezeigt, dass selbst bei Verwendung von kalziniertem Galmei nach dem ersten Prozess-Schritt eine Messingmenge von lediglich etwa 10 % des Tiegelvolumens erreicht wird.

 

Literatur und Quellen:
Hachenberg, K.F. u. Ullwer, H. (2013): Messing nach dem Galmeiverfahren, Drei Handschriften des 18. Jahrhunderts  experimentell erläutert. Disserta-Verlag, Hamburg.

Karsten, C.J.B. (1831): System der Metallurgie, Berlin.

Krünitz, J.G. (1802): Ökonomisch-technologische Encyklopädie, Berlin.

Schleicher, K. (1956): Geschichte der Stolberger Messingindustrie. - Schriftenreihe der Stadtbücherei Stolberg.

Ullwer, H. (2001): Messingherstellung nach dem Galmeiverfahren. In: Erzmetall, Heft 6/2001.


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