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der
Heimatkunde
Auszüge aus der Sagensammlung von Heinrich Hoffmann, erschienen
1914 im Joseph Dostall Verlag, Eschweiler.
Sagen aus dem Stolberger Stadtkerngebiet
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Bergbau- und Zwergensagen
78
Geuenich und die Stadt
Gression
Von Herrn Wilhelm Harff
Zwischen Altdorf und Inden im Kreise Jülich stand noch bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein auf einsamer Höhe die uralte Kirche zu Geuenich, die dem hl. Remigius geweiht war. Heute sieht man keine Spur mehr von ihr. Sie diente in früherer Zeit als gemeinsame Pfarrkirche der drei umliegenden Ortschaften Altdorf, Inden und Pattern, die heute eigene Pfarreien bilden. Die im 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgebrochene Kirche zu Geuenich soll der letzte Rest des dort gelegenen, aber mit der Zeit untergegangenen großen Dorfes Geuenich gewesen sein. Andere aber sagen, dort habe die sagenhafte Stadt Gression gestanden, die einen meilenweiten Umfang gehabt und von der der türkische Feldherr, der gegen Gression zog, gesagt haben soll: "Komme ich dann über den Rhein, so ist gleich die Stadt Gression mein."
79
Die Vorstadt von Gression
Mündlich von vielen aus Altdorf und Umgegend
Der Teil von Altdorf, der von der Kirche an der Straße nach Inden zu liegt, führt noch heute den Namen Vorstadt. Auf dieser Stelle soll nach allgemeiner Volkssage ehedem die Vorstadt von Gression gestanden haben. Der Name soll noch eine Erinnerung daran sein. Die Stadt Gression selbst läßt das Volk von Gressenich bis zum Geuenicher Acker reichen. Sie ist versunken; einen Grund dafür kennt man nicht. Im Boden stecken aber noch viele Mauerreste, die sich in der Frucht in dem kümmerlichen Aufwuchs bemerkbar machen.
119
Ein Marktplatz von
Gression
Mündlich von vielen
Hier in der ganzen Gegend, so erzählt man sich in Echtz, Geich, Obergeich und anderen Orten, findet man an vielen Stellen auf den Feldern und im Boden Bruchstücke großer Dachpfannen, wie man sie heute nicht mehr kennt. Auch stößt man mit dem Pfluge oder Spaten auf alte Fundamentmauern und manchmal an Plätzen, wo man sie bis dahin nicht vermuten sollte, weil sich auf der Ackeroberfläche keine Baureste zeigen. Selbst in zwei Meter Tiefe traf man auf Grundmauern, und jedesmal hieß es: "Dat es wedde e Stöck van de Stadt Gression, die versonke es." Besonders viele Baureste alter Gebäulichkeiten trifft man an der 'Duffesmaar' bei Geich an. Es geht nämlich die Sage, in der 'Duffesmaar' habe der Marktplatz der Stadt Gression gelegen, der von vornehmen Bauten, darunter von einer Kirche (nach anderen von einem Kloster) umgeben war. Gression war eine große Stadt, die in Gressenich ihren Anfang nahm und sich von da sieben Stunden in die Länge und Breite ausdehnte. Die Bewohner waren Heiden, von einzelnen werden sie auch als Römer bezeichnet. Eines Tages aber, man weiß nur nicht aus welcher Ursache, öffnete sich der Boden unter ihr und verschlang die Stadt samt allen Bewohnern. Sie versank in die Tiefe, und die Erde verschloß sich über ihr. Die meisten Gebäude, so glaubt man, seien bei dem plötzlichen Untergange in Trümmer gegangen, wie dies noch heute die Reste zeigen; andere Bauten sollen noch wohlerhalten im Boden ruhen.
So wurde mir in Gressenich von einer Greisin, die aus Merken stammte, darüber folgendes berichtet: "Eines Tages pflügte ein Landmann aus Merken an der 'Duvvesmaar' seinen Acker. Plötzlich stieß er auf einen harten Gegenstand im Boden, so daß der Pflug davon zerriß, und es fing an zu läuten. Neugierig grub er nach und sah verwundert, daß er an die Spitze eines Kapellenturmes (so nannte ihn die Greisin, während man in Geich und Umgegend allgemein von einer Kirche spricht) gestoßen und dadurch das Glöcklein zum Läuten gebracht hatte. Sofort warf er Erde in das Loch; denn es soll nicht gut sein, in die Geheimnisse einer versunkenen Stadt einzudringen." - Das Leben in der Stadt Gression soll noch nicht ganz erstorben sein. In der Weihnachtsnacht (nach anderen in der Matthiasnacht) wird es da drunten wieder lebendig, und Schlag 12 Uhr fangen die Glocken der versunkenen Kirchen an zu läuten. Wer dann lauschend sein Ohr an den Boden hält, kann die Töne vernehmen, die nur dumpf aus der Tiefe an die Oberfläche dringen. Auch will man an der 'Duvvesmaar' die schönste Musik in stiller Nacht gehört haben. Einige behaupten, in gewissen Nächten versammelte sich früher dort der 'Hexereih', dessen Teilnehmer bei Spiel und Tanz allerlei Kurzweil trieben; andere glaubten, es sei unterirdische Musik, die aus der versunkenen Stadt herrühre. Ein junger Mann aus Geich, der in Luchem freite und darum oft spät nachts zurückkehrte, hörte manchmal die geheimnisvolle Musik, konnte aber niemals entdecken, wo die Musikanten waren. Dazu trieben Irrlichter und Feuermänner dort ihr Wesen, so daß man früher nur mit Grausen über den verrufenen Platz ging. Nach der Sage führte ein unterirdischer Gang von der 'Duvvesmaar' nach Geich, wo er in dem Keller des Hauses zum 'helligen Geestes' ausmündete.
123.
Obergeich als
Römerstadt.
Mündlich.
Der alte, über 90 jährige Pohl aus Obergeich berichtete mir folgendes: "Von den alten Leuten, die weder lesen noch schreiben konnten, und die es daher aus mündlicher Überlieferung wußten, habe ich immer gehört, daß Obergeich in uralter Zeit größer und bedeutender war. Es war eine Stadt aus der Römerzeit, die Gression hieß. Hier hat sogar ein stattliches Schloß in der Stadt gelegen, in dem Raubritter wohnten. Da kamen eines Tages andere Raubritter, zerstörten und verbrannten Schloß und Stadt. Es blieben nur die Fundamente, die sich unter dem Boden in der Umgebung dahinziehen, übrig, sowie die vielen roten Dachpfannen, die auf den Feldern liegen. An der Stelle, wo das Schloß gelegen, haben wir oft verkohlte Holzbalken, Asche und Wirtschaftsgeräte, besonders aus Eisen gefunden. Ein verrosteter Degen, dessen Griff aus Hirschhorn bestand, kam zum Vorschein, sowie ein flacher Schleifstein, den wir noch heute gebrauchen. Auch die im Boden stehenden Mauerreste zeigen, daß hier einmal ein starker Brand gewütet hat, da die Steine oft von Rauch geschwärzt sind."
131.
Die Stadt Gression auf
dem Schlicher Keller.
Mündlich von mehreren.
Unterhalb Schwarzenbroich heißt eine Stelle im Walde „op dem Schlicher Kelde“. Früher war dort ein weit ausgedehnter Weideplatz, heute wachsen auf ihm Waldbäume. In uralter Zeit, so geht die Sage, erhob sich an der Stelle eine große und schöne Stadt, die Gression hieß und von Gressenich bis Düren reichte. Einige behaupten, daß auch auf dem benachbarten Klosterberge und dem Erbs Häuser gestanden haben. Die Bewohner der Stadt führten ein lasterhaftes und gottloses Leben. Aber Gottes Langmut hat ihre Grenzen. Eines Tages bei einem tollen Festesjubel entlud sich über der Stadt ein furchtbares Unwetter. Eine Wasserflut kam und zerstörte die Stadt; nur die Kellerwerke und Grundmauern blieben übrig. Das Wasser riß selbst die Gebäude von den beiden Bergen spurlos hinweg, und kein einziger Bewohner blieb verschont. Ungewöhnlich große, rote Dachpfannen und andere Ziegel im Boden des ehemaligen Weideplatzes zeugen von der Stadt. Etwas unterhalb Schwarzenbroich fand man im Bruche steinharte, schwarze Baumstümpfe mit ihren Wurzeln nach oben gekehrt, in denen das Volk die Zeichen der großen Flut, die der Stadt ein Ende machte, zu erkennen glaubte.
181.
Die Stadt Gression in
Langerwehe.
Mündlich von vielen aus der Umgegend.
Auf dem Berge, auf dem die Langerweher Kirche liegt, findet man im Boden an manchen Stellen Grundmauern alter Gebäulichkeiten; auch ungewöhnlich große, rote Dachpfannen kommen wie auch anderwärts, in der ganzen Umgegend zum Vorschein. Das sind die Trümmer der großen Stadt Gression, die sich in uralter Zeit über den Berg bis Gressenich und nach allen Seiten weit in die Umgegend und namentlich bis über das alte, verschwundene Geuenich bei Altdorf erstreckte. Von dieser Stadt heißt ein Teil des Dorfes Altdorf, der auf Inden zu liegt, noch heute 'die Vorstadt'. Bei Obergeich lag zu jener Zeit auf der 'Duvvesmaar' der Marktplatz von Gression mit vornehmen Gebäuden, und über den 'Uhles' in Langerwehe stand in Richtung auf Weisweiler hin im sogenannten 'Poezefähld' ein Stadttor. In dieser Stadt wohnten die Heiden, und die Langerweher Kirche war damals ein Heidentempel. Noch heute soll eine unleserliche, eiserne Tafel der Kirchenmauer zu Langerwehe an jene Zeit erinnern. Gression ist aber wegen der Lasterhaftigkeit seiner Bewohner von der Sündflut hinweggeschwemmt worden, und nur die Kirche, die später zu einem christlichen Gotteshause umgewandelt wurde, ist von der gottlosen Stadt übriggeblieben. Wie gewaltig die Flut in der Stadt gehaust hat, will das Volk an den großen Mengen zusammengeschwemmter Baumstämme in der Lucherberger Braunkohle und in den dort angetürmten Sand- und Geröllmassen erkennen.
Sandablagerungen zwischen Heistern
und Langerwehe. Foto: F. Holtz |
182.
Tempel von Gression.
Mündlich von vielen in Langerwehe.
In der ganzen Umgebung bezeichnen die alten Leute die Langerweher alte Kirche als einen Heidentempel, und die Sage erklärt das so: Auf der Höhe, von der die alte Kirche von Langerwehe so stolz in die Gegend schaut, hat in uralter Zeit die berühmte Stadt Gression gestanden, wie das die Mauerreste, die in der Umgebung der Kirche im Boden stecken, beweisen sollen. Die Kirche stand damals auch schon da. Sie war aber ein Heidentempel; denn die Bewohner von Gression waren Heiden. Auch ein Tor der Stadt stand in der Nähe des 'Uhles', wo es deshalb noch heute im 'Poezefähld' heißt. Zu der Stadt gehörten die benachbarten Dörfer Hamich, Heistern, Gressenich und noch viele Ortschaften der Umgegend, die aber alle untergegangen sind, von denen aber an manchen Stellen unterirdische Mauerruinen und die großen, roten Dachpfannen zeugen. Den Tempel hatte man auf der Höhe inmitten der Ortschaften, aus denen die Stadt bestand, errichtet, damit, wie die Leute erklärten, die Umwohner keinen zu weiten Kirchgang hätten. Da kam aber die Sündflut und bereitete der Stadt ihren Untergang; nur Gressenich, das von der Stadt seinen Namen haben soll, blieb bestehen, desgleichen der heidnische Tempel auf dem Berge, der später in ein christliches Gotteshaus umgewandelt wurde. Noch eine eiserne Inschrifttafel, welche niemand lesen kann, und die in der Kirchenmauer eingelassen ist, soll aus dieser Zeit stammen. Wie stark die Flut gewütet hat, die Gression zerstörte, will das Volk in den vielen in der Braunkohle zu Lucherberg zusammengeschwemmten Holzstämmen erkennen und in den darüber gelagerten Sand- und Geröllmassen. Alle die Holz-, Sand- und Geröllmassen, die die Flut mit fortgerissen, hätten sich an dem Hügel, auf dem Lucherberg liegt, angestaut und kämen jetzt erst durch den Bergwerksbetrieb zum Vorschein.
233.
Zusammenfassung der Sage
von der Stadt Gression.
Die Sage von der Stadt Gression ist über ein großes Gebiet verbreitet. Sie lebt im Kreise Düren auf der ganzen linken Rurseite, greift von Düren an auf die rechte Flußseite hinüber und umfaßt mit Ausschluß von Niederzier den ganzen nördlichen Teil des Kreises. In den Kreisen Bergheim und Jülich tritt sie uns ebenfalls in einigen Ortschaften entgegen. So soll 'nach einer alten Sage und einer in Aldenhoven sich befindenen Chronik' auch 'die alte Feldkirche Geuenich bei Altdorf und Inden' zu Gression gehört haben. Besonders lebendig ist die Sage im Landkreise Aachen, so in Gressenich und im weiten Umkreise von Gressenich, und sogar in dem weit entlegenen Vetschet desselben Kreises ist sie zu finden.
Jedesmal knüpft sich die Sage von Gression an die Spuren römischer Ansiedlungen an, die besonders zahlreich in dem bezeichneten Gebiete auftreten. Wo sich nur römische Baureste, namentlich die roten Dachpfannen und Grundmauern zeigen, versetzt man die untergegangene Stadt hin.
Jedesmal knüpft sich die Sage von Gression an die Spuren römischer Ansiedlungen an, die besonders zahlreich in dem bezeichneten Gebiete auftreten. Wo sich nur römische Baureste, namentlich die roten Dachpfannen und Grundmauern zeigen, versetzt man die untergegangene Stadt hin.
Grundmauern der Tempelanlage Varnenum. Foto: F. Holtz |
Die Entstehung der Sage dürfte der Auffindung dieser Reste zu danken sein. Stößt man nämlich noch heute mit dem Spaten oder Pfluge unvermutet auf eine bis dahin unbekannte Fundstelle, so sagt man gleich: "Dat es wedde e Stöck van dr Stadt Gression, die versonke es" oder ähnliches.
Beachtenswert ist es, daß man fast immer die Sage mit dem heutigen Dorfe Gressenich in Beziehung bringt. In den meisten Ortschaften des Kreises Düren linksseitig der Rur heißt es bei der Erzählung der Sage: "Hier hat die Stadt Gression gestanden, die bis Gressenich reichte." Auch gibt man oft an, "Gressenich hat seinen Namen von der Stadt Gression," oder "Gressenich ist von der Stadt allein übrig geblieben oder bildete den Hauptteil der Stadt." Die Verbindung des Namens Gression mit dem heutigen Gressenich beleuchtet auch den Umstand, daß man die untergegangene Stadt nicht selten Gressenich nennt.
Außer dem Namen Gression (wie die Stadt allgemein genannt wird) und Gressenich begegnet man auch den Namen Gressiona, Gressionau, Grassi-Gronau, Grasigrone und Gratenich (so wird sie in Brandenberg genannt).
Es läßt sich leicht erklären, daß die Sage bei ihrer weiten Verbreitung in den vielen Ortschaften sehr verschieden erzählt wird. Oft werden nur kurze Angaben gemacht, wie: "Hier oder dort hat die Stadt, oder hier (man bezeichnet dabei die Flurstelle, wo die römischen Altertümer gefunden werden) hat ein Marktplatz, eine Kirche, eine Burg von Gression gelegen." Oft aber rankt sich an ein einzelnes Überbleibsel der Stadt oder an ein Ereignis, das zur Zeit des Bestehens der Stadt stattgefunden haben soll, eine schöne Sage, manchmal ein ganzes Sagennetz an. Ein Gesamtbild der einzelnen im Volke noch lebenden Sagen würde folgendes ergeben:
Gressenich, ein heute nur wenig bekanntes Dorf im Landkreise Aachen, war in uralter Zeit eine so gewaltige Stadt, daß keine an Größe mit ihr verglichen werden konnte. Der Durchmesser der Stadt betrug nach Angabe einiger zwei, nach anderen fünf und nach den Berichten der meisten gar sieben Stunden. Nach anderen Angaben reichte sie von Aachen bis Köln und von Düren bis Jülich oder von Aachen längs der Krefelder Straße bis zum Rheine. Einige bemaßen den Umfang der Stadt sogar auf hundert Stunden.
Auch über die Bauanlage der Stadt ist man unterrichtet. Sie war nicht wie die heutigen Städte so geschlossen gebaut. Es reihte sich nicht an den Straßen Haus an Haus an, sondern die Häuser lagen oft weit auseinander; nur hier und da waren sie zu Gruppen nach Art unserer Weiler vereinigt. Trotzdem die Häuser nicht zusammmenlagen, so bildete doch die Stadt ein Ganzes. Sie wird in Gressenich, Gürzenich und Lucherberg und anderen Orten sogar als eine wohlbewehrte Festung geschildert, die von Mauern umgeben und durch Tore verschlossen war. In Langerwehe soll ein Tor gestanden haben. Davon soll noch die Bezeichnung einer Flurstelle 'em Pozefeld' Zeugnis ablegen. In Gürzenich sollen im 'Rott' Festungswerke und Tore der Stadt gestanden haben.
Öffentliche Plätze gab es ebenfalls, und Marktplätze der gewaltigen Stadt verlegte man an die heutige Stelle des Muttergotteshäuschens in Düren, auf die 'Duffesmaar' bei Geich und auf den sogenannten 'Mahdberg' bei Birgel, dessen Name von dem dort gelegenen Marktplatz herrühren soll.
An manchen Punkten sucht man öffentliche Bauten der Stadt, wie Kirchen, Tempel oder Burgen. Auf der Duffesmaar stand außer anderen vornehmen Bauten eine Kirche, in Pier befand sich an der Stelle der heutigen Pfarrkirche ein heidnischer Tempel der Stadt Gression, und die Flurnamen 'Kirchwasser' bei Merken und 'de ahl Kerch' bei Berzbuir sollen von dort versunkenen Kirchen von Gression benannt worden sein. Die alte Pfarrkirche von Langerwehe soll sogar, zufolge allgemeiner Angabe der Umwohner, ursprünglich ein Heidentempel von Gression gewesen sein, der erst nach dem Untergange der Stadt, nach Ausbreitung des Christentums in ein christliches Gotteshaus umgewandelt worden sein soll. Im Nonnenweiher bei Derichsweiler soll ein Kloster, das noch zu Gression gehörte, versunken sein. Die Heidenburg bei Hoven bezeichnen viele als eine Burg der Stadt, und im Schlammerweiher bei Pier soll die Burg des Oberhauptes der Stadt ('der über die Stadt zu sagen hatte') gestanden haben.
Das Alter der Stadt wird verschieden angegeben. Einige sagen, Gression bestand schon vor der Sündflut, andere setzen ihr Alter in die Heidenzeit. Die Bewohner sind nach allgemeiner, fast übereinstimmender Angabe Heiden gewesen; nur in Gressenich und Geich wurden sie als Römer bezeichnet.
Die Stadt hat eine wechselvolle Geschichte gehabt. Einmal erschienen vor Gression, das als uneinnehmbare Festung galt, die Türken in gewaltigen Scharen und belagerten die Festung. An dem zwischen Gressenich und Hamich fließendem Omerbache, der damals ein großer, schiffbarer Strom war, kam es zu einer furchtbaren, blutigen Schlacht, in der die Türken so vollständig geschlagen wurden, daß sie mit großen Verlusten abziehen mußten. Beim Abzuge soll der türkische Feldherr den Ausspruch getan haben: "Kommen wir wieder, so werden wir in noch größerer Heeresmasse erscheinen, so daß unsere Pferde den Omerstrom ('ussuffe') leer saufen können, um trockenen Fußes hinüberzukommen. Dann soll kein Stein auf dem anderen in der Stadt bleiben." Nach einigen sind die Türken in noch gewaltigerer Anzahl zurückgekehrt. Die Bewohner flohen vor Angst und Schrecken in die nahegelegenen Wälder. Die Türken bemächtigten sich der Stadt und machten den Ausspruch ihres Feldherren zur Wahrheit. Es läuft noch ein anderer Ausspruch eines türkischen Oberbefehlshabers im Volke um, der in der Umgegend von Krauthausen lautet: "Komme ich bis an den Rhein, so ist gleich Gression mein." Nach anderen Berichten hatten die Türken im ersten Kriege so große Verluste erlitten, daß sie an keine Wiederkehr mehr gedacht hätten; im Gegenteil sollen sie noch heute Furcht vor dieser Stadt haben. Bei den vielen, manchmal sich widersprechenden Angaben steht nur das eine fest, daß am Omerbache eine verlustreiche Schlacht stattgefunden haben soll, die die Entscheidung brachte. Das Andenken an diese Entscheidungsschlacht mit den Türken hatte sich lange in einem alten, aber jetzt vergessenen Liede erhalten, dessen Anfang hieß:
"Zu Gression
Am Omerstrom
Ward eine Blutige Schlacht geschlagen ..."
Wieder andere berichten von einem Kampfe der Spanier, die beim Übersetzen über den Omerstrom in den Wellen ertranken. Dadurch sei die Festung gerettet gewesen. Endlich melden die Umwohner von Stolberg von einer anderen Gefahr, die die Stadt Gression bedrohte. Es zogen nämlich von Westen her die Franzosen in großer Schar heran. Diesmal setzte aber der Merzbach, der damals ein gewaltiger Strom war, so daß Schiffe auf ihm fahren konnten, ein solches Hindernis in den Weg, daß die Feinde wieder unverrichteter Sache abziehen mußten. Am Totenlager bei Lucherberg wurde von einem unbekannten Volke ein Angriff auf Gression gemacht. In dem Kampfe kam der feindliche General ums Leben, der dort mit vielen anderen Gefallenen seine Ruhestätte fand, worauf die dortige Flurstelle den Namen 'das Totenlager' erhielt. Ebenso wird in Gürzenich von Kriegen und Kämpfen gegen die Stadt Gression berichtet, die im 'Rott', wo man Festungswerke und Tore annahm, stattgefunden haben sollen. Die Berichte sind aber so verworren, daß man keinerlei einheitliches Bild davon gestalten kann.
Gar mancherlei erzählt sich der Volksmund von dem Endschicksale der Stadt. In einigen Orten geht die Sage, daß fremde Kriegshorden über die Stadt hereinbrachen, sie zerstörten und verbrannten, so daß nur elende Trümmerhaufen übrig blieben. In Merken sagt man, bei der Zerstörung sei es so schrecklich hergegangen, daß davon die Stadt den Namen 'Gräßelich' erhielt, der später in Gressenich umgewandelt wurde. An der Kohlenasche, die man vielfach bei den römischen Trümmern findet, will man das sichere Zeichen von der Zerstörung durch Feuer und Brand erkennen.
In anderen Orten schreibt man den Untergang der Stadt einer Flut zu, meist der Sündflut. Man will das auch an manchen Stellen begründet finden. In Gressenich will man die Zeichen in den versteinerten Muscheln, die noch vom Wasser herrühren müßten, und die so oft in den Steinbrüchen zutage treten, erkennen. In Lucherberg, Langerwehe und anderen Orten weist man auf die in der Braunkohle bei Lucherberg zusammengeschwemmten Baumstämme, die dort bei der Flut aufgehäuft seien, sowie auf die über der Braunkohle lagernden Sand- und Geröllmassen hin. Auch sollen die im 'ruede Brooch' bei Schwarzenbroich gefundenen, mit den Wurzeln nach oben gekehrten, steinharten, schwarzen Baumstümpfe auf die gewaltige Flut hindeuten, die das Schicksal der Stadt besiegelte.
Der Volksglaube sah auch in den versteinerten Brachiopoden der Devon- und Karbonzeit, die in den Steinbrüchen der umliegenden Gegend häufig gefunden wurden, Relikte der gewaltigen Flutwelle, die vor Zeiten die Sagenstadt Gression zerstört haben soll. | ||
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Sammlung und Fotos: F. Holtz |
Am meisten verbreitet ist die Anschauung, daß die Stadt versunken sei. Fragt man nun nach dem Grunde, weshalb die Stadt versunken sei, da das doch eine Strafe bedeute und eine Strafe eine Schuld voraussetze, so wissen manche keine Antwort. Viele aber begründen den plötzlichen Untergang mit der Üppigkeit und Lasterhaftigkeit der Bewohner der Stadt. Meist fügt man bei dieser Schilderung hinzu, früher habe man sich vielmehr von der Stadt zu erzählen gewußt, von der großen Pracht, dem Reichtum, der Üppigkeit der Bewohner usw., das aber jetzt der Vergessenheit anheimgefallen ist. Die schlimmste Übeltäterin in Gressenich soll 'Frau Liesche' gewesen sein, eine frevelhafte Sabbathschänderin, die zur Strafe jetzt noch in Röhe und Hehlrath umgeht und durch ihr nächtliches Klagegeschrei die dortigen Bewohner erschreckt.
Ferner gibt man noch an, daß das Leben unten in der Stadt noch nicht völlig erloschen sei. In der Weihnachtsnacht z.B. würde es wieder in ihr lebendig. Zu Mitternacht höre man die unterirdischen Glocken läuten. Ganz besonders wird das von der Duvvesmaar, vom Kirchwasser, dem Nonnenweiher und von einer Stelle am Erzbach bei Mausbach erzählt, und ältere Leute versichern, in ihrer Jugend zu Mitternacht der Christnacht an die Stellen geeilt zu sein, um das unterirdische Glockengeläute zu vernehmen. Aber nur der Gläubige, und wer sein Ohr lauschend an den Boden hält, kann die dumpfen Töne heraufklingen hören.
235.
Der Bergwerksbetrieb der
Stadt Gression.
Mündlich von vielen aus Gressenich und Umgebung.
Gressiona war vor Zeiten eine gewaltig große Stadt. Gressenich war ihr Mittelpunkt. Von hier zog sie sich nach Westen bis Cornelimünster in einer langen Straße. In entgegengesetzter Richtung ging sie der Münsterstraße entlang auf Düren hin, das auch noch zur Stadt gehörte. Nach Norden erstreckte sie sich weithin über Jülich. Damals wurde in Gressenich viel gebergt. Man grub nach allerlei Erzen, besonders Blei-, Eisen- und Kupfererzen. Das bedeutendste Bleibergwerk war im Schieverling zwischen Gressenich und Diepenlinchen. Viele setzten den Bergwerksbetrieb in die Zeit der Römer, andere noch früher, in die Zeit der Sündflut. In den Bergwerken arbeiteten ganz kleine Menschen. Es sollen Römer gewesen sein, und alte Leute nannten deshalb früher Menschen von ungewöhnlich kleinem Wuchse Römermännchen. Durch den großen Erzreichtum in den Bergwerken soll großer Reichtum in die Stadt geflossen sein. Der Reichtum verleitete die Bewohner zu Üppigkeit und Völlerei. Allerlei Laster nahmen überhand, bis endlich der Zorn Gottes über sie kam. Eine gewaltige Flut, die manche als die Sündflut annehmen, schwemmte alles hinweg und begrub das Bergwerk unter dem Sande. Von den Gebäuden der Stadt blieben nur noch Trümmer übrig, die in geringen Resten an manchen Stellen sich in den Äckern finden. Das Bergwerk im Schieverling lag bis zu den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts tief unter dem angeschwemmten Sande vergraben. (Gerade darin will das Volk ein sicheres Zeichen sehen, wie die Flut gehaust hat.) Man grub die Schlacken, da sie noch viel Metall enthielten, unter dem Sande heraus, um sie in den Bergwerken zu Stolberg noch einmal zu verschmelzen. Da fanden sich auch noch 'Rüster aus Eisen', die alten Schmelzöfen, in denen das Blei geschmolzen worden war. Auch zeigten sich viele schwarze, steinharte Baumstämme und Balkenreste, die von der Flut dahingeschwemmt waren. Ebenso zeigten sich in den Schlacken viele Römermünzen, allerlei irdene Geschirre, Haarnadeln und andere Dinge aus der Römerzeit. Desgleichen kamen viele äußerst kleine Hufeisen zum Vorschein. Der Schieverling war früher sehr verrufen wegen der vielen Irrlichter, die sich dort nächtlicherweise zeigten, und die manchem Bergarbeiter, der zur Nachtzeit von Diepenlinchen kam, mitgespielt haben sollen.
236.
Das uralte Bergwerk im
Schieverling.
Mündlich von vielen aus Gressenich und Umgebung.
In uralter Zeit war im Schieverling westlich von Gressenich ein bedeutendes Bleibergwerk, wie das die vielen Schlacken und die aufgefundenen 'Rüster aus Eisen' oder die Schmelzöfen bewiesen. Die Schmelzöfen waren kleine Handöfen die, mit Holzkohlen geheizt, die Erze zum Schmelzen brachten.
Blick über den Schieverling
zwischen Mausbach und Gressenich. Foto: F. Holtz |
In dem Bergwerk, so erzählen die alten Leute, die es von ihren Eltern und Großeltern hörten, arbeitete ein ungewöhnlich kleiner Menschenschlag. Einige nennen sie Römer und begründen das damit, daß man früher Menschen von außergewöhnlich kleinem Wuchse mit dem Namen Römermännchen bezeichnete. Andere bestreiten das und verlegen das Bergwerk in noch ältere Zeit, nämlich in die Zeit vor der Sündflut, als die Stadt Gressiona noch bestand. Gressiona war eine Stadt, mit der an Größe und Umfang sich keine Stadt des Altertums messen konnte; denn sie reichte von Düren bis Cornelimünster, erstreckte sich weit über Jülich hinweg und umfaßte die heutigen Städte Stolberg und Eschweiler. Durch den Bergwerksbetrieb floß großer Reichtum in die Stadt der Heiden. Der Reichtum verleitete die Bewohner der Stadt zur Üppigkeit, Schwelgerei und einem lasterhaften Leben. Das Strafgericht Gottes brach endlich über sie herein. Die Sündflut kam und machte auf einmal der Stadt mit ihren Bergleuten ein Ende. Von den Gebäuden der Stadt blieben nur noch Trümmer und die Kellerwerke übrig. Das wichtigste Bergwerk im Schieverling lag zuletzt unter einer tiefen Sandschicht vergraben. Gerade diese Sandschicht sieht man als einen Beweis für den Untergang der Stadt durch eine Flut an. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts grub man unter dem schön geschichteten Sande die Bleischlacken, weil sie noch viel Metall enthielten, heraus, um sie in den Bleischmelzen zu Stolberg noch einmal auszuschmelzen. Da zeigten sich weitere Beweise, wie die Flut gehaust. In den Mulden der Schlacken fand man viele schwarze, steinharte Baumstämme und Balkenreste, welche die Wassermassen dahingeführt hatten.
237a.
Die zwerghaften Bergleute.
Mündlich aus Heistern und Gressenich.
Der über 80 Jahre alte Meier aus Heistern erzählte folgendes, was ihm sein Vater in der Jugend berichtet hatte: "Im Römerfelde zwischen Gressenich und Werth war ein uraltes Bergwerk. Die Bergleute, die dort einstens arbeiteten, waren von sehr kleiner Gestalt. Man nannte sie Tataren, auch Römer und wegen ihres kleinen Wuchses auch Heinzelmännchen. In ihrer Arbeit waren sie sehr geschickte Leute, und der ganze Boden war ausgehöhlt durch Gänge und Gewölbe, in denen sie fleißig Erze suchten. Da kam eines Tages ein fremdes Kriegsvolk, zerstörte die Bergwerke und rottete die Bergleute aus."
237b.
Die zwerghaften Bergleute.
Mündlich von vielen aus Gressenich und Umgegend.
Im Römerfelde geht nachts eine Juffer ohne Kopf um. Andere erzählen gleiches vom Schieverling, in dem ein uraltes Bergwerk bestanden haben soll. Auch in diesem Bergwerk sollen Bergleute von kleinem Schlage gearbeitet haben. Man glaubt, es seien Römer gewesen. Deshalb bezeichneten die früheren alten Leute von Gressenich Menschen von ungewöhnlich kleinem Wuchs mit dem Namen Römermännchen. Man berichtet sogar, daß solche kleinen Männchen, die man für Nachkommen der alten Bergleute hielt, hier in der Gegend bis in die jüngste Zeit gelebt hätten.
238.
Einsturz im Bergwerk.
Mündlich von Herrn Averdung aus Schevenhütte.
Früher hatten die Bergleute von Mausbach, Krehwinkel, Werth, Gressenich, Hamich und Schevenhütte das sogenannte Baggerrecht, d.h. jeder konnte an einer Stelle, wo man Eisensteine vermutete, den Eisenstein gewinnen. Damals sollen die vielen Löcher in der Umgebung von Gressenich, besonders in den Waldungen auf Schevenhütte zu, entstanden sein. Diesen Eisenstein mußten die Eisenhütten von Schevenhütte, um das Metallgut schneller flüssig zu erhalten, gebrauchen. Die Leute hatten zur Gewinnung des Eisensteins recht primitive Einrichtungen. Sie trieben einen Schacht in der Art eines Brunnens in die Erde und förderten in Eimern den Eisenstein durch ein einfaches Kabelwerk in die Höhe. Die Wände des Schachtes wurden mit hölzernen Reifen ausgeschlagen, damit das Erdreich nicht herabsinke. Dabei konnte aber leicht ein Absturz des Erdreiches erfolgen. Am Weißenberge bei Gressenich war man auch so beschäftigt. Da sank eines Tages die Erde herab und begrub zwei dort beschäftigte Arbeiter. Nach ihrem Tode hörte man mitunter lautes Gebet; man sah jedoch niemanden. Deshalb glaubte man, daß dieses Gebet von den Seelen der dort Verunglückten, die noch nicht zur Ruhe gelangt seien, herrühre.
239.
Berggeist zeigt eine
Erzader an.
Mündlich aus Gressenich.
Es war die Zeit, als die Bergleute von Gressenich und Umgegend auf eigene Faust nach Erzen suchten, die sie dann zur Schmelze brachten. Nach der Menge und Güte der Waren wurden sie ausbezahlt. Ein frommer Bergmann, der sehr arm und dazu noch mit einer zahlreichen Kinderschar gesegnet war, stand einst vor seinem wenig ergiebigen Ort (d.i. die Stelle, wo gegraben wird). Plötzlich stand hinter ihm ein seltsam großer Mann, grüßte ihn mit dem bergmännischen Gruße: "Glück auf!" und fragte ihn nach seinem Ergehen. Der Bergmann faßte Vertrauen zu dem Fremden, klagte ihm, daß er eine zahlreiche Familie habe, aber sein 'Ort' stehe so schlecht und werfe nichts ab, und so müsse seine Familie darben. Der Fremde, der der Berggeist war, sagte zu ihm: "Graf e wennig wigger (weiter) dörch, dann könns de op schünn Ehz!" Der Bergmann tat es und stieß auch wirklich auf ein schmales Äderchen mit feinstem Erze. Mit neuem Mute grub er weiter. Seine Ausdauer wurde belohnt; denn auf einmal wurde die Ader breiter. Erfreut füllte er sein Säckchen voll und trug es hinauf zutage. Oben angekommen, begegnete ihm ein feiner Herr, in dem er den fremden Bergmann in den Gesichtszügen wiedererkannte, nur daß er jetzt nicht in Bergmannstracht erschien. Der Fremde fragte ihn: "Häß de jetz Ehz fonge?". "Jo, ich hann schünn Ehz fonge. Dat es et ieschte, wat ich drvann erusbränge," antwortete der überglückliche Bergmann. "Nu loß mich ens kicke, wat du dann em Säckelche häß." Der Mann legte sein Säckchen ab und zeigte dem Fremden sein Erz. Was aber war das! Vor Verwunderung konnte er kein Wort hervorbringen; denn das vermeintliche Erz war pures Gold. Beglückt und ganz gerührt dankte er dem Fremden für seinen Rat. Dieser aber entfernte sich freundlich lächelnd.
Gediegenes Gold. Sammlung und Foto: F. Holtz, H. Wotruba. |
240.
Das Öl des
Berggeistes.
Mündlich aus Gressenich.
Ein kleines, altes Bergmännchen ging durch die Strecke des Bergwerkes, ob es Diepenlinchen oder ein anderes Bergwerk in der Nähe war, ist zweifelhaft. Da begegnete ihm auf dem Wege ein Bergmann von ungewöhnlich hohem Wuchse, den es noch nie gesehen hatte. Das Licht des riesenhaften Fremden strahlte so sehr, daß man weit durch die 'Strecke' sehen konnte.
Ehemalige Erzgrube Diepenlinchen in
Mausbach. Ölgemälde von Franz Hüllenkremer. |
Verwundert schaute der Bergmann den Fremden an; dieser redete ihn an mit den Worten: "Sag ens, deng Lamp geht uhs." "Dat weß ich, dröm woll ich att maache, dat ich flöck op de Poste komm," antwortete das Bergmännchen. Der Berggeist, das war nämlich der Riese, sagte zu ihm: "Geff mich ens deng Lamp, dann well ich dich jett Ollig dropp donn; evve saag kenem jett, söß geht dich deng Lamp at wärem (wiederum) uhs." Darauf schüttete er dem Bergmännchen Öl auf die Lampe und sagte dann: "Du bruchs jetz keen Ollig mie dropp ze schödde. Säß de evve enem jett, dann moß du och wärem Ollig opschödde wie deng Kamerate." Mit diesen Worten war der Riese in der Strecke verschwunden; der Bergmann sah nur, wie durch das Licht des Verschwundenen die Strecke meilenweit erleuchtet war. Unser Bergmännchen hatte von nun an ein so schönes, helles Licht, wie keiner von seinen Kameraden. Er brauchte auch kein Öl aufzugießen. Das wunderte die übrigen Bergleute, und sie fragten ihn, wie er an das schöne Licht käme. Er sagte aber nichts, wie ihm der Berggeist befohlen hatte. Endlich, nach langer Zeit konnte er dem ungestümen Drängen seiner Kameraden nicht widerstehen und offenbarte ihnen das Geheimnis. Sein Licht erlosch sogleich, und hinfort mußte er Öl auf seine Lampe schütten, wie alle anderen.
Sogenannte Froschlampe, das traditionelle Geleucht der Bergleute. Foto: Werbestudio Toporowsky |
241.
Berggeist als Warner.
Mündlich aus Gressenich.
Ein Bergmann stand auf der Grube Diepenlinchen vor seiner Arbeitsstelle. Die Arbeit wollte gar nicht weiter. Gemäß seiner Gewohnheit fluchte und wetterte er gewaltig. In dem Augenblick stand hinter ihm der Berggeist in Gestalt und Tracht eines Bergmannes und warnte ihn, weiter zu fluchen. Der Bergmann gab eine trotzige Antwort und achtete der Warnung nicht. Noch in derselben Schicht ereilte ihn die Strafe. Gesteinsmassen gingen nieder und begruben ihn.
242.
Berggeist als Helfer in
der Not.
Mündlich aus Gressenich.
Von meiner Mutter, die es von älteren Leuten vernommen hat, wurde mir in meiner Jugend von dem Berggeiste folgendes erzählt: Es war Winter, und Weihnachten stand vor der Türe. Eine arme Witwe fror mit ihren Kindern in ihrer einfachen Lehmhütte. Um den Ofen einheizen zu können, fuhr sie mit ihrem Schlitten in den Wald, Holz zu holen. Es war bitterkalt, und das dürre Holz so gefroren, daß sie es kaum brechen konnte. Da stand plötzlich vor ihr der Berggeist in Jägerkleidung und fragte sie, wie es ihr gehe. Nachdem sie ihm ihre Not geklagt hatte, erbot der Berggeist sich, ihr beim Einsammeln des Holzes zu helfen, was sie auch willig geschehen ließ. In kurzer Zeit hatte der Berggeist einen großen Haufen dürren Holzes zusammen, legte die Last auf den Schlitten und raste mit ungeheurer Geschwindigkeit den Berg hinunter zu der Wohnung der Witwe. Das Weibchen konnte nicht beihalten und kam erst nach langer Zeit zu Hause an. Wie erstaunte die gute Frau aber da, als sie an der Stelle der Lehmhütte ein schönes, steinernes Häuschen stehen sah, aus dem ihre Kinder in feinsten Kleidern ihr entgegensprangen. Das alte, verschlissene Mobilar war in die schönsten Möbel umgewandelt. Nie brauchte die Frau mehr Holz zu holen; denn der Haufen ging nie zu Ende. Das hatte der Berggeist getan.
243.
Das Kreuz im Schieverling.
Mündlich von Herrn Matthias Faensen aus Gressenich
und anderen.
"In meiner Jugend," so erzählte der oben angeführte Gewährsmann, "habe ich folgendes oft gehört: Ein Mann von Gressenich, namens Christian Bolz, war mir einem Säckchen Erz, das er selbst gegraben hatte, nach Münsterbusch gegangen, damit es dort im Hüttenwerk auf seine Güte untersucht und der Preis festgesetzt werde, den er für später zu liefernde Ware erhalten sollte. Damals gruben die Bewohner von Gressenich und Umgegend an manchen Stellen nach Erzen. Die vielen Löcher in der Umgegend sind ein Zeugnis hiervon. Bolz hatte, wie so viele andere, lange vergeblich gesucht und war endlich auf eine ergiebige Erzader gestoßen. Deshalb begab er sich hoffnungsfroh auf die Reise trotz des kalten Wintertages. Seine Hoffnung ward nicht betrogen; denn seine Probe war gut bewertet worden. Bei seiner Rückreise setzte ein heftiger Schneesturm ein. So kam er bis zum Schieverling, wo es damals sumpfig war. Er geriet vom Wege ab und blieb im Schnee stecken. Alle Anstrengungen, sich herauszuarbeiten, waren vergeblich. Des Morgens fand man ihn tot an der Stelle, die jetzt ein einfaches Holzkreuz bezeichnet."
248.
Glockengeläute
aus Gression.
Mündlich aus Gressenich und Schevenhütte.
Am Ausgange des Schmidtsgäßchens in Gressenich standen früher zwei Steine, von denen jetzt nur noch einer vorhanden ist. Wer sich dort am Ostermorgen mit dem Ohr auf den Boden legte, konnte das Geläute der Osterglocken des Vatikans in Rom vernehmen. Nach anderen sind es die Glocken der untergegangenen Stadt Gression, die aus der Tiefe heraufklingen. Auch von einer anderen Stelle wird einer alten Sage nach gleiches berichtet. Auf der Spitze des „Lüggebrochs“ (in Schevenhütte „Louebroich“ genannt) einem Berge zwischen Schevenhütte und Gressenich, soll in der Mitternachtsstunde zu Weihnachten das unterirdische Glockengeläute aus der Stadt Gression herauftönen.
249.
Von Schweinen
ausgewühlte Glocke.
Mündlich aus Scherpenseel, Hamich und anderen Orten.
Gressenich hat eine sehr alte Glocke, die man auf eigenartige Weise erhalten hat. Ein Schweinehirt trieb eines Tages die Schweine ins Feld. Da sah er auf einmal, wie die Tiere sehr unruhig wurden und an einer Stelle die Erde aufwühlten. Neugierig eilte er hinzu und sah zu seinem Erstaunen, wie eine große Glocke zum Vorschein kam. Er nahm sie, und man hängte sie im Kirchturme zu Gressenich auf. Die Glocke hatte einen so lauten Klang, daß man ihr Geläute auf der Rurbrücke bei Düren gut hören konnte. Man schrieb der Glocke die Macht zu, Gewitter fernzuhalten. So weit ihr Schall dringe, so weit sei alles vor Blitz und Unwetter geschützt. Es wird in Gressenich erzählt, daß viele schwere Gewitter in der Umgegend großes Unheil anrichteten, Gressenich aber immer verschont blieb. Das habe man der Glocke zu verdanken. Über den Ort der Auffindung der Glocke bestehen verschiedene Angaben. In Heistern erzählt man, die Glocke habe man in den Hamischer Benden, wo der Erdboden noch voller Fundamente alter Gebäulichkeiten aus der Stadt Gression sei, beim Suchen nach Erz gefunden, oder wie andere behaupten, sie sei von vielen Sauen dort aus der Erde herausgewühlt und so aufgefunden worden. Wieder andere, und zwar besonders alte Leute von Gressenich und Hastenrath, bezeichnen den Schieverling als den Ort, wo man sie aufgefunden habe.
250.
Die Glocken von Gression.
Mündlich aus Merode und anderen Orten.
In Gressenich erzählt man: "Unsere Kirche besitzt Glocken, deren Inschriften nicht zu lesen sind. Viele Gelehrte sind da gewesen, um die Buchstaben zu entziffern, allein sie konnten nicht einmal angeben, in welcher Sprache sie geschrieben sind. Der Sage nach sollen sie von einem heidnischen Tempel der Stadt Gression herstammen."
252.
Die Quärressteen
„oder Zwergensteine“.
Mündlich von Herrn Johann Schüller aus Gressenich und
anderen.
Der „Hetzberg“, an einer mit düsterem Gestrüpp bewachsenen Talsenkung zwischen Gressenich und der Grube Diepenlinchen, ist sehr verrufen. Dort sieht man an einer Stelle im Abhange mehrere schwere Kalksteinblöcke aufeinandergetürmt. Erfahrene Bergleute halten die Blöcke für eine natürliche Lagerung des Felsgebildes.
Die Zwergensteine um 1920-30. Privatarchiv W. Hamacher. |
Das Volk urteilt darüber anders, indem es sagt, daß die Blöcke von Menschenhand übereinandergeschichtet worden seien. Noch bis heute ist der 'Hetzberg' ein gefürchteter Ort, und selbst am Tage soll es da nicht taugen. Man weiß zwar nicht genau warum, nur heißt es: "Do ligge de 'Quärresmännche' begrave", und die Steine sollen ihre Grabstätte anzeigen. Kinder, die dort das Vieh hüten wollen, warnte man früher mit den Worten: "Do moß d' net john, do ligge de 'Quärresmännche' begrave."
278.
Die Glocken von Gression.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
Bei Diepenlinchen am Erzbach liegen mehrere altersgraue, moosbewachsene Steine. Wer darauf steht in der heiligen Weihnacht, kann da noch die Glocken der Stadt Gression läuten hören, die dort untergegangen ist.
282.
Die Zwerglöcher.
Mündlich von Herrn Johann Schüller und anderen
aus Gressenich und der Umgegend.
In dem „Quärresloche“ zwischen Diepenlinchen und Bernardshammer haben in den Felshöhlen, die tief in die Erde gingen und sich vielfach verzweigten, die „Quärresmännchen“ oder Zwerge gehaust. Es hieß, diese kleinen Wesen sollen die Stollen in den Fels geschlagen haben. Die Umwohner mochten sie gerne, und die kleinen Leute entliehen von ihnen Koch- und Eßgeschirre, die sie, blitzblank gescheuert, zurückbrachten. Auch die alten, verrosteten Geschirre erhielten die Bewohner so fein gescheuert zurück, daß sie wie neu aussahen. Als die „Quärresmännchen“ ihre Wohnungen verlassen hatten, sollen die Felshöhlen schlechtem Gesindel als Unterschlupf gedient haben. Die vorübergehende Straße wurde so unsicher, daß man sich gezwungen sah, den Eingang zu vermauern. Ob die „Quärresmännchen“ Römermännchen waren, wie man noch heute Menschen von kleinem Schlage bezeichnet, weiß man nicht genau; manche glauben es.
Der mittelalterliche Bergmann in Kapuzentracht
prägte unsere Vorstellung von Zwergen. Quelle: Bersch (1898) |
285a.
Die Killewittchen.
Mündlich von vielen aus Hastenrath und der Umgegend.
Unfern des Dorfes Hastenrath ist eine Stelle, wo es noch heute im Killewittchen heißt. Dort sah man vor 50 Jahren einen großen Felsen aus Kalkstein, der jetzt vom Bergwerksverein beseitigt ist. In dem Felsen war eine große Höhle, in der kleine Steinbänke standen. Dort haben vor Zeiten die Killewittchen gewohnt. Das waren kleine Zwerge, die sich am Tage nie sehen ließen. In der Nacht verrichteten sie ihre Arbeit. Dabei wollten sie nicht gesehen sein. Die Hastenrather wußten das und ließen sie in Ruhe; denn die Leute standen gut dabei. Zur Zeit der Ernte geschah es oft, daß die reife Frucht, die am Abend noch auf den Halmen gestanden hatte, abgeschnitten war und auf Haufen stand. Die Leute wußten gleich, wer das getan hatte. Wer seinen Pflug im Felde stehen ließ, fand des Morgens seinen Acker frisch gepflügt. Die Killewittchen unterstützten bei ihrer Arbeit besonders die Bauern, die ihre Felder in der Nähe ihrer unterirdischen Wohnungen hatten. Eines Tages waren die Killewittchen fort; wohin sie sich gewandt, und warum sie fortgezogen sind, weiß man nicht. Es wird nur erzählt, vor ihrem Wegzuge hätten sie lange Zeit in der Erde gewühlt, ihre reichen Schätze in Säcke verpackt und mit auf die Reise genommen.
Vielleicht kann man sich so die Killewittchen beim
Verpacken der reichen Schätze vorstellen. Quelle: Bersch (1898) |
Eine andere Erzählweise verlegt die Wohnungen der Killewittchen auf eine Stelle südlich vom Dorfe Hastenrath, doch in die Nähe der Felsenhöhlen. Dort findet man im Boden noch Mauerreste und sonstige Baustücke, besonders die roten Dachpfannen, die von den Wohnungen der Killewittchen herrühren sollen.
285b.
Die Killewittchen.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
In der Nähe von Hastenrath lebten früher die Killewittchen. Das waren kleine, menschenfreundliche Zwerge. Sie wohnten dort in einem Hause, das sie sich in einen Felsen gehauen hatten. Zur Nachtzeit kamen sie in die Häuser und verrichteten den Leuten ihre Arbeit. Sie sind längst verschwunden, aber ihre Wohnung bestand noch bis vor etwa 40 Jahren. Noch heute heißt es dort: „Auf den Killewittchen“.
285c.
Die
Killewittges-Männcher.
Von Herrn Lehrer Holtz.
Die „Killewittges-Männcher“ wohnten in dem Steinbruch am „Killewittge“ in einer Höhle. Ein Gang, der am Hange zutage trat, führte in dieselbe. Es waren kleine, schwarze, bärtige Männlein. Nachts 12 Uhr kamen sie aus ihrer Höhle und klopften Steine, und morgens fanden die Arbeiter getane Arbeit.
293.
Die Stadt Gression in
Hastenrath und Scherpenseel.
Mündlich aus beiden Orten.
Wie eine alte Volkssage berichtet, hat die Stadt Gressiona auch in Hastenrath und Scherpenseel gelegen. Überall im Felde bezeugen dies alte Fundamente und rote Dachziegelstücke. Die Türken belagerten einmal die reiche und schöne Stadt, durch die der Omerstrom, der damals ein schiffbarer Fluß war, jetzt ein kleines Bächlein ist, floß. Wie es den Türken bei der Belagerung der Stadt ergangen ist, weiß der Volksmund nicht mehr. Die Türken sollen gesagt haben: "Wenn wir kommen über den Rhein, werden wir bald an der Stadt Gression sein, und am Omerstrome werden wir unsere Pferde tränken." Gression war eine Römerstadt. Die Römer betrieben im Schieverling bedeutenden Bergbau, und großer Reichtum war in der Stadt. Die Sündflut kam und vernichtete alles. Im Schieverling will man dafür einen Beweis haben; denn die dortigen Bergwerke fand man später unter einer bis zu 20 Fuß hohen Sandschicht vergraben. Auch will man dort auf den Schlacken und im Sande Geweihe von Tieren gefunden haben, die jetzt nicht mehr vorkommen. In Scherpenseel lebte immer die Sage, die Stadt sei durch die Sündflut untergegangen. In der Berger Heide fand man tief unter dem Sande ein altes Flußbett, das man als das alte Bett des Omerstromes ansah. Auf dem Bette lag Steingeröll, roter und dann weißer Sand, Kies usw., alles schön geschichtet, wie vom Wasser dahingetragen. - Eine alte Frau aus Hamich erzählte den Untergang der Stadt Gressiona mundartlich, wie sie die Sage immer von ihrem Großvater gehört haben will: "He hätt n grues Stadt gestande, die hesch Gressiona. Do ös de Söndflot komme, on de ganze Stadt ös ongegegange. Nu de Mure stohn noch en de Eäd. De Söndflot ös jo övveall gewäß, se wo och he."
304.
Die Teufelshöhle
bei Nothberg.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
Die Teufelshöhle liegt bei Nothberg in der Richtung auf Scherpenseel zu, nahe der Hütte „Gute Hoffnung“, einem alten, nicht mehr in Betrieb befindlichen Erzbergwerke. Sie soll durch einen unterirdischen Gang mit der Laufenburg bei Wenau in Verbindung stehen.
Die Leute erzählen, in der Höhle und deren Umgebung habe vor alten Zeiten ein kleingestaltetes Volk gehaust. Nach ihrer Meinung waren es Römer. In der Höhle soll es immer gespukt haben, so daß es niemand wagte, den Ort zu betreten. Soll es doch schon manchem, der notgedrungen in der Dunkelheit die Nähe der Höhle passieren mußte, zugestoßen sein, daß ihm ein ungewöhnlich großer und ungestalteter Hund auf den Rücken sprang und sich eine Strecke weit mittragen ließ.
Auch erzählt man sich, in der Höhle hauste einst ein heruntergekommener Korbflechter, der von der Höhle aus Raub- und Mordgänge unternahm und lange Zeit hindurch die Umgegend unsicher machte. Noch viele Raub- und Mordtaten, die er ausgeführt, sind in der Erinnerung der alten Leute. Mit besonderer Vorliebe suchte er Kirchen heim.
374.
Frau Lieschen und die
Stadt Gression.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
Hinter Röhe, auf St. Jöris zu, befindet sich eine Mulde, die mit Gestrüpp und alten Weidenbäumen bewachsen war und noch heute den Namen „Frau Lische“ führt. Dieser Name ist einer alten Sage entnommen, nach der sich in der Mulde eine Weibsperson aufhielt, genannt „Frau Lische“, die des Nachts, in langes, helles und leuchtendes Linnen eingehüllt, den Wald durchzog und, von Baum zu Baum springend, mit den Händen Wäsche plättete, so daß es schaurig durch den ganzen Wald hallte, und niemand, auch der Beherzteste nicht, es wagte, den Wald in der Dunkelheit zu betreten.
In der Mulde soll früher eine Stadt mit Namen Gression gelegen haben, deren Bewohner durch Sonntagsentheiligung den Zorn Gottes herabgerufen hätten, so daß dieser die Stadt mitsamt ihren Bewohnern in den Erdboden versenkte. „Frau Lische“, welche des Sonntags die Wäsche gereinigt hätte, müßte deshalb zur Strafe noch lange Jahre hindurch des Nachts im Walde, in langes, weißes Linnen eingehüllt, herumziehen und Wäsche plätten.
400.
Die Stadt Gression in
Dürwiß.
Mündlich aus Hamich von einem geborenen Dürwisser.
Die Stadt Gression reichte in Dürwiß bis an die Dorfseite in der Richtung auf Eschweiler und Weisweiler hin. Dort befanden sich die Mauern und ein Tor der Stadt. Die steinernen Torbalken kamen einmal zum Vorschein, und viele Mauerreste stecken dort in der Erde, besonders „em Steenacker“.
479.
Der Fluch der Mutter.
Mündlich aus Gressenich.
An eine jetzt nicht mehr bestehende Grube bei Münsterbusch, die zur Zeit ihres Betriebes immer in schlechtem Zustande gewesen sein soll, knüpft sich folgende Sage: Eine arme Witwe hatte einen Sohn, der ihre einzige Stütze in ihrem Alter war. Eines Tages verunglückte dieser. Seine Kameraden trugen den Leichnam ans Tageslicht. Die Mutter eilte herbei und warf sich händeringend über ihren verstümmelten Sohn. Da sie die Schuld des Unglücks dem schlechten Ausbau des Bergwerks zumaß, was auch der Fall gewesen sein soll, erhob sie sich plötzlich in ihrer Verzweiflung, ergriff eine Bürste, warf sie in den nebenliegenden Schacht hinab und sprach den folgenden Fluch über die Grube aus: "So viel Haare, so viel Jahre soll diese Grube verflucht sein und kein Erz mehr zutage fördern." Der Fluch der Mutter ging in Erfüllung; die Grube stürzte völlig ein und ist seitdem von der Erde verschwunden. Wegen des vielen Jammers, den diese Grube gebracht, nennt man sie Jammersgrube.
481.
Die
„Querrichsmännchen“.
Von Herrn Lehrer Holtz.
Der Höhenrücken zwischen Bernardshammer und Derichsberg zeigt viele Spalten, die „Querrichsläucher“, die von dem Volke, besonders zur Abendzeit, gern gemieden wurden. Da hausten früher die „Querrichsmännchen“, seltsame, kleine, langbärtige Kerlchen. Sie schadeten direkt den Leuten nicht, halfen ihnen aber auch nicht. Sie zeigten sich nur, wenn sie die „Oberirdischen“ nötig hatten, und dann galt ihnen als Regel: Wie du mir, so ich dir. Hielten sie in der Erde ihre Festlichkeiten, dann gebrach es ihnen manchmal an Geschirr. Dann kamen sie zu den Anwohnern und borgten, was ihnen fehlte. Stellte man ihnen das Gewünschte gutwillig zur Nacht hin, so hatte man es am folgenden Morgen zurück, und zwar so schön gescheuert, wie es kein Mensch vermochte. Anders, wenn man es ihnen verweigerte. Sie holten es einfach in der Nacht, und sie brachten es zurück, über und über mit Ruß bedeckt.
Sagen aus dem Stolberger Stadtkerngebiet
472.
Die Teufelsburg.
Mündlich und Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins IV, S.
179
Im Winter des Jahres 1881/82 wude im Probsteiwalde in der Nähe des Stolberger Bahnhofes eine römische Villa bloßgelegt. Vor der Ausgrabung befand sich an der Stelle ein mit Gras und Waldbäumen bewchsener Trümmerwall, von dem die Sage ging, dort habe vor Zeiten eine Teufelsburg gestanden, in der es noch reiche Schätze gäbe. Keiner wagte es, dort zu graben, weil die Stelle übelberüchtigt war. Als aber dort zufällig römische Fundstücke zutage traten, da verwandelte sich auf einmal die Teufelsburg im Volke in ein römisches Kastell. Alle Scheu vor dem verrufenen Orte vergaß man und grub nach den dort ruhenden Schätzen. Man fand aber nur Scherben und sonstige Kleinigkeiten, die die Schatzsucher fortwarfen.
Römervilla
aus Stolberg
Atsch, Rekonstruktionszeichnung von H. Albrecht. |
473.
Das Jagdschloß
Karls des Großen.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
Stolberg hat ein uraltes Schloß, welches der Sage das Jagdschloß Karls des Großen gewesen ist.
Stolberger Burg, Foto: Axel Pfaff. |
474.
Die römische
Burg.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
In der Nähe der Station Stolberg Hbhf. ist vor etwa 30 Jahren der Rest einer alten römischen Burg entdeckt worden. In einer kurzen Entfernung von aufgedeckten Mauern entdeckte man eine alte Laterne und ein eisernes Tor.
475.
Ungetüm.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
Zwischen Kohlbusch und Münsterbusch befindet sich ein alter Schacht, von dem nur noch einige Mauerreste vorhanden sind. Es geht nun das Gerücht, daß hier ein Ungetüm hause mit feurigen Augen und sehr langem Schwanz. Dieses verfolge die Vorübergehenden abends bis zur nahen Bleihütte. Dann kehre es wieder in seinen Schlupfwinkel zurück.
476.
Wie eine Kirche zu
Stolberg zu einer
goldenen Monstranz kam.
Mündlich.
Ein Kaplan von Stolberg hatte einmal in der Kirche, in der auch einige reiche Protestanten zugegen waren, von der Hölle gepredigt. Kurz darauf wurde er von ihnen zu einem Mahle eingeladen. Als man zu Tische saß, reichte man zuerst eine verdeckte Schüssel rund. Der Kaplan hob neugierig den Deckel auf uns sah in der Schüssel eine Pistole liegen und fragte die Herren, was das bedeute. Darauf erwiderten sie: „Wenn Sie uns jetzt nicht beweisen, daß es einen Teufel gibt, dann werden Sie mit einer Kugel totgeschossen.“ Sogleich ließ sich der Kaplan sein Brevier bringen. Alles wurde fest verschlossen, uund der Kaplan sprach: „Kein Wort darf gesprochen werden, bevor ich auf dreimaliges Klopfen auf die Türe 'Herein' gerufen habe.“ Der Geistliche gab sich ans Beten, und alle waren gespannt der Dinge, die da kommen würden. Nach langem Beten klopfte es zum erstenmal auf die Türe, bald darauf zum zweitenmal. Als es aber zum drittenmal klopfte, und der Geistliche „Herein“ gerufen hatte, erschien in der von selbst geöffneten Türe ein rabenschwarzer, zottiger Hund. Einen solchen üblen Geruch verbreitete er im Zimmer, daß man sich nicht mehr darin aufhalten konnte. Alle Anwesenden waren entsetzt sagten, er habe das Ungetüm hereingebracht, er solle es auch wieder entfernen. „Das will ich tun,“ erklärte der Kaplan, „jedoch zur Strafe verpflichte ich Sie, das Geld vorher zu einer goldenen Monstranz zusammenzulegen.“ Gern willigten die Herren ein, und der Geistliche entfernte den Teufel. So kam eine Kirche zu Stolberg zu ihrer goldenen Monstranz.
St. Lucia Kirche,
Foto: Axel Pfaff.
477.
Pater Schaaf zitiert den
Teufel.
Mündlich aus Stolberg.
Von 1723 bis 1802 sollen Kapuzinerpatres in Stolberg den Pfarrgottesdienst versehen haben. Von einem Pater läuft eine Teufelssage um, die auch in der Umgebung von Stolberg im Volksmunde in oft verschiedener Gestalt lebt. In Stolberg entnahm ich sie in folgender Form: Pater Schaaf war ein beliebter Volksredner, dessen Predigten oft von Andersgläubigen besucht wurden. Einmal predigte er vom Teufel in der Hölle. Kurze Zeit darauf wurde er von Protestanten, die der Predigt beigewohnt hatten, zu einem Mahle eingeladen. Nach dem Mahle wurde eine verdeckte Schüssel rundgereicht. Neugierig nahm der Pater denj Deckel ab und sah in der Schüssel eine geladene Pistole. Auf seine Frage, was das bedeute, drohte man ihm, ihn mit der Pistole zu erschießen, wenn er ihnen nicht augenblicklich beweise, daß es einen Teufel gäbe. Nur mit Widerstreben ging er endlich ans Werk. Er nahm sein Brevier heraus und betete. Nicht lange danach erschien der Teufel in der geöffneten Türe, mit Ketten rasselnd und einem Pferdefuße. Der Teufel ging rund und sah jeden Anwesenden mit bangem Blicke an, und alle erschraken. Da baten die Protestanten den Pater, er möge doch das Ungeheuer entfernen. Dazu verstand er sich erst dann, als sie eine hohe Summe Geldes zum Besten seiner Pfarrkinder zusammengelegt hatten. Er eilte zur Pfarrkirche und holte seine Stola. Er fing nun an zu beten, und endlich entwich der Satan, einen starken Schwefelgeruch hinter sich lassend. Er fuhr in einen nahen Berg oder einen Baum. Aus dem zusammengebrachtem Gelde ließ der Pater das Sakramentshäuschen an der Pfarrkirche anschaffen, oder wie andere sagen, eine goldene Monstranz anfertigen.
478.
Der geheimnisvolle Reiter.
Mündlich aus Hamich.
Einmal lebte in Stolberg ein reicher Fabrikant. Es hieß von ihm, er habe seine Seele dem Teufel verschrieben. Eines Abends kam ein fremder Reiter heran, stieg an dem Hause des Fabrikherrn ab, band das Pferd am Tore an und fragte nach dem Herrn. Man führte den Fremden hinauf in das Arbeitszimmer des Herrn. Dieser befahl sogleich, zwei Flaschen Wein zu bringen. Ganz verstört kam das auftragende Mädchen herunter und sagte: „Wer mag das sein, der bei dem Herrn ist, er hat einen 'Plattfoß' (Pferdefuß).“ Einige Zeit nachher hörte man oben ein Getöse, wie wenn die beiden miteinander rängen, und dann war es still. Als man hinaufging, fand man den Herrn tot. Der Fremde war nicht mehr da, auch sein Pferd war verschwunden. Man sagte, der Teufel habe die Seele des Herrn mitgenommen.
480.
Bestrafte Frevler.
Von Herrn Lehrer Holtz.
Von einem Kreuze auf der „Rüß“ erzählt man folgende Geschichte: Drei Jäger von Stolberg gingen auf die Jagd. Das Glück war ihnen nicht hold. Sie mußten ohne Beute nach Hause gehen. Da kamen sie zu diesem Kreuz. In ihrem Ärger und gekränkten Stolz wollten sie zeigen, daß sie doch schießen konnten. Sie nahmen den Christuskörper an dem Kreuze zum Ziel. Es waren leider gute Treffer. Einer traf den Kopf, einer den Leib, der dritte ein Bein des Gekreuzigten. Doch dem Übermut folgte die Strafe; denn merkwürdigerweise starben alle in jungen Jahren, der erste in geistiger Umnachtung, der zweite an einem Magenleiden, der dritte an einem Beinübel.
482.
Ein Knabe wird mit
Läusen geschlagen und geheilt.
Von Herrn Lehrer Holtz.
Wenn man von der oberen Klatterstraße in die Enkerei einbiegt, so sieht man linker Hand eine Reihe einstöckiger Häuschen. Von der Straße unscheinbar, zeigen sie doch an der Hinterseite drei Stock, da sie an einem Bergabhange liegen. Eines dieser Häuser ist als „Lauch“ bekannt. Aus diesem Hause diente ein Junge die Messe. Eines Morgens ging der Kleine auch wieder früh zur Kirche. Da begegnete ihm auf der Katzhecke ein steinaltes Mütterlein, das an einem Krückstocke mühsam daherhumpelte. „Wat beß de att fröch opp!“ redete die Alte, die dem Kleinen gänzlich unbekannt war, diesen an. „Ja, ich moß en de Kerch john.“ „Wat deest de dann att esu fröch en de Kerch?“ „De Meß deene“. „Dat es brav!“ lobte die Alte den Kleinen und klopfte ihm auf die Schulter. Dann gingen beide ihres Weges. In der Kirche wurde der Knabe aber über und über mit Läusen bedeckt, so daß er vom Altar nach Hause gehen mußte. Eine Nachbarsfrau kannte folgendes Mittel: Die Kleider des Knaben mußten verbrannt werden, die Asche sorgfältig gesammelt und begraben. Dann mußten die Leute beten. Man folgte dem Rate. Als unten am Mühlenteich das Feuer die Kleider des unglücklichen Knaben verzehrte, traf oben am Fuße der Treppe, die von der Straße in den Hof führte, ein altes Weib mit einem Krückstocke ein, welches gespannt nach dem Feuer um die Ecke lauerte. Es erkundigte sich bei der Magd, was das Feuer bedeute. Die Magd erzählte, worauf die Alte „Hm, datt hött ihr nett dohn sölle!“ brummte und sich entfernte. Der Knabe war erlöst. Die Alte war aber nach der Beschreibung jedesmal dieselbe gewesen.
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In der Enkerei, Radierung von A. Holler |
230.
Der ewige Jäger
zu Bend.
Mündlich.
Noch vor fünfzig Jahren durchzog in stürmischen Nächten, besonders zu heiligen Zeiten, wie zu Advent, der wilde Jäger den Hochwald „Hecken“ bei Bend. Jedesmal hörte man dann grauenhaftes Getöse. Hunde bellten, Schüssse knallten, dazwischen hörte man den Lärm wie von zahllosen Treibern und den durchdringenden Ruf des Jägers: „Huhu, huhu!“ Manchmal soll man den wilden Jäger in riesenhafter Gestalt, mit einem langen, herabwallenden, weißen Bart, gesehen haben,wie er mit zwei Hunden durch den Wald jagte und die Wanderer in tödlichen Schrecken versetzte. Sogar Tiere schreckte seine Gestalt. Ein Mann aus Bend nämlich, der von einem furchtlosen Hunde begleitet war, stieß plötzlich auf den geisterhaften Jäger. Sobald sein treuer Hund, der schon lange vorher sich ängstlich an seinen Herrn geschmiegt hatte, des Jägers ansichtig wurde, entwich er blitzschnell seinem Herrn. Selbst zu Hause fand der erschrockenen Mann sein Tier ängstlich zusammengekauert unter dem Tische, unter dem es sich erst nach einiger Zeit wieder hervorwagte.
462.
Der
Mäusefallenhändler.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Mit großem Mißtrauen wurde in meiner Jugendzeit ein alter Mäusefallenhändler besehen. Derselbe bot eines Tages einer Frau seine Ware zum Verkaufe an, wurde aber abgewiesen mit dem Bemerken, sie hätte keine Mäuse. „So,“ sagten der Alte lächelnd, „hat ehr ken Müs?“ und ging still seines Weges. Am nächsten Tag wimmelte das Haus von Mäusen, und weder Falle noch Gift konnten der Plage Einhalt tun. Nach vierzehn Tagen bot der Alte wieder seine Ware an, und die Frau kaufte eine Falle, damit das Übel nicht größer würde. Und siehe da, in Zeit von drei Tagen waren alle Mäuse wieder fort.
463.
Die Hexenwiese.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Eine kleine, ganz von Hecken eingefaßte Wiese in der Nähe von Büsbach wird noch heute von älteren Leuten das „Hexenbendche“ (Hexenwiese) genannt. Ihren Namen hat die Wiese von folgender Begebenheit: Als meine Tante einst mit ihrer Mutter die Wiese besuchte, um Gras zu schneiden, sahen sie von ferne eine Frau, die auch auf der Wiese Gras schnitt, also jedenfalls stahl. Sie beeilten ihre Schritte. Als sie aber die von Hecken eingeschlossene Wiese, deren Eingang sie im Auge behielten, erreichten, sahen sie keine Frau mehr, aber mitten auf der Wiese stand ein Strauch, der nie vorher dagewesen. Die Frauen schnitten schnell Gras, eilten nach Hause und erzählten das Geschehene. Sofort machten sich die Söhne auf. Als sie aber hinkamen, war der Strauch verschwunden, dagegen sah man jetzt deutlich die Stelle, wo das Gras gestohlen worden war.
464.
Die böse Frau.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
In Büsbach lebte zur Zeit ein Mann, der eine verkrüppelte, halb zerfressene Nase hatte. Dieses fressende Übel sollte ebenfalls das Werk einer bösen Person gewesen sein, und die Eltern gingen daher mit dem Kinde nach einem Manne noch hinter Venwegen, der im Rufe größter Frömmigkeit stand. Dieser habe über das Kind gebetet und gesagt, sie sollten nur ruhig nach Hause gehen. Was fortgefressen sei, könne er nicht mehr ersetzen, aber das Übel werde nicht weitergehen. Sie sollten aber auf dem Heimwege gut acht geben. Das Kind würde müde werden und sich setzen wollen. Das müßten sie nicht zugeben und das Kind mit Gewalt zum Weitergehen anhalten, sonst wäre alles verloren. Und genau so geschah es. Die Eltern aber führten das Kind trotz seines Flehens weiter, und die Wunde heilte zu.
Die böse Person aber wußte sich zu helfen. Sie trat kurze Zeit nachher hinter die Frau, als sie die Schweine fütterte und sagte: „Aha!“ Am nächsten Morgen waren beide Schweine kaputt.
465.
Der Mäher und
die Katzen.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Dem Erzähler passierte eines Tages folgendes: Er hatte auf der Höhe bei Büsbach nach Feierabend noch ein Stück Korn abmähen wollen und war auch bis auf ein „paar Zimmerbreit“ fertig geworden. Auf einmal lief ihm eine Katze gerade vor die Sense vorbei, der bald eine zweite folgte. Er ahnte nichts Gutes, ärgerte sich aber und rief, er mähe das Stück noch ab, und wenn tausend Katzen darin säßen. Aber kaum hatte er das gesagt, so wimmelte auch das ganze Feld von Katzen, und er hätte keinen Schlag mehr tun können, ohne ein Tier zu verletzen. Da packte er seine Sense und ging ohne ein weiteres Wort nach Hause, worauf die Katzen zufriedengestellt schienen und still verschwanden.
Mehrere alte Büsbacher Leute erzählten, daß sich im Oberstein bei Büsbach Katzen aufhielten, so groß wie Schafe. Heute, wo die Kleinbahn von Elgermühle bis Büsbach diese Strecke durchquert, wird sicher die letzte Gespensterkatze verschwinden müssen.
466.
Die „wisse
Juffer“.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Auf „dem Aessel“ (Esel), welcher dem Oberstein gegenüber liegt, trieben früher feurige Männer ihr Wesen, welche die Leuten schreckten. Auch soll in der Gegend eine „wisse Juffer“ ihre nächtlichen Spaziergänge halten, und ich weiß es noch gut, daß mein Vater, der im Rufe besonders kühnen Mannes stand, eines Abends von einem schreckensbleichen Freunde gerufen wurde, der sie gerade gesehen hatte. Mein Vater ergriff einen ordentlichen Stock und wanderte dem Tatorte zu; ich aber, gerade 10 Jahre alt, durfte ihn begleiten. Aber die weiße Jungfrau schien für „Kerle“ mit Stöcken keine Vorliebe zu haben; denn, obschon wir beinahe eine Stunde durch ihr Gebiet spazierten, sahen wir auch keinen Schatten.
467.
Die Raupenplage.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Ein alter Mann führte mich eines Tages in seinen Garten und zeigte mir seine Wirsingfelder, die mit Raupen wie beschneit waren. Dann zeigte er mir die Felder des Nachbars, die noch verschont geblieben, drohte mit der Faust und sagte, das habe ich dem schlechten Kerl zu verdanken.
468.
„Et
Deer“.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Bei Fronhof, einem Gehöfte bei Cornelimünster, erschien nacht „et Deer“, eine Foppgestalt. „Et Deer“ sprang den späten Passanten auf den Rücken und ließ sich durch das Münsterfeld tragen, bis der Betreffende zusammenbrach. Durch Beten konnte es aber vertrieben werden.
469.
Die geheimnisvolle Stimme.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Am Schmitzacker (Feldflur) stand ein alter Baumstamm, der nicht recht geheuer war. Wanderer, die spät die Stelle passierten, hörten hier eine dumpfe Stimme, die drohend rief: „Bald hab' ich dich!“ Spachen sie ein Gebet, so schwieg die Stimme, sonst aber sollten Krankheit und Tot folgen.
Im Sommer trieb in den weiten Feldern der Gemeinde Büsbach die „Korhex“ ihr Wesen.
470.
Die Hexe von
Büsbach.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Einmal lebte in Büsbach eine Frauensperson, die nach dem Ausdrucke des Onkels des Schreibers der Geschichte „etwas mehr konnte, als Brot essen“. Er war eine zeitlang in sie verliebt gewesen, wollte später aber nichts mehr von ihr wissen und hatte nun vieles von ihren Streichen zu leiden.
Als er ihr eines Tages im Walde, etwa zehn Minuten von Büsbach, begegnete, lachte sie ihn an und sagte: „Wo gehst du den hin?“ und als er kurz antwortete und weiter ging, rief sie ihm nach, da solle er sich nur plagen, das sei ein weiter Weg. Und wirklich, der Weg nahm gar kein Ende. Auch kannte er sich gar nicht mehr aus, glaubte in einer ganz fremden Gegend zu sein, lief und mattete sich ab und ward ganz in Schweiß gebadet. Plötzlich wurde er angerufen, und die betreffende Person stand vor ihm und lachte ihn aus. Er hatte für eine Strecke von zehn Minuten drei Stunden gebraucht.
Ein anderes Mal, da er einige Worte mit der Person gewechselt (nachdem er schon mit einer anderen verheiratet war), kam er nach Hause und war von Kopf bis Fuß mit Läusen bedeckt. Seine Frau mußte seine Kleider direkt in kochendes Wasser stecken, und er hatte Mühe und Not, die Plage wieder loszuwerden.
471.
Der
Müllerbursche und die Katze.
„Echo der Gegenwart“ 26.02.1910.
Von einer Müllerin aus derselben Gegend wußte der Gewährsmann ebenfalls böse Sachen zu erzählen. Die stellte einem Müllerburschen ihres Mannes nach, wurde aber stets abgewiesen. Da fiel es dem Müllerburschen auf, daß in der Nacht (wenn er durcharbeiten mußte), regelmäßig eine schöne weiße Katze zu ihm kam, die er früher nie gesehen. Sie sprang auf seinen Schoß und war ihm oft sehr hinderlich. Eines Abends fiel er beinahe über das Tier, nahm einen Stock, schlug danach und gab ihm einen tüchtigen Schlag über die Vorderpfoten. Sie entfloh, und am nächsten Tage erschien die schöne Müllerin mit verbundenen Händen. Seitdem erchien die Katze nicht mehr, aber jede Nacht ertönte ein solches Katzengeschrei, und es wurde dem Burschen so übel mitgespielt, daß er den Dienst verlassen mußte.
Katzen spielten überhaupt bei diesem Erzähler eine große Rolle, und er warnte uns Kinder ernsthaft, am Abend eine begegnende Katze lange zu besehen, zu schlagen oder zu werfen.
233.
Zusammenfassung
der Sage von der Stadt Gression.
234.
Gressenich als Station
der 11. Legion.
Mündlich von Herrn Andreas Bodden aus Lucherberg.
Mein Großvater hat mir immer erzählt, in Gressenich sei die 11. Legion stationiert gewesen, die bei der Zerstörung Jerusalems mitgewirkt hätte. Auch soll Gressenich damals eine große Stadt gewesen sein, die bis zum Geuenicher Acker zwischen Altdorf und Inden rfeichte und Gression hieß. Noch vor 150 Jahren konnte man viele umfangreiche Ruinen in Gressenich sehen, die von der Stadt herrührten.
235.
Der
Bergwerksbetrieb der Stadt Gression.
236.
Das
uralte Bergwerk im Schieverling.
237.
Die
zwerghaften Bergleute.
239.
Berggeist
zeigt eine Erzader an.
242.
Berggeist
als Helfer in der Not.
243.
Das
Kreuz im Schieverling.
244.
Der Schlangenbaum.
Mündlich von Herrn Reuschenberg und anderen.
Bei dem Rittergute Köttenich stand unfern des Dorfes Gressenich in einer Erdvertiefung eine gewaltige Rotbuche, deren Stamm kaum drei Mann umfassen konnten. Nach den schlangenartig gewundenen Ästen soll sie „Schlangeboom“ geheißen haben. Sein Blätterdach glich in der Ferne einer Kuppel; es war ein gar eigenartig merkwürdiger Baum, eine Zierde des ganzen Feldes. Der Baum hatte noch eine andere Bedeutung: Unter seinem Schatten soll ein General im goldenen Sarge ruhen. Der General fiel in einer Schlacht bei Gressenich und fand an der Stelle seine Ruhestätte.
245.
Die Franzosen in
Gressenich.
Mündlich.
Als Napoleon zurückgeschlagen wurde, bezogen die Franzosen für den ganzen Winter in Gressenich die Winterquartiere. Die Kaiserlichen lagen an der anderen Seite des Omerbaches auf Heistern und Langerwehe zu. Eines Tages wurden die Franzosen so plötzlich alarmiert, daß der Heerführer durch den Ort eilte, um seine Leute zusammen zu bringen. Eile tat auch Not; denn ein Mann von hier beobachtete, wie dem Kommandanten der Steigbügel mit dem Riemen abgeschossen wurde. Die Franzosen, die in dem zwischen Gressenich und Mausbach stattfindenden Gefechte fielen, fanden an der Stelle ihr Grab, das jetzt noch durch ein Kreuz bezeichnet wird.
246.
Die Schlacht
bei Gressenich.
Mündlich von vielen aus Gressenich und Umgebung.
In der Vorzeit soll bei Gressenich eine große Schlacht stattgefunden haben. Unter den Gefallenen war ein General, der in goldenem Sarge beerdigt wurde. Die meisten sagen, sein Grab habe sich unter einer zwischen Hamich und Gressenich stehenden Linde befunden; einige verlegen sein Grab an eine andere Stelle, so unter die ebenfalls gefällte Rotbuche zwischen Gressenich und Köttenich. Bis jetzt hat man noch keine Rste aufgefunden.
247.
Die Zukunftsschlacht.
Mündlich von Herrn Kehren aus Gressenich.
Bis in die neuere Zeit hielte die alten Leute an dem Glauben fest, daß die Türken noch einmal wiederkehren würden, um sich für die erlittene Niederlage am Omerstrome zu rächen. Meine Mutter sagte immer: „Ne törkische Pascha wied noch ens seng Päed an dr Omerbaach tränke.“
248.
Glockengeläute
aus Gression.
249.
Von
Schweinen ausgewühlte Glocke.
250.
Die
Glocken von Gression.
251.
Wie die Römer
ihre Toten begraben.
Mündlich.
Vor vielen Jahren wurde im Weihernest bei Gressenich ein Römerfriedhof aufgedeckt. Diese Ausgrabung veranlaßte folgende Sage: Die heidnischen Römer erhielten, wenn sie auf dem Schlachtfelde in den Kämpfen gegen die Türken gefallen waren, zwischen den Zähnen eine Münze, mit der sie sich den Himmel erkauften. Sie allein wurden begraben. Die anderen Gestorbenen wurden verbrannt; ihre Asche wurde in Krügen aufbewahrt und in der Erde beigesetzt.
252.
Die
Quärressteen „oder Zwergensteine“.
253.
Die Eiche der Heiden.
Mündlich.
„Op dem Süßendell“ im Gemeidewalde Gressenichs stand nach Aussage einer 80 Jahre alten Greisin früher mitten unter anderen Bäumen eine gewaltige Eiche, von der es immer unter den alten Leuten hieß: „Dat es n Eech, wo die ahl Heed (Heiden) dronge gebett hann.“ Die Eiche, die jetzt abgehauen ist, stand in der Nähe des Forsthauses.
254.
Der wilde Jäger
in Gressenich.
Mündlich aus Gressenich.
In einer gewissen Nacht des Jahres raste der wilde Jäger auf schnaubendem Rosse, von kläffenden, feurigen Hunden umgeben, mit schrecklichem Getöse durch den Wald, von Frankreich kommend, über Gressenich hinweg und wandte sich vom Weißenberge in der Richtung auf Belgien zu wieder zurück. Mit dem wilden Jäger ängstigten vor etwa hundert Jahren die Eltern ihre Kinder, wenn sie sich abends noch auf der Straße blicken ließen.
255.
Der ewige Jude.
Mündlich.
Herr Johann Schüller aus Gressenich erzählt: Jesus kam auf seinem Leidensweg mit dem Kreuze an das Haus eines Juden und konnte nicht mehr weiter. Er wollte ausruhen, der Jude aber wollte es nicht zulassen und trieb ihn weg. Da sprach der Herr: „Ich soll ruhen, und du sollst wandern bis zum Ende der Welt.“ Darauf erwiderten der Jude: „Herr, laß mir die Zeit nicht zu lang werden.“ So muß der Jude seitdem wandern, nimmer darf er ruhen.
Herr B. Kremer erzählte, daß er folgende Sage in seiner Jugend in Niedermerz gehört: Jesus wollte mit seinem Kreuze vor dem Hause eines Juden Rast machen, was dieser aber nicht duldete. Da sagte Jesus zu ihm: „Du sollst jonn, on ich soll stonn“, und sofort machte sich der Jude auf und lief davon. Er soll bis zum jüngste Tage wandern ohne Rast und Ruh'. Man will ihn auch durch die hiesigen Wälder, zu einem Skelett abgemagert, einem Schatten gleich, mit einem riesigen Bonapartshute auf dem Kopfe, hastig eilend gesehen haben.
256.
Der Hollunder.
Mündlich aus Gressenich und anderen Orten.
Der Hollundersrauch (Höelängterstruch) war ehedem ein schöner Baum, dessen Blätter und Blüten lieblichen Duft verbreiteten. Seit Judas nach seinem Verrate sich aus Verzweiflung an ihm erhängte, ist er verflucht. Er verbreitet unangenehmen Geruch, ist zu einem Stauche geworden, und nur seine Blüten geben einen vorzüglichen Tee und erinnern noch an seine ehemalige heilsame Kraft. In vielen anderen Orten gilt neben dem Hollunder die Weide als derjenige Baum, an dem sich Judas erhängt haben soll. Darum sei er so verkrüppelt, sterbe von innen allmählich ab, werde hohl und leuchte dann manchmal unheimlich in der Nacht zum Zeichen, daß er verflucht sei.
257.
Der Mondmann.
Mündlich.
Auch in Gressenich haben die Flecken im Vollmonde zur Sagendichtung Veranlassung gegeben. An einem Sonntage hatte eine Frau auf einem Acker Rüben gestohlen. Als sie ihre Bürde auf den Rücken nahm, wurde sie zur Strafe in den Mond verwünscht, und wo sie noch heute steht. Einige glauben, es sei ein Mann gewesen, der an einem Sonntage Holz gesammelt habe und für diese Sonntagsentheiligung zur Warnung auf ewige Zeiten mit einer „dören Schanz“ im Monde stehen müsse.
258.
Der ruhelose, kopflose
Geist.
Mündlich aus Gressenich.
In Gressenich auf dem „Bruch“ wurde vor langer Zeit in bestimmten Nächten ein ungeheuer großer, kopfloser Mann gesehen. Mit schweren Ketten und Kugeln beladen, raste er von Mitternacht auf diesem Platze auf und ab, bis er um 1 Uhr erlöst ward. Das durch die Ketten und Kugeln verursachte Getöse konnte man weithin hören. Allgemein war der Platz früher gemieden.
259.
Der Blutstropfen.
Mündlich aus Gressenich und vielen anderen Orten.
In den Wiesen wächst ein hochstengeliges Kraut, dessen Zweige oben blutrote Knöpfe tragen, die das Volk „Bendeknöpp“ und auch Blutstropfen nennt. Letzteren Namen und die rote Farbe sollen die Knöpfe von dem Blute Christi tragen, das in einigen Tropfen auf die Pflanze unter dem Kreuze gefallen sei. Andere sagen: Als Jesus gegeißelt und mit Dornen gekrönt wurde, fielen einige mit dem Schweiße Jesu vermischte Blutstropfen auf das Kraut. Zum bleibenden Andenken sollen sich diese Blutstropfen bis heute auf der Pflanze zeigen. Deshalb gab man den Knöpfen den Namen „Blotstroppe“.
260.
Feuermann auf der Karre.
Mündlich aus Gressenich.
Auf dem Wege von Gressenich nach Mausbach haben Leute bei nächtlichen Wanderungen manchmal den Feuermann gesehen. Ein alter Fuhrmann fuhr abends nach Hause zu und mußte den Feuermann auf dem Achterende des Karrens fahren. Das Pferd hatte schwere Last trotz des leeren Karrens, und eine volle Stunde dauerte die sonst halbstündige Fahrt bis Mausbach, wo der Feuermann den Karren verließ und verschwand. Merkwürdig war es jedoch, daß wenn man an der Stelle, wo der Feuermann gesessen, nicht die geringsten Brandspuren bemerkte.
261.
Die Irrlichter.
Mündlich aus Gressenich und Schevenhütte.
Früher sah man im Schieverling und in der sogenannten „Dröi“ noch viele Irrlichter oder „Trühledde“. Man hielt sie für Seelen ungetauft gestorbener Kinder. Manche Bergleute wurden von diesen Lichtern in die Irre geführt und gerieten nicht selten in dortige Sümpfe und Wassertümpel. Seit ein Mann sie einsegnete, sind sie verschwunden. Es wird auch gesagt, ein Bergmann habe Weihwasser über sie gesprengt, und man habe sie seitdem nicht mehr gesehen.
262.
Die
„Trühlede“ oder Irrlichter.
Mündlich von Herrn Reuschenberg und anderen.
Im sumpfigen Schieverling bei Gressenich gab es früher viele Irrlichter, die man hier „Trühlede“ nannte Es sollen die Seelen ungetaufter gestorbener Kinder sein. Manche Bergleute, die des Nachts dort des Weges kamen, wurden von den Lichtlein, die unruhig auf- und abflatterten („fucken“), in die Irre geführt. Seit der Zeit ein Bergmann Weihwasser über sie geworfen hat, sollen sie nicht mehr erschienen sein. Auch sagt man, der Bergmann habe sie abgefragt und sie dann mit Weihwasser besprengt.
263.
Die nächtlichen
Reiter.
Mündlich von Herrn Johann Schüller.
Es war zur Erntezeit etwa vor 40 Jahren. Weil die Arbeit sehr drängte, schnitten zwei Schwestern in der Nacht beim hellen Mondenscheine Frucht. Das Feld war „op dr Ell“ neben der Gasse nach Buschhausen am Hackhauser Hofe. Gegen Mitternacht wurde die nächtliche Stille durch starkes Sturmgebrause unterbrochen, und als sie erschrocken aufsahen, sprengten große Reiterscharen durch die Gasse. Voller Angst verließen die Schnitterinnen und liefen auf Hause zu.
264.
Reiter ohne Kopf.
Mündlich von Frau Lehrer Pohl.
Auf dem Wege von Gressenich nach Mausbach war es nie geheuer, besonders am Weiherneste nicht. Irrlichter und Feuermänner sah man da oft. Zwei Frauen aus Großhau gingen in einer Nacht um 2 Uhr von Hause, um morgens frühzeitig in Stolberg ihre Traglast Waldbeeren zu verkaufen. Zwischen Gressenich und Mausbach in dem Tälchen ruhten sie sich am Wege etwas aus. Kaum saßen sie da, als ein Reiter, der seinen Kopf unterm Arme trug, auf schwarzem Rosse an ihnen vorbeisauste und am Weiherneste verschwand. Erschreckt nahmen sie ihre Körbe auf den Kopf und eilten aus der unheimlichen Gegend fort.
265.
Das Freihemd.
Mündlich von Herrn Johann Schüller aus
Gressenich.
Unterhalb Gressenich, nahe am Dorfe, steht in den Wiesen ein Haus allein, es heißt „op dr Graht.“ Auf dem Dache dieses Hauses hoben sich früher in der Form und Größe eines Frauenhemdes Ziegel durch ihre dunklere Farbe von den übrigen ab. Das nannte man das Freihemd. Welche besondere Bedeutung dieses Hemd hatte, weiß man nicht. Wer aber als Verfolgter, und mochte es auch der schlimmste Verbrecher sein, in dieses Haus flüchtete, der war frei und mußte so lange unangefochten bleiben, als er unter dem Dache weilte.
266.
Der ewige Jäger
bei Gressenich.
Mündlich von Fräulein Gussen aus Gressenich.
Im „Dähns“, einem Walde zwischen Schevenhütte und Wenau in der Richtung auf Gressenich zu, jagte zu gewissen Zeiten der ewige Jäger unter schrecklichem Gebrause durch die Luft. Es war ein Sonntagsjäger, der zur Strafe für seine Sonntagsentheiligung ewig jagen muß. Alte Leute wollen ihn in diesem Jagdgebiete gesehen haben.
267.
Die weiße
Juffer.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
In der Uzenau bei Gressenich stand früher ein großer, alter Baum. Um Mitternacht kam aus diesem Baume eine weiße Juffer hervor. Sie ging über den Bach an der Gressenicher Mühle vorbei und kehrte dann wieder in den Baum zurück. Wer diese Juffer auf ihrer Wanderung begegnete, mußte in demselben Jahre sterben.
268.
Wie die Heiden begruben.
Mündlich von vielen aus Gressenich.
Die alten Heiden der Stadt Gression hatten, wie die vielen Gräberfunde bewiesen, eine eigene Begräbnissitte, Sie legten den Toten auf jedes Auge, auf Nase und Mund Scherben. Auch gaben sie ihnen Münzen mit ins Grab. Diese sollten, wie die alten Leute sagten, als Reisegeld in die Ewigkeit dienen. Der volkstümliche Ausdruck darüber hieß: „Dat woe et Geld füe de Rees övver et Mäer (Meer) noh de Iwigkeet erenn.
269.
Das Erdbeben.
Mündlich von Herrn Matth. Faensen sen. aus
Gressenich.
Am Ende des siebzehnten oder nach anderen im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts wurde die hiesige Gegend von starken Erdbeben heimgesucht. Die Kirche zu Gressenich wies solche Risse auf, daß man sich fürchtete, Gottesdienst zu halten. In einer Wiese, Bergerhof genannt, wurde unter freiem Himmel Messe gelesen. In dieser Zeit errichtete man bis zur Kapelle „am Lenkchen“ (Lindchen) die Stationen, die man fleißig aufsuchte, damit Gott die Geißel abwende.
270.
Das Vehmgericht zu
Gressenich.
Mündlich aus Gressenich und anderen Orten.
Die alten Leute behaupteten, an der Stelle, wo es in Gressenich, der Kirche gegenüber, „op dr Borg“ heißt, und das Haus des Landwirts Martin Momme steht, sei das Vehmgericht gewesen. Manche wollen sogar wissen, dort hätten die Kerker der Stadt Gressiona sich befunden. Als man das alte Haus abbrach und das neue an seine Stelle setzte, fand man unterirdische Gänge und Gewölbe mit ungewöhnlich starken Mauerwerk, an denen man wirklich Fuß- und Armketten fand, an die man die Gefangenen fesselte. Die von der Vehme zum Strange Gerichteten wurden auf dem sogenannten „Galgeplei“ (Galgenplatz) „em Waarböisch“ unterhalb Gressenich erhängt. Dieser Galgen bestand nicht wie gewöhnlich aus zwei senkrechten, in die Erde gerammte Balken, an dessen Querbalken die Verurteilten gehängt wurden, sondern aus drei „Puht“, d.h. drei schräg nach oben zulaufenden schweren Balken. Die Gehängten blieben so lang hangen, bis die Vögel alles Fleisch von ihnen abgenagt hatten, und die Gerippe im Winde klapperten. Dann erst begrub man sie in der Nähe. Der Ort war deshalb sehr verrufen, und nicht leicht wagte sich früher jemand an jene unheimliche Stelle.
271.
Der Judenfriedhof.
Mündlich von vielen aus Gressenich und Umgebung.
Am Köttenicher Wege, unfern der Einmündungsstelle dieses Weges in die Landstraße von Gressenich nach Hastenrath, liegt ein langer, schwerer Stein, unter dem vor 60 bis 70 Jahren ein Jude begraben worden sein soll. Eine Stelle in der Nähe heißt in Wirklichkeit „am Jüddekerchhoff“. Die alten Leute, die dem Begräbnisse des Juden beigewohnt haben, erzählen, der Rabbiner habe bei der Einsenkung des Sarges dem Toten folgende Worte ins Grab gerufen: „Kommst du zu Zimmermannssohn, so steinige, steinige ihn; kommst du aber zu Abraham, so grüße ihn meinetwegen, meinetwegen.“ Bei dem jüngeren Geschlechte hat sich daraus folgende Sage entwickelt: Wo der lange, große Stein am Köttenicher Wege liegt, ist ein Jude begraben. Dem Toten hatte man viele Steine, Nadel und Zwirn in den einfachen Holzkasten, in dem er ruhte, gelegt. Mit den Steinen sollte er Davids- oder Jehovassohn steinigen, wenn er zu ihm käme. Zwirn und Faden sollten dazu dienen, sein Kleid zu flicken, wenn es auf dem dornigen Wege in die Ewigkeit zerreiße.
272.
Vor den Kosaken versteckt.
Mündlich aus Gressenich.
Im sogenannten Sängelsberge, einundeinehalbe Stunde von Gressenich, haben sich mitten im Walde die Frauen und Mädchen vor den Kosaken versteckt gehalten. Es ging nämlich diesen rohen Kriegern ein so böser Ruf voraus, daß die schutzlosen Frauen und Mädchen dieses sichere Versteck aufsuchten. Nachts brachten die Männer ihnen die Nahrung.
273.
Das wackere
Mädchen.
Mündlich.
Im Hackhauser Hofe zu Gressenich wohnte zur Zeit, als die Kosaken hier lagen, ein Dienstmädchen, dessen außergewöhnliche Schönheit einen Kosakenführer anzog. Das Mädchen wollte nichts mit ihm zu tun haben und wich ihm immer aus. Da eines Tages hieß es: „Die Feinde kommen.“ Der Offizier, der gerade mit dem Mädchen sprach, bestieg sein Roß, nahm das sich sträubende Mädchen gewaltsam hinter sich auf den Sattel und ritt davon, um zu flüchten. An dem Wohnhause der Herrschaft des Mädchens war ein großer Weinstock. Als der Offizier so nahe daran vorbeiritt, hielt das Mädchen sich an dem Weinstocke fest und rettete sich so. Denn der Kosakenführer hatte in der Eile nichts gemerkt, und in dem Glauben, seine Braut sei wohlgeborgen, ritt er weiter.
274.
Versunken.
Von Prof. Dr. Capitaine.
Bei der Gressenicher Mühle ist früher einmal ein Reiter, oder wie andere sagen, ein Fuhrmann mit seinem Karren in den Boden gesunken. Es war gerade an dem Bache, und es steht deshalb noch ein steinernes Kreuz an der Stelle des Unglücks.
275.
Die abgehauene
Katzenpfote.
Mündlich von Herrn Reuschenberg.
Ein Dachdecker von Gressenich wurde bei Reparaturarbeiten von einer Katze den ganzen Tag belästigt. Das war aber in Wirklichkeit seine Frau, die ihm in Katzengestalt nachgeschlichen war, um seine Treue, die sie im Verdachte hatte, zu prüfen. Weil sie aber ihren Verdacht als unbegründet gefunden hatte, strich sie schmeichelnd um ihn herum. Er schlug mehrmals nach dem Tiere, es kehrte jedoch immer zurück. Über der Arbeit war es ihm Abend geworden.Weil er gerne fertig sein wollte, und die Katze ihm wieder hindernd in den Weg kam, ergriff er im Zorne das „Leiebeil“ und hieb ihr die rechte Pfote ab und beendigte dann, ohne sich um das Tier zu kümmern, seine Arbeit. Zu Hause traf er seine Frau ohne rechten Arm an. Sie war also die Katze gewesen, die sich jetzt wieder in ihrer wahren Gestalt zeigte.
232.
Krehwinkel kommt zur
Pfarre Mausbach.
Mündlich aus Gressenich.
Das Dörfchen Krehwinkel liegt zwischen Gressenich und Mausbach, etwas abseits vom Wege. Früher gehörte es zur Pfarre Gressenich. Ein Teil der Bewohner wollte nun, da der Weg nach Mausbach kürzer und besser war, in die dortige Pfarrei kommen. So entstand große Uneinigkeit unter den Bewohnern. Man beratschlagte hin und her. Endlich kam man zu dem Entschlusse, zwei Läufer zu wählen, die an der Kapelle zu Krehwinkel sich aufstellen und von dort, der eine über Mausbach, der andere über Gressenich, einen Wettlauf machen sollten. Wer von den Läufern zuerst wieder an der Kapelle zu Krehwinkel anlange, dessen Partei solle den Sieg davontragen. So kam Krehwinkel zur Pfarre Mausbach.
277.
Das Gnadenbild zu
Mausbach.
Von Prof. Dr. Capitaine.
In Mausbach befindet sich das Gnadenbild, das früher in der Kapelle zu Aldenhoven stand. Aber die Leute von Aldenhoven wollten das Bild wieder haben und holten es. Am anderen Tage stand das Bild wieder in der Kapelle zu Mausbach; so geschah es dreimal. Das Bild blieb seither in Mausbach, und die Mausbacher sagen, im Kriege 1870 sei aus Mausbach keiner gestorben, weil dieses Bild sich in ihrer Pfarre befinde. (Vgl. den Aufsatz von Prof. Dr. Capitaine: „Das Muttergottesbild in Mausbach“ im „Echo der Gegenwart“ vom 23.8.1913 und „Das Muttergottesbild in Mausbach“ im „Bote an der Inde“ vom 3.11.1913.)
278.
Die
Glocken von Gression.
279.
Das unerfüllte
Gelübde raubt die Grabesruhe.
Mündlich von Herrn Johannes Schüller aus Gressenich.
Ein Mann aus Mausbach mähte Klee am Weiherneste bei Gressenich. Kein Lüftchen regte sich in der Luft. Auf einmal erhob sich ein Windstoß, und vor ihm stand seine selige Mutter. Bei ihrem Anblick lief das Pferd mit der Karre eiligst davon. Zu ihrem erschrockenen Sohne aber sprach die Verstorbene: „Ich habe noch einen Bittgang gelobt, aber nicht ausgeführt. Wenn du den für mich machst, so bin ich erlöst.“ Das versprach er und führte es gleich aus, und nie mehr hat er von ihr etwas gesehen. Sie hatte ihre Grabesruhe gefunden.
280.
Der abgefragte Geist.
Von Prof. Dr. Capitaine.
In alten Zeiten wohnte auf der Burg Mausbach ein Mann, der nicht zur Kirche ging. Wenn er aber einmal ging, blieb er immer unter dem Turme stehen. Als der Vater längst tot war, erschien er seinem Sohne, der im Mausbacher Tal pflügte, dreimal und mahnte ihn, er solle doch immer fleißig zur Kirche gehen. Der Sohn nahm den Pastor beim dritten Male mit und fragte die Erscheinung. Er fragte: „Bist du von Gott, dann sprich! Bist du vom Teufel, dann fliehe!“ Gleich war die Erscheinung fort. Nicht lange nachher lag ein großer Steinhaufen, wo das geschehen ist, und bis heute wächst dort gar nichts mehr.
281.
Der schwarze Fleck.
Von Prof. Dr. Capitaine.
Auf dem Derichsberg ist „der schwarze Fleck“. Dort soll die Frau Heisterbaum spuken. Die hatte früher den Mausbacher Hof und die Burg und soll sehr reich gewesen sein.
Nach anderer Darstellung erschien eine Jungfer auf der Derichsburg; ebenso „auf dem Jungfernstein“. „Im Peisch“ in Mausbach haben früher die Hexen getanzt.
282.
Die
Zwerglöcher.
Die „Drügglede“ sah man früher hier oft, besonders bei Gressenich am Weiherneste, das deshalb sehr verrufen war. Manche Wanderer wurden durch sie in die Irre geführt und gerieten vom Wege ab. Die „Irrlichter“ sollen Seelen ungetaufter Kinder sein, die sich als kleine Flämmchen besonders am Wasser aufhielten. Die „Füemänn“ erschienen manchmal als glühende Feuerkugeln, zuweilen auch in Menschengestalt und zwar glühend. Man hielt sie für Seelen, die noch nicht zur Gnade gekommen sind und zwischen Himmel und Erde schweben. Es ist nicht gut, ihnen zu pfeifen. Eines Abends sah ein jungen Mann von hier vom offenen Fenster seines Hauses aus am Waldesrande einen Feuermann. Er rief seiner Mutter zu: „Mutter da geht ein Feuermann, dem will ich mal pfeifen!“ Trotz der Warnung der Mutter pfiff er ihm in seinem Übermute. Mit Blitzesschnelle eilte der Glühende herbei, und schnell war er da, so daß der Jüngling kaum Zeit hatte, das Fenster zu schließen. Gleich darauf schlug der Geist mit beiden Händen auf die Fensterscheiben, daß die glühenden Hände darin eingebrannt waren und sich nie daraus verwischen ließen.
226.
Die Matthiasnacht.
Mündlich.
Die Matthiasnacht ist eine Zaubernacht. Wer in ihr um Mitternacht auf einen Kreuzweg geht, erhält vom Teufel Geld. Viele erhielten aber derbe Prügel von unsichtbarer Hand, Ein Mann von hier bekam in der Matthiasnacht auf einem Kreuzwege vom Teufel einen schweren Sack Geld, den er keuchend und schweißtriefend nach Hause trug. Schon hatte er mit dem einen Fuße die Türschwelle seines Hauses überschritten, da sagte er unbedacht: „Nun bin ich froh, daß ich hier bin.“ Damit riß ihm der Teufel den Absatz des Schuhes von dem noch draußen befindlichen Fuße ab. Wäre der Mann nicht so weit gewesen, so hätte ihn der Teufel mit zur Hölle genommen; jetzt hatte er keine Macht mehr über ihn. Der Vorgang war ihm eine Lehre, nicht mehr auf dem Heimwege zu sprechen, wenn er vom Teufel Geld erhielt.
Die Matthiasnacht hatte hier wie auch anderwärts nach dem Glauben der Leute eine andere Bedeutung. Wer in ihr genau um die Mitternachtsstunde geboren wird, der kann später in der Matthiasnacht sehen, wer aus der Pfarrgemeinde stirbt. Die alten Leute nannten solche Menschen, die immer eine sehr bleiche Gesichtsfarbe hatten, „Geestekicker“.
227.
Entweihung des Sonntags.
Mündlich aus Hamich.
In einer Dorfschenke des Wehebachtales, es soll in Schevenhütte gewesen sein, saßen junge Leute während des Nachmittag-Gottesdienstes beim Kartenspiele. Der Wirt forderte die Leute auf, das Spiel einzustellen. Sie störten sich jedoch nicht daran und karteten weiter. Einige Zeit darauf trat der Wirt zum Herde und wollte Kohlen aus dem Kasten nehmen. Erschreckt fuhr er zurück mit den Worten: „Was ist das?“ Die jungen Leute eilten auf den Schreckensruf herbei und erblickten in dem Kohlenkasten eine große, schwarzgraue Schlange. Einer der jungen Leute sagte in seinem Übermute: „O, mit dem Tiere ist schnell gespielt.“ Er hob die Herdplatte hoch, nahm eine Feuerzange, und die Schlange schlich ins Feuer. Kaum aber hatte er die Herdplatte aufgelegt, da entstand ein furchtbarer Knall. Die Anwesenden kamen mit dem Schrecken davon; sie entweihten seitdem den Sonntag jedoch nicht mehr.
228.
Die weiße Dame.
Mündlich.
Früher hieß es immer, in der Mitternachtsstunde gehe eine schneeweiß gekleidete Dame von einer bestimmten Stelle des Ortes Schevenhütte bis zu dem unterhalb des Dorfes gelegenen Hammerschellchen. Sie tat niemandem etwas, sondern schritt immer stumm an dem Begegnenden vorüber. Und doch fürchtete sich alles vor ihr. Eine Frau des Dorfes mißbrauchte den Glauben des Volkes, umhüllte sich mit einem weißen Bettuche und machte ihre Gänge. Es machte ihr Freude, wenn die Leute ihr scheu auswichen oder fortliefen. Der Pfarrer entlarvte sie in einer Nacht, und seit der Zeit hat man nichts mehr von der weißen Dame oder Juffer gehört.
229.
Das Bachkalb zu
Schevenhütte.
Mündlich.
Das „Baachkalev“ war ein Kohlschwarzer Hund mit langem, zottigen Haar. Als die Landstraße noch nicht gebaut war, und durch Schevenhütte ein schlechter Weg führte, an dessen Seite der Bach vorbeifloß, pflegte der gespenstische Hund nachts durch das Dorf zu gehen. Schon von weitem konnte man sein Herannahen an dem Rasseln der Ketten, die er am Halse trug, erkennen, und dann suchte jeder geflügelten Schrittes sein Haus auf. Obschon der Hund niemandem ein Leid zufügte, fürchtete jeder eine Begegnung mit ihm. Es schien kein gewöhnlicher Hund zu sein; denn dies erkannte man daran, daß alle andern Haushunde ihm scheu aus dem Weg gingen. Man hörte ihn nicht bellen oder knurren, sondern gemächlich schritt er des Weges oder patsche durch das Wasser des Baches. Später hat der Pfarrer das Bachkalb, das ein Geist war, verwiesen; man weiß nicht wohin.
459.
Der gelöschte
Brand.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
In dem in der Nähe von Stolberg gelegenen Dorf Vicht brach eines Tages ein Brand aus,welcher sich mit rasender Schnelligkeit über das Dorf verbreitete. Trotz des schnellen und tatkräftigen Einschreitens der Feuerwehr und der gesamten Einwohnerschaft gewann das Feuer eine solche Ausdehnung, daß man das Dorf für verloren hielt. In der äußersten Not lief der Herr Pastor, der dem wütenden Feuer zusah, zur Kirche und holte die Monstranz, welche er unerschrocken dem Feuer entgegenhielt. Und siehe da! Das Feuer verlor an Kraft und schlängelte sich wie aus Furcht um den Pfarrer mit dem Hochwürdigsten auf der Erde herum. Nun erlosch das Feuer allmählich, und ein großer Teil des Dorfes wurde gerettet.
460.
Erscheinung eines Toten.
Von Herrn Reuschenberg aus Gressenich.
Ein Mann aus Vicht kam mit dem Fuhrwerk eines im Kriege stehenden Mannes zur Nachtzeit von Aachen nach Vicht zurück. An dem Tore des Vichter Friedhofes blieb das Pferd plötzlich stehen und war trotz vieler Peitschenhiebe nicht von der Stelle zu bringen. Es bäumte sich hoch auf und gab alle Zeichen großer Furcht zu erkennen. Der Fuhrmann ging vorne zu dem Tiere. Da sah er auch die Ursache der Erregung des Pferdes. An dem Tore des Friedhofes stand eine in Weiß gekleidete Gestalt, in der er einen längst Verstorbenen erkannte. Mittlerweile nahte das Ende der Mitternachtsstunde heran, und Schlag 1 Uhr war die Gestalt verschwunden. Das Pferd ging nun ruhig seines Weges, aber dicker Schaum bedeckte noch lange das Tier.
461a.
Bestrafter Frevel.
Von Herrn Reuschenberg aus Gressenich.
An der Straße von Vicht nach Bernardshammer liegt das Gasthaus „Hubertsburg“. In dessen Nähe steht ein Kreuz, das an eine schreckliche Begebenheit erinnert. Eines Tages, es war an einem Sonntage, gingen drei Jäger ohne Beute auf Hause zu. In der Nähe des Kreuzes sagte einer zu seinen beiden Jagdgenossen: „Der da, der am Kreuze hängt, ist schuld, daß wir nichts erbeuten. Wir wollen ihn schießen.“ Dabei zeigte er auf den am Kreuze hangenden Christus. Er legte an und traf den Christuskopf, auch einer seiner Genossen schoß und traf. Die Strafe für die Freveltat stellte sich bald ein. Der Frevler, der Christus am Kopfe getroffen hatte, verfiel in unheilbaren Wahnsinn, sein Genosse wurde krank und ging während seines Krankenlagers bei lebendigem Leibe in Fäulnis über. Der Dritte, der den beiden anderen ihre ruchlose Tat verwiesen hatte, blieb verschont.
461b.
Bestrafter Frevel.
Mündlich von Herrn Matthias Faensen aus Gressenich.
Oberhalb Vicht, eine Viertelstunde südwestlich des Dorfes, steht noch heute das „Ahnzekrüzche“ aus Stein. Eines Tages kamen drei Jäger von der Jagd. Da sie keine Beute gemacht hatten, waren sie sehr verdrießlicher Stimmung. An diesem Kreuze blieben sie stehen und schossen in ihrer üblen Laune auf das Kruzifix. Der eine zerschmetterte dem Christus den Kopf, der andere ein Bein und der dritte einen Arm. Dieser Frevel blieb nicht ungerächt. Alle drei starben eines jämmerlichen Todes. Der eine litt an einem kranken Kopfe, bis er starb, der andere an einem kranken Bein und der letzte an einem kranken Arm, so daß sie mit Strafen bedacht wurden, die den Verletzungen entsprachen, die sie dem Christuskörper beigebracht hatten.
276a.
Jann von Werth.
Mündlich aus Gressenich von mehreren.
Aus einem Hause des Dörfchens Werth, wo es noch heute „op dr Borg“ heißt, soll der berühmte Reitergeneral Jann von Werth stammen. Andere behaupten, er habe später dort gelebt. Auch erzählt man, er habe die Werther Heide der Gemeinde geschenkt. Andere wollen auf einem Steine der Kirchhofmauer die Inschrift „Jann von Werth“ gelesen haben. Ob es der Grabstein des Generals war, weiß man nicht. Bei der Renovierung der Kirche sei der Stein vermauert worden. In einem Fenster der Kirche befand sich ein Glasgemälde mit dem Bildnis Janns von Werth, wie die Inschrift bewies. Dieses Fenster ist jetzt spurlos verschwunden. (Man erinnert sich des Ausspruches, den der verstorbene Pfarrer Esser, ein geborener Gressenicher, bei dem Begräbnisse einer Frau Prinz aus Werth getan haben soll. Als der Sarg in die Erde gesenkt war, sprach er: „Da haben wir den letzten Sproß der Familie Jann von Werth zu Grabe getragen“.)
276b.
Jann von Werth
Schriftlich von Herrn Kaplan Engelb. Müllejans, Eschweiler.
Über die Frage, wo Jann von Werth, dieser kühne und berühmte Reitergeneral zur Zeit des dreißigjährigen Krieges geboren ist, streiten sich noch die Gelehrten. Bislang war man vielfach der Ansicht, das Dorf Weert an der holländischen Grenze sei als Geburtsort des großen Feldherrn anzusehen. Jedoch manche Gelehrte und manche geschichtlich wichtigen Umstände sprechen für den Ort Werth bei Eschweiler als Heimatort des Generals. Nachstehende Angaben, die der Volkstradition entnommen sind, sprechen für diese Annahme:
Vor Umbau der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Pfarrkirche in Gressenich zu Anfang des 19. Jahrhunderts, konnte man am Eingang der Kirche in einem bunten Seitenfenster das Reiterstandbild Janns von Werth erblicken. Außerdem befand sich in der Kirche ein Grabstein des Generals. Dieser Grabstein ist nun leider bei dem Turmneubau um das Jahr 1806 verschwunden und als Eckstein vermauert worden. Durch ein günstiges Geschick ist jedoch die Inschrift abgeschrieben und der Nachwelt aufbewahrt worden. Diese Inschrift, in die moderne Schriftsprache übertragen, lautet:
Zur Erinnerung an Jann von Werth.
Seine Siege erfocht es stets zu Pferd,
Darum auch Jann der Sieger genannt,
Weither bekannt im deutschen Land;
Geboren in dem nahen Werth,
Sein Leichnam ruht in fremder Erd.
Die „Dürener Zeitung“ schrieb am 17. Januar 1912: „Von der holländischen Grenze: In dem Örtchen Weert in holländisch Limburg hat sich letzthin Komitee gebildet, das dem im Jahre 1652 verstorbenen General Jan van Weert ein Denkmal errichten will. Jan van Weert – oder, wie er im bürgerlichen Leben hieß, jan van der Croon – wurde in Weert geboren und war, ehe er Soldat wurde, dort Schuhmacherlehrling.
Der berühmte Reitergeneral Jan van Weert wird bekanntlich von mehreren Orten in Anspruch genommen, so u.a. von Werth bei Hastenrath. Vor einigen Jahren hat jedoch der jetzt verstorbene Geschichtsforscher Dr. Oidmann in Linnich überzeugend nachgewiesen, daß der General einer alten in und bei Linnich angesessenen Schöffenfamilie angehört. Wenn die Holländer jetzt ein Weert-Denkmal errichten wollen, so sind die historischen Gründe dafür jedenfalls recht gering.“
In der Eschweiler Gegend ist tatsächlich früher ein Rittergeschlecht „von Werth“ ansässig gewesen, das wohl aus dem Dörfchen Werth bei Hastenrath kommen kann. In Erberich und Frohnhoven sollen noch Nachkommen von Jann von Werth wohnen. Im Jahre 1421 ist Joh. Von Werth Besitzer des Broicherhofes bei Dürwiß, und 1449 stiftete derselbe dort vier Jahrmessen. Die Urkunde ist abgedruckt in den „Eschweiler Beiträgen“, I S. 81. Auch berichten darüber Koch, „Geschichte der Stadt Eschweiler“, II, S. 352, und Capitaine, „Chronik von Eschweiler“, S. 114, 115.
457.
Das versunkene Eisenwerk.
Von Herrn Prof. Dr. Capitaine.
In Zweifall und nächster Umgebung herrscht folgende Sage: Hier soll sich nämlich in der Nähe eines Forsthauses ein großes Eisenwerk ausgedehnt haben. Dieses ist jedoch im Laufe der Zeit versunken. An der Stelle, wo das Eisenwerk gestanden haben soll, sind jetzt zwei gewaltige Höhlen, die mit Wasser gefüllt sind. Nun geht die Sage, daß man bei der Annäherung der beiden Höhlen das heftige Aufschlagen der Eisenhämmer noch vernehmen könne.
458.
Die Hexen von Zweifall.
Mündlich von Herrn aus Scherpenseel.
Om Zwievel soll de mieschte (meiste) Hexerei gewäs senn. Do hätt ne Jong anne Mädche gefreit. Do hesch et: „Do doet et net, dat wöre Hexe.“ Doch de Jong stuet sich net drahn. Eä woll sich ens övverzügge. Wenn eä des Ovends jet lang do bliev, dann sat die Ahl: „Maach dat se noh hehm könnst.“ Enes Ovends versteich sich de Jong em Hus. Om 12 Uhr wued sich perat gemaht. E Döppche wued geholt on möt dm Schmie geschmiet. Me sproch: „Övve all Hegge on Zöng.“ Nue geng et zem Schoensteen erus. De Jong denk: „Du moß evve wösse, wo se send“ on schmiet sich och met de Salev em Döppche on sät anstatt: „Övve all Hegge on Zöng,“ „dörch all Hegge on Zöng.“ Eä kom op dm Platz ahn, wo se all zesahme wore on hott all Kleede vam Liev gerieße. Du wore se do möt Knauche on Gerippe am spelle. Du hät de Jong et Freie drahn gegövve. (Der Erzähler fügte noch bei: Wenn die Hexen hier in der Gegend zum Hexentanz zusammenkamen, dann hieß es: „Hei juchhe, send die van Zwievel noch net hei.“)
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Anmerkungen:
Im mittleren Hauptfenster sind aus
der Hoffmann'schen
Sammlung Sagen zusammengestellt, welche
Während es sich bei den Texten um wörtliche Zitate aus der Originalausgabe handelt, sind an einigen Stellen Abbildungen beigefügt worden, welche die jeweiligen Erzählelemente visuell ergänzen.
Die angegebenen Zahlen entsprechen der Nummerierung in der Originalausgabe.