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Atscher Mühle

Das Gelände der Atscher Mühle ist uralter Gewerbestandort. Neben den alten Glühöfen fällt zunächst der in unmittelbarer Nähe gelegene Atscher Weiher auf, der als Speicher für das zum Antrieb von Mühlrädern erforderliche Wasser diente und die frühere Bedeutung der Fließgewässer zur Gewinnung von mechanischer Energie bewusst werden lässt.

Von einem ganz ähnlichen Pumpwerk, das wenige Kilometer flussabwärts um 1632 ebenfalls der Wasserhaltung im Steinkohleabbau diente, ist eine Abbildung erhalten, die Aufschluss über die damaligen Verhältnisse gibt.

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Quelle: Geschichtsverein Eschweiler

Ein weiterer Hinweis auf den Energiehunger in früherer Zeit ergibt sich aus dem Umstand, dass die Wasserkraft des Münsterbaches bereits um 1500 genutzt wurde, um ein Pumpenhaus (Atscher Pumpe) zu betreiben, welches unmittelbar neben den beiden Glühöfen gestanden hat und den Abbau der hier lagernden Steinkohle ermöglichte.

1784 wurde die Wasserkraftanlage zunächst von Johann Peltzer und später von Matthias Leonhard Schleicher übernommen, der 1810 mit seinen Söhnen dort die Atscher Mühle mit einer Latschmühle und dem ersten Walzwerk für Messing in Stolberg errichtete. Der Betrieb wurde 1873 zur heutigen Eisenbahnstr. verlegt und gilt als weltweit erstes, industriell betriebenes Messingwerk.

Nicht ohne Stolz verweist der Schriftzug „Ältestes Messingwerk der Welt“, der über der Einfahrt zum Werk II der Stolberger Metallwerke (Eisenbahnstraße) angebracht war, auf die lange Tradition der industriellen Messingverarbeitung in Stolberg. Dieses Signet befindet sich heute an der südlichen Frontseite der alten, 1873 errichteten Produktionshalle und lässt gewisse Rückschlüsse auf das neue Selbstverständnis der Kupfermeister zu.

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Foto: Privatarchiv Schleicher

Offenbar setzte man sich ganz bewusst vom alten Messinggewerbe traditioneller Prägung ab und betonte ganz explizit die Zugehörigkeit zur neu entstandenen, modernen Industriegesellschaft. Die neue Messingtechnologie, in welcher man elementares Zink statt Galmei einsetzte, wurde als Ursache für einen tiefgreifenden Strukturwandel empfunden, der das vorindustrielle Messinggewebe zum Bestandteil der lokalen Industrialisierung werden ließ.


  

 

Im Süden der heutigen Parkanlage schließt sich ein moderner Industriebetrieb an. Es handelt sich um ein Zweigwerk der Saint Gobain, dessen Ursprünge auf das Jahr 1865 zurückgehen, als man den Standort der damaligen Spiegelglashütte von Münsterbusch ins Stolberger Tal verlagerte. Ausschlaggebender Grund für diesen Umzug waren die im Tal vorhandenen Bäche, deren Wasser nun aber nicht zum Antrieb von Mühlrädern, sondern in Verbindung mit Sand und Poliermitteln zum Schleifen bzw. zum Polieren des Glases genutzt wurde. Dieser Standortvorteil blieb bis 1973 relevant. Erst mit der Einführung des Floatverfahrens wurde das Schleifen und Polieren und somit der Einsatz von großen Wassermengen entbehrlich.

Von großer Bedeutung für die Glasindustrie waren aber auch zwei weitere Standortvorteile. Einer davon wird sofort plausibel, wenn man an die in unmittelbarer Nähe gelegenen Steinkohlen-Lagerstätten denkt. Der zweite, noch bedeutsamere Standortvorteil ist weit weniger offensichtlich, erschließt sich jedoch durch die Erwähnung und Beschreibung eines Betriebs der Großchemie, der im 19. Jahrhundert direkt gegenüber der Rhenania-Straße entstand, wo sich jetzt das große Gewerbegebiet befindet.

Dieser Betrieb, die Chemische Fabrik Rhenania, nutze das beim Rösten der in Stolberg geförderten und verhütteten, schwefelhaltigen Blei- und Zinkerze freiwerdende Schwefeldioxid zur Herstellung von Schwefelsäure. Diese wiederum war damals zur Produktion von Soda erforderlich. Und diese Soda wurde bei der Glasherstellung als Flussmittel eingesetzt und fand ebenfalls in der Waschmittel- sowie in der Textilindustrie Verwendung.

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Als Schalenblende ausgebildetes Blei- Zinkerz. Sammlung: F. Holtz, Foto: Axel Pfaff.

Somit standen die wichtigsten Stolberger Industriezweige, nämlich Metall- und Glashütten sowie das Textil- und Chemiegewerbe über das Koppelprodukt Soda in enger Beziehung zu einander. Letztlich ist dies ein Phänomen, das nicht nur in Stolberg für die Industrialisierung zunehmend charakteristisch wurde.


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