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Sogenannte Kalabassen aus Messing

Stolberg, die Kupferstadt

Nach heutigem Sprachverständnis ist der Begriff Kupferstadt zunächst irreführend, da in Stolberg und Umgebung nie Kupfererze gefördert oder Kupfer verhüttet worden ist. Meist ist, wenn der Begriff Kupfer in historischem Kontext auftaucht, in der hiesigen Region Messing gemeint.

Auch der Ausdruck "Kupferstadt" bezieht sich auf das Messinggewerbe und geht zurück auf eine frühere Sprachgewohnheit, die sich aus den verfahrensbedingten Eigenarten der damaligen Messingherstellung erklärt.

Das heutige Verfahren der Messingherstellung, nämlich das Verschmelzen (legieren) der beiden Metalle Kupfer und Zink, setzt natürlich zwingend voraus, dass beide Metalle verfügbar sind. Aber genau diese Voraussetzung war bis zum beginnenden 19. Jh. nicht gegeben. Während Kupfer bereits zu vor- und frühgeschichtlicher Zeit in fast großtechnischem Maßstab verhüttet bzw. erschmolzen worden konnte, ließ sich das Metall Zink weder herstellen, noch war es überhaupt bekannt.

Bronzezeitliche Kupferverhüttung,
Quelle: P. Gelhoit und G. Woelk
Trotzdem waren die Römer bereits vor der Zeitenwende und später auch die Batteurs aus Dinant sowie die Kupfermeister aus Aachen und Stolberg in der Lage, auch ohne Einsatz von metallischem Zink Messing zu produzieren.

Ermöglicht wurde dies durch die Anwendung einer völlig anderen Methode, die heute üblicherweise als Galmeiverfahren bezeichnet wird. Dieses uralte, archaische Verfahren, welches in früherer Zeit auch "Messingbrennen" genannt wurde, spielt in der Metallurgie seit fast 200 Jahren keine Rolle mehr und ist auch in der Fachwelt nahezu gänzlich in Vergessenheit geraten.

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Von links nach rechts: Rohkupfer, Holzkohle, Galmei

Zur Messingherstellung benötigte man damals als Grund- bzw. Zuschlagstoffe Kupfer, Holzkohle sowie einen bestimmten Zinkerztyp. Und genau dieser Zinkerztyp kam in den Stolberger Erzlagerstätten vor und wurde Galmei genannt. Dieser Galmei war ein recht unscheinbares Mineral; ein Stein also, der später namengebend für dieses Herstellungsverfahren wurde. Allerdings war damals weder bekannt, dass dieser spezielle Stein ein Metall (nämlich Zink) enthielt, noch dass es mehrere Galmeisorten gab. Wir wissen heute, dass der Ausdruck Galmei als Sammelbegriff für alle schwefelfreien Zinkerze verwendet wurde; für alle Steine also, die zur Messingherstellung geeignet waren.

Dieser Galmei wurde zunächst gemahlen und mit ebenfalls gemahlener Holzkohle gut vermischt. Das so entstandene Gemenge gab man, zusammen mit Kupferstücken, in einen Schmelztiegel, der dann auf 950 bis 1000 oC erhitzt wurde.

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Von links nach rechts: Galmei, Kollergang, Schmelztiegel

Nun kann man sich leicht vorstellen, dass die im Tiegel befindliche Holzkohle bei diesen Temperaturen unbedingt verbrennen wollte. Ein klassischer Verbrennungsvorgang war allerdings nicht möglich, da der dazu erforderlich Luftsauerstoff innerhalb des Tiegels fehlte. In Ermangelung des Luftsauerstoffes nahm die Holzkohle sich den zum Verbrennen erforderlichen Sauerstoff aus dem Erz. Wenn man aber nun dem Galmei den Sauerstoffgehalt entzieht, wird das metallische, elementare Zink freigesetzt.

Diese Methode der Metallgewinnung wird Reduktion genannt und findet seit Jahrtausenden Anwendung bei der Verhüttung unterschiedlichster Erze, wie beispielweise Kupfer, Blei oder Eisen. Im Falle des Galmeis ergab sich nun allerdings eine Besonderheit, denn die zur Reduktion erforderliche Prozesstemperatur war so hoch, dass der Siedepunkt des Zinks überschritten wurde.

Weitere Einzelheiten zur Chemie des Messingbrennens

Am äußeren Rand zu Messing umgesetztes Kupferstück.
Das Zink wurde also nicht - wie sonst in der Metallurgie üblich - in flüssiger Form, sondern als Zinkdampf frei. Diese Zinkdämpfe lösten das Kupfer an und bildeten somit die Messing-Legierung. Dies war einer der Gründe dafür, dass die eigentliche Natur dieses Verfahrens über lange Zeit rätselhaft blieb. Wenn man nämlich einen Messingtiegel aus dem Ofen nahm und in dieses Gefäß hineinschaute, konnte man das Zink nie sehen. Die im Tiegel befindlichen Zinkdämpfe hatten entweder durch Anlösen des Kupfers bereits Messing gebildet oder entwichen aus der Tiegelöffnung, wo sie in Verbindung mit dem Luftsauerstoff sofort in Zinkoxyd umgewandelt wurden.

Das Zink, obwohl reichlich im Messing vorhanden, blieb also völlig unsichtbar, es entzog sich sozusagen jeglicher Anschauung. Da man von diesem Zink also nichts wusste, eigentlich auch nichts wissen konnte, wusste man natürlich auch nicht, dass es sich beim Messing um eine Legierung zweier Metalle handelte. In Ermangelung einer anderen Erklärung glaubte man, der Galmei sei eine Art Farbstoff, der dem roten Kupfer eine goldgelbe Farbe gab. Entsprechend dieser Auffassung war Messing also gefärbtes Kupfer.


Rotes und gelbes "Kupfer"

Diese Sichtweise hatte auch Einfluss auf die umgangssprachlichen Gepflogenheiten, denn beide Werkstoffe, sowohl Kupfer als auch Messing, wurden in der Umgangssprache schlicht und einfach als Kupfer bezeichnet. Wenn man differenzieren wollte, bezog man sich ganz einfach auf die unterschiedlichen Farben, wobei man mit rotem Kupfer das Reinmetall und mit gelbem Kupfer das Messing meinte. Bei dieser Sachlage ist es kaum verwunderlich, dass man die Messingfabrikanten "Kupfermeister" und eben nicht (wie man heute erwarten würde) "Messingmeister" nannte.

Das Galmeiverfahren war bis zum Ende des 18. Jh. Stand der Technik und hätte somit eigentlich an jedem beliebigen Ort Anwendung finden können. Es muss daher zunächst überraschen, dass sich das Messinggewerbe ausgerechnet in unserer Region etablieren und konzentrieren konnte. Auch hierfür liefern die technischen Gegebenheiten des Galmeiverfahrens eine plausible Erklärung.

Obwohl Messing nur etwa 30 % Gewichtsanteile Zink enthält, überstieg die einzusetzende Galmeimenge das eingebrachte Kupfergewicht um das Doppelte. Auf Grund dieser Relation der Einsatzstoffmengen (2 Teile Galmei, 1 Teil Kupfer) war es aus wirtschaftlichen bzw. logistischen Gründen fast zwingend erforderlich, das Messinggewerbe in unmittelbarer Nähe der Galmeilagerstätten anzusiedeln. Diese örtliche Nähe zu natürlichen Galmeilagern war in Stolberg gegeben und stellte den wohl wichtigsten Standortvorteil für diesen Gewerbezweig dar.

Teil einer Galmeipinge im Bereich des Schlangenberges.

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----- Text: Friedrich Holtz, Fotos: Axel Pfaff -----

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