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Heimat- und Handwerksmuseum in der Torburg

Wie der Name schon vermuten lässt, ist die Torburg Teil der heutigen Burganlage. Im Zuge umfangreicher Sanierungs- und Umbaumaßnahmen an der Stolberger Burg entstand kurz nach 1900 auch die trutzig wirkende Torburg. Trotz der vergleichsweise späten Entstehung (Fertigstellung 1909) wirkt das Teilensemble der Torburg mit den Nebengebäuden nicht als Fremdkörper, sondern trägt zum romantischen Flair der Burganlage bei. Die Anlage wurde seit 1983 mehrere Jahrzehnte als Heimat- und Handwerksmuseum genutzt.

Die nachfolgenden Ausführungen stellen eine  Dokumentation dessen dar, was zwischenzeitlich verschwunden ist und in ähnlicher Form kaum wieder entstehen kann. Sicherlich wird man über die damalige Form streiten können, aber sie war Ausdruck von mehreren Jahrzehnten ehrenamtlichem Engagement und Commitment.

Ein offener Torbogen zum unteren Burghof gibt dem Museumskomplex einen eigenständigen Charakter, ohne ihn von der Gesamtanlage zu entfremden. Der Eindruck einer harmonischen Einheit ergibt sich auch aus der Gleichartigkeit des verwendeten Baumaterials, dem hellen, landschaftstypischen Blaustein.

Bei der Zusammenstellung der Exponate wurde damals, und das ist geradezu kennzeichnend für Heimatmuseen, keinerlei Konzeption verfolgt, sondern man zeigte das, was gerade an alten Sachen aus Haushalt und Gewerbe zur Verfügung stand. Es handelte sich somit weniger um eine Sammlung als vielmehr um ein Sammelsurium. Aber gerade dies sorgte für einen gewissen, verstaubten Charme vergangener Alltagskultur. 

In der Torburg und in den angrenzenden Gebäuden bot sich auf fünf Ebenen die Gelegenheit zu einer Zeitreise, die den früheren Alltag in Haushalt, Handwerk und Gewerbe lebendig werden ließ. Insbesondere Kinder dürfen hier den Ausdruck "begreifen" wörtlich nehmen, denn das Anfassen vieler Exponate war in diesem Museum ausdrücklich erlaubt.

Schusterwerkstatt, Sattlerei, Korbflechten, Feilenhauen, Drechselbank, Modellschreinerei, Schmiede, Fossilien und Seifenherstellung waren nur einige Themen der Sammlung. Die im Glasraum ausgestellten Zier- und Gebrauchsgläser nahmen Bezug auf die 1790 in Stolberg entstandene Glasindustrie und bildeten ein auch optisch höchst attraktives Highlight.

  

Außenanlagen

Im kleinen aber reizvollen Museumshof stimmten einige wetterfeste Exponate auf einen Museumsbesuch ein und stellten gleichzeitig den Bezug zur Stolberger Industriegeschichte her. Neben einem Kohleförderwagen und mächtigen grünen Glasbrocken aus einer Stolberger Glashütte waren zwei Fallhämmer sowie eine Spindel- und eine Kniehebelpresse zu sehen, alles Zeugen Stolberger Industriegeschichte.

Etwas unterhalb des angrenzenden Burghofes lag der zum Museum gehörende Kräutergarten mit gepflegten Beeten und lauschiger Sitzecke. Hier hatte die Burgkräuterhexe das Sagen, wenn nicht gerade die Burgritter hier ihr Lager aufgeschlagen hatten. Letztere wußten mit ihrem bunten Treiben, mit der Darstellung mittelalterlicher Alltagsszenen, mit Schwertkampf, mit Feuerspucken etc. die Besucher immer wieder zu begeistern.

 

Der Museumszwerg
"Galminus"
als Seifenpüppchen.
Seife und Wäsche.
Der untere Eingangsbereich war den Themen Seifenherstellung, Waschküche und Haushalt gewidmet. Längst vergessene Utensilien aus Großmutters Küche sowie einige zum "Waschtag" gehörende Gerätschaften waren dort ausgestellt. In der Vorweihnachtszeit wurde hier unter den Augen begeisterter Besucher die Seifenpresse aktiviert. Jedes Jahr ging ein neues "Seifenpüppchen" in Serie und mancher stolze Sammler besitzt eine ganze Serie dieser damaligen Kostbarkeiten. Kinder konnten unter Anleitung die aktuelle Figur pressen und diese als selbstgemachtes Stück mit nach Hause nehmen.

 

Kaffeeröster
Kaffeestube
Bei einem Museumsbesuch kam dem Gast an den Wochenenden oft der intensive und angenehme Duft von frisch geröstetem Kaffee entgegen. Dann wurde in der Kaffeestube die nächste Charge des köstlichen Museumskaffees gebrannt. Direkt neben dem Röstofen, inmitten einer Sammlung von etwa 150 alten Kaffeemühlen, wurde der selbstgeröstete Kaffee zusammen mit hausgebackenem Kuchen angeboten und von den Besuchern in dem wunderbaren Ambiente - nach der Bedienung durch die jungen Hostessen - genossen. Der Aufenthalt in der Kaffeestube machte den Museumsbesuch zu einem wahrhaft einmaligen Erlebnis, das lange in Erinnerung bliebt.

Der Kaffeeröster und große Teile der Einrichtung stammten aus einem alten Stolberger Kaffeegeschäft mit angegliederter Rösterei. Noch in den 1950er Jahren waren solche Kaffeegeschäfte, die Rohkaffee einkauften und selbst rösteten, weit verbreitet. Im Gegensatz zum fertig gerösteten Kaffee, der sehr schnell seinen Duft verlor, war Rohkaffee lange lagerungsfähig. Man konnte somit nach Bedarf rösten und die Kundschaft mit frischem, aromatischem Kaffee versorgen. Erst die Vakuumverpackung machte Großröstereien mit Versandhandel möglich und damit das Rösten vor Ort entbehrlich.

 

Holzverarbeitung
Die augenfälligste Maschine im Holzbearbeitungsraum war eine funktionsfähige Drechselbank, die zu Vorführzwecken in Betrieb genommen wurde.

Gedrechselter
Holzstab.
Eine Drechselbank funktioniert ähnlich wie eine Drehbank und dient der Herstellung von rotationssymmetrischen Teilen aus Holz, wie beispielsweise Dosen, Schalen, Bettpfosten, Stuhlbeine etc. In früherer Zeit waren auch gedrechselte Stäbe an Treppengeländern gebräuchlich.

Im Ausstellungsbestand befant sich auch eine Vielzahl von Holzmodellen, die beim Metallgießen (Formgießen) Verwendung fanden. Das zu gießende Werkstück wurde zunächst in der Modellschreinerei als Holzmodell im Maßstab von etwa 1:1 hergestellt, wobei der spätere Schwund beim Erkalten des Metalls berücksichtigt wurde. Dies hatte u.a. den Vorteil, dass Holz sich einfacher verarbeiten lässt als hartes Metall. Außerdem konnte das Modell aus mehreren zusammengesetzten Einzelteilen bestehen. Das vereinfachte die Modellherstellung.

Das fertige Modell wurde in Formsand eingebettet und nach Verdichtung des Sandes wieder vorsichtig entfernt. Im Formsand verblieb somit ein Hohlraum, dessen Gestalt der Modellform entsprach. In den so entstandenen Hohlraum wurde flüssiges Metall eingefüllt, so dass man nach dem Erstarren des Metalls das gegossene Werkstück aus dem Sandbett entnehmen konnte. Mit dem Holzmodell konnten beliebig viele Gusskörper eines Types hergestellt werden. Bei komplizierteren Formen fanden, wie an mehreren Beispielen im Museum zu sehen war, meist zweilagige Formkästen für das Ober- und Unterteil Verwendung.

Die beiden ausgestellten Sägen (Band- und Dekupiersäge) gehörten zur Grundausstattung eines holzverarbeitenden Betriebes, wobei es sich bei der Dekupiersäge um eine Maschine handelte, die nach dem Prinzip einer Laubsäge arbeitete. Die Sammlung wurde vervollständigt durch Stellmacherei-Werkzeuge.

 

Holzstifte zur Montage von Ledersohlen.
Schuster, bleib bei deinen Leisten.
Diese Lebensweisheit wurde im Obergeschoss des Museums nicht beherzigt. Neben einer Schuster- bzw. Schuhmacherwerkstatt fanden sich in dem Mansardenraum auch Exponate und Gerätschaften einer Sattlerei.

Insbesondere junge, an Turnschuhe gewöhnte Besucher waren oft beeindruckt vom Gewicht der früher üblichen, genagelten und oft auf der Lauffläche mit Zwecken versehenen Lederschuhe. Noch beeindruckender ist, dass ein Paar Schuhe dieser Art für fast ein ganzes Erwachsenenleben reichen musste. Eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren war mit zwischenzeitlich notwendigen Reparaturen durchaus üblich und wurde auch erwartet.

Neben der Vielzahl von unterschiedlichen Geräten und Werkzeugen zur Lederverarbeitung wie Näh- und Schneidemaschinen war ein recht unscheinbares Exponat von besonderem Interesse und gab Auskunft über die Verhältnisse längst vergangener Zeiten, als es in den Werkstätten noch keinen elektrischen Strom gab. Bei der Herstellung von Schuhen oder Stiefeln erforderten einige Arbeitsgänge große Sorgfalt und eine Genauigkeit, die nur bei entsprechenden Lichtverhältnissen zu erreichen waren. Bei den damals üblichen Leuchtmitteln wie Kerzen, Petroleumlampen, Kienspan oder ähnlichem waren besonders an trüben Tagen die Voraussetzungen für ein präzises Arbeiten nicht gegeben. Daher bediente sich der Schuhmacher der sogenannten Schusterkugel.

Diese Schusterkugel war eine kugelförmige, mit Wasser gefüllte Glasflasche und wirkte wie ein Brennglas. Der schwache Schein einer damals üblichen Lichtquelle (z.B. einer Kerze) wurde beim Durchdringen der Glaskugel wie in einem Brennglas gebündelt, so dass an der anderen Seite der Kugel in entsprechendem Abstand ein heller Lichtfleck entstand. Somit ließ sich bei entsprechender Anordnung von Lichtquelle, Kugel und Werkstück ein kleiner Arbeitsbereich punktuell, aber dennoch ausreichend, beleuchten.

 

Glasausstellung
Die im Glasraum damals ausgestellten Zier- und Gebrauchsgläser bildeten einen auch optisch attraktiven Schwerpunkt des Museums und berücksichtigten einen weiteren, wichtigen Aspekt Stolberger Industriegeschichte.

Der Glasraum wurde gelegentlich zur Ausrichtung von Sonderausstellungen genutzt. Während dieser Zeiten wurden die Glasexponate ausgelagert.

Interessanterweise geht die Glasindustrie in Stolberg auf die hier ansässigen Kupfermeister zurück. Das unternehmerische Interesse dieser Kupfermeister galt ganz offenkundig nicht nur der angestammten Messingherstellung, sondern erstreckte sich auch auf andere Wirtschaftszweige. So gründete beispielweise der Kupfermeister Matthias von Asten im ehemaligen Kupferhof Schart 1719 die erste Tuchfabrik in Stolberg. Auch am Tuchmacherhof Krone, der 1725 errichtet wurde, waren mehrere Kupfermeisterdynastien beteiligt.

Glasleuchter1790 gründete ein Konsortium aus fünf Kupfermeistern die erste Glashütte, die auf dem Hammerfeld gelegene Johannishütte, im Bereich der heutigen Dalli-Werke. Nur zwei Jahre später wurde diese Hütte von den aus St. Blasien stammenden Gebrüdern Siegwart übernommen. Der Erfolg dieser Hütte und der Stolberger Glasindustrie überhaupt war so groß, dass man auf dem Höhepunkt der Entwicklung insgesamt acht Glashütten betrieb, wobei die oben erwähnte Familie Siegwart eine führende und dominante Rolle spielte.

Ganz ähnlich wie das Messinggewerbe, profitierte auch die Glasindustrie von den natürlichen Standortgegebenheiten in der Region. Insbesondere war in den nördlichen Bereichen (Atsch) qualitativ hochwertiger Quarzsand zu finden, aber auch die lokalen Steinkohlelagerstätten waren von entscheidender Bedeutung.

Die Stolberger Glashütten deckten eine breite Produktionspalette ab. In den Hohlglashütten fertigte man sowohl Trink- und Ziergläser des gehobenen Bedarfs als auch billiges, als Massenprodukt anzusehendes Gebrauchsglas. Einen gewissen Schwerpunkt bildete die Fertigung von Parfüm-Flakons, hauptsächlich für die Kölner Duftwasserhersteller. Die unterschiedlich ausgerüsteten Flachglashütten stellten Fensterglas, Spiegelglas oder auch fertige Spiegel her.

 

Metallabteilung
Die thematische Konzeption sowie die gezeigten Exponate nahmen Bezug auf die alte Tradition des metallschaffenden und -verarbeitenden Gewerbes im Stolberger Raum. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde mit dem Zuzug der Kupfermeister aus Aachen der Grundstock für eine Hochblüte der Messingindustrie gelegt, die im 18. Jahrhundert zu einer europaweiten Monopolstellung der in Stolberg ansässigen Messingproduktion führte.

Damals in der Torburg gezeigte Exponate wie Galmei und Kupfererze unterschiedlicher Ausbildung und Provenienz sowie ein Schmelztiegel zum "Messingbrennen" erinnerten an diese Zeit. Dem gleichen Zeithorizont war ein fußbetriebener Hammer zum Austreiben von Tiefwaren zuzurechnen. Ähnliche Konstruktionen, jedoch in erheblich größerer Ausführung waren im Stolberger Raum als wasserkraftbetriebene Hammerwerke üblich. Sie bildeten die Standardausrüstung der Tiefmühlen, wo sogenannte Tiefwaren, also Kannen, Schüssel, Teller, Töpfe etc. hergestellt wurden.

Tiefwaren aus Messing
Das manuelle Austreiben von Tiefwaren wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch das Verfahren des Metalldrückens abgelöst. Eine funktionsfähige Drückbank dokumentiert das Prinzip dieser Fertigungsmethode, die für die damalige Zeit höchst effizient war und die Voraussetzung für eine Serienfertigung schuf. Während die ausgestellte Drückbank heute mit einem Elektromotor ausgerüstet ist, erinnert die ebenfalls noch vorhandene Transmissionseinheit an den früher üblichen Zentralantrieb. Ursprünglich bildeten Wasserräder und später hauptsächlich Dampfmaschinen die zentralen Antriebsaggregate. Selbst zu Beginn der im 20. Jahrhundert einsetzenden Elektrifizierung waren große Elektromotoren als zentrale Antriebseinheiten noch üblich.

 

Schmiede
Etwas verraucht, aber durchaus stimmungsvoll und authentisch stellte sich die voll funktionsfähige Museumsschmiede dar. Auch hier fanden bei besonderen Anlässen Vorführungen statt.

SchmiedeDer einladend helle Klang von Hammer und Amboss war dann bis auf dem Museumshof zu hören. Der gemauerte Schornstein (Esse), ein riesiger, an der Decke hängender Blasebalg, Hufeisen und zahllose Werkzeuge bildeten die Grundausstattung der Schmiede.

Eine Huf- oder Dorfschmiede gehörte in früherer Zeit zu jeder größeren Ansiedlung. Der Name Dorfschmied ist allerdings etwas irreführend, denn der Schmied erledigte typischerweise nicht nur Schmiedearbeiten, sondern auch die meisten Reparaturen, die an den bäuerlichen Gerätschaften, wie Wagen, Pflügen, Eggen etc. anfielen.

Handgeschmiedete Nägel, erkennbar am viereckigen, mehr oder weniger quadratischen Querschnitt der Schäfte.
Im Stolberger Raum, insbesondere in den Orten Vicht, Zweifall, Schevenhütte, hat es aber auch eine ganz andere Art von Schmieden, nämlich Nagelschmieden gegeben. Die in diesem Bereich ansässigen Reitmeister (Eisenhüttenleute) belieferten die Nagelschmieden mit Eisenstreifen, die dort, oft im Nebenerwerb, zu Nägeln verarbeitet wurden. Nach Fertigstellung wurden die Nägel gegen Entlohnung wiederum bei den Reitmeistern abgeliefert. Es handelte sich also um eine Art Heimarbeit, die allerdings für die Nagelschmiede nicht sehr einträglich gewesen ist.

 

Stolberger Blei.
Seit dem Herbst 2009 wurde auch das Thema Blei im Museum ausführlich behandelt. Vom Bleierz über gegossene Bleibarren bis zu einer überraschenden Vielzahl von Fertigprodukten aus Blei reichte die Palette der Exponate. Ebenfalls wurde das moderne und weitestgehend umweltverträgliche Bleiverhüttungsverfahren (QSL) in einem Film und in einer Dia-Präsentation abgehandelt.

Selbstverständlich durfte in einer derartigen Ausstellung auch der Aspekt "Blei und Toxizität" nicht fehlen, wobei sowohl die gängigen Bleierze als auch das elementare (metallische) Blei auf Grund geringer Körpergängigkeit sehr viel weniger toxisch wirken als gewisse Bleiverbindungen. Traurige Berühmtheit erlangte beispielsweise das Bleiacetat. Diese auch unter dem Namen Bleizucker bekannte Substanz fand bis zum 19. Jahrhundert als Zuckerersatz insbesondere zum Süßen von Weinen Verwendung. Als prominentestes Opfer dieser Praxis gilt Ludwig van Beethoven, der vermutlich durch den Genuss gesüßten Weines an Bleivergiftung verstorben ist.

Im Stolberger Raum spielte der Abbau von Bleierzen und die Verhüttung von Blei bereits in der Keltenzeit, also schon vor der Zeitenwende, eine Rolle. Auch war man sich bereits zu frühgeschichtlicher Zeit des spärlichen Pflanzenwuchses auf den Böden der Erzfelder bewusst.

Allerdings wurde dieser Umstand damals nicht als Umweltfaktor eingeordnet, sondern in zweierlei Hinsicht als Vorteil empfunden und genutzt. Die kümmerliche Vegetationsform und insbesondere das Vorkommen von speziellen Pflanzenarten (heute Galmeiflora genannt) dienten als Anhaltspunkt bei der Erzprospektion.

Spätestens zu römischer Zeit hatte man auch erkannt, dass der beim Erzabbau anfallende Abraum einen stark hemmenden Einfluss auf das Pflanzenwachstum hatte. Einige Indizien lassen vermuten, dass dieser Abraum häufig beim Straßenbau verwendet wurde und hier als frühgeschichtliches "Unkrautex" gewirkt haben dürfte.

Blei ist nach heutigem Erkenntnisstand das erste Metall, das der Mensch bereits zwischen 7000 und 9000 v.Chr. aus Erzen ausgeschmolzen hat. Zunächst diente Blei der Herstellung von Schmuck, Münzen und Gegenständen des täglichen Bedarfs.

Im antiken Rom entwickelte sich der Werkstoff Blei zu einem Massenprodukt und fand zur Herstellung von Wasserleitungsrohren Verwendung. Aus Blei getriebene Bleche wurden zur Auskleidung von Bädern und zum Beschlagen von Schiffswänden benutzt. Ebenfalls setzte man Blei zur Befestigung von Mauerankern ein.

Im Mittelalter fand Blei bei der Herstellung von Kirchenfenstern (Stege) sowie als Abdeckung von Gebäuden Verwendung. Nach der Erfindung des Schießpulvers um 1320 diente Blei sehr bald zur Herstellung von Munition.

Eine andere Entwicklung der frühen Neuzeit, nämlich die Buchdruckerkunst, sorgte mit der Verwendung von Bleilettern im 15. Jh. nicht nur für einen weiteren Absatzmarkt, sondern verlieh dem Blei eine fast kulturgeschichtliche Bedeutung. Gelegentlich wird behauptet, die Buchdruckerkunst habe mit ihren Bleilettern die Weltgeschichte stärker und nachhaltiger beeinflusst als alles Blei, was aus Gewehren und Kanonen verschossen wurde.

Mit der zu Anfang des 20. Jahrhunderts verstärkt einsetzenden Elektrifizierung eröffneten sich dem uralten Metall Blei ganz neue Anwendungsgebiete. Bereits im 19. Jahrhundert hatte man herausgefunden, dass Blei sich auf Grund seiner elektro-chemischen Eigenschaften zum Bau von Akkumulatoren eignete, mit deren Hilfe man elektrische Energie speichern und bei Bedarf wieder abrufen konnte. Viele Betriebe und Institutionen wie beispielsweise Bahnhöfe oder Fernmeldeämter unterhielten große, mit Bleiakkumulatoren bestückte Batterieräume zur Sicherstellung einer unterbrechungsfreien Stromversorgung. Derartige Einrichtungen sind auch heute noch zum Betrieb von Notbeleuchtungen und ähnlichem im Gebrauch. Für den Bergbau konnten explosionssichere elektrische Grubenlampen entwickelt werden.

Ein weiteres, wichtiges und neues Einsatzgebiet war die Ummantelung von Elektrokabeln mit Blei. Während der korrosionsbeständige Bleimantel das Kabelinnere vor Feuchtigkeit schützte, sorgte eine zusätzliche Umwicklung des Kabels für mechanische Stabilität. Kabelkonstruktionen dieser Art konnten als Starkstrom- und Telefonkabel sowohl in der Erde als auch unter Wasser verlegt werden. Obwohl heute überwiegend kunststoffummantelte Kabel hergestellt werden, finden etwa 2% des erzeugten Bleis immer noch in der Kabelindustrie Verwendung.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der Automobiltechnik setzte sich der Bleiakkumulator, allgemein als Batterie bezeichnet, für Kraftfahrzeuge durch. Etwa 70% des heute erzeugten Bleis findet in Autobatterien Verwendung. Dieses Einsatzgebiet ist zugleich ein gutes Beispiel für ein effektives Recycling. Nicht nur das Blei selbst, sondern alle Bestandteile von Altbatterien, wie Schwefelsäure und Kunststoffgehäuse, werden mittlerweile zu 100% in den Materialkreislauf zurückgegeben. Durch Hybridtechnologie oder Elektro- bzw. Solarantriebe im Kraftfahrzeugwesen könnte der Bleiakkumulator zukünftig noch erheblich an Bedeutung gewinnen.

Ein weiterer Anwendungsbereich, der sich erst im 20. Jahrhundert ergab, ist der Strahlenschutz. Auf Grund seiner physikalischen Eigenschaften eignet sich Blei sehr gut zur Abschirmung radioaktiver Strahlungen jedweder Art. Ob in der Röntgen- oder Kerntechnik, Blei ist als "Strahlenbremse" unverzichtbar und zwingende Voraussetzung zum Schutz von Gesundheit und Leben.

Mit dem generell zunehmenden Umweltbewusstsein ergab sich in den 1970er und 80er Jahren nicht nur für die Stolberger Bleihütte, sondern für die Bleiindustrie überhaupt und auch für die Stolberger Region ein ernsthaftes Image-Problem. Obwohl die damalige Bleiverhüttung durchaus dem Stand der Technik entsprach, wurden die damit verbundenen Schwermetallemissionen nicht mehr akzeptiert.

Zwischenzeitlich wurden die Schwermetallemissionen der Bleihütte in einem Maße gesenkt, das noch vor wenigen Jahrzehnten als nicht erreichbar galt. Hierzu hat eine völlig neue Verhüttungsmethode, das sogenannte QSL-Verfahren, einen ausschlaggebenden Beitrag geleistet. In mehrfacher Hinsicht gilt die Bleihütte in Fachkreisen heute aus ökonomischer und insbesondere auch aus ökologischer Sicht als Muster- und Vorzeigebetrieb.

 

Aus ferner Vergangenheit: Fossilien im Museumskeller.
Ammonit
Natürlich ist ein Museumsbesuch meist mit der Erwartung verbunden, Dinge und Gegenstände aus vergangener Zeit zu betrachten. Das Alter von Exponaten ist also fast schon ein hinreichendes Kriterium für eine museale Verwendung. Wenn also das Alter der Ausstellungsstücke eine Rolle spielt, ist der Besucher in der Fossilienabteilung genau richtig, denn selbst die jüngsten Exponate haben das stattliche Alter von etwa 2,5 Millionen Jahre. Für erdgeschichtliche Maßstäbe ist das allerdings noch recht jung. Die ältesten der gezeigten Fossilien stammen aus dem Erdzeitalter des Devons und weisen ein Alter von nahezu 400 Millionen Jahre auf.

Exponate
Erdzeitalter
Ungefähres Alter in Millionen Jahre
Pinienzapfen aus der Braunkohle
Pleistozän
 2,5
Seeigel, Belemniten, versteinertes Holz
Kreide
120
Ammoniten, versteinerte Fische
 Jura
170
Pflanzen aus der Steinkohle
Karbon
350
Korallen, Brachiopoden
Devon
390

Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Exponate stammt aus der hiesigen Region, wie beispielsweise aus dem Rheinischen Braunkohlerevier, der Aachener Kreide, dem Inde- bzw. Wurmrevier sowie aus den Devonformationen der Eifeler Kalkmulden.


Korallen und Brachiopoden aus der Region.

Ein recht spektakuläres Ausstellungsstück ist ein verkieselter (silifizierter) Baumstamm aus dem Aachener Grünsand. Das ehemalige Holz wurde durch die Verkieselung so hart, dass man mit einem von diesem Baumstamm abgeschlagenen, scharfkantigen Splitter ohne weiteres Glas schneiden kann. Bei der Silifizierung, dem Ersetzen von organischem Material durch feinstkristallinen Quarz, blieb die Zellstruktur des Holzes so gut erhalten, dass Spezialisten heute noch die Holzart erkennen können, wenn ein entsprechender Anschliff vorliegt.

Zapfen aus der BraunkohleAn den aus der Braunkohle stammenden Pinienzapfen lässt sich unmittelbar nach dem Sammeln ein recht interessantes Phänomen beobachten. Wenn die erdfeucht aufgelesenen Exemplare zu trocknen beginnen, öffnen sich in bekannter Weise ganz langsam die Schuppen, obschon die Zapfen mehr als zwei Millionen Jahre alt sind.

Unter Fossilien versteht man meist Überreste von Tieren und Pflanzen sowie auch andere Lebensspuren aus der geologischen Vergangenheit. In einem weiter gefassten Sinn wird das Adjektiv fossil auch ganz allgemein für Überlieferungen aus der Erdgeschichte verwendet, z.B. für Wasser, das vor langer Zeit an seinen gegenwärtigen Lagerungsort gelangt ist (fossiles Wasser). Das Museum hat zwar kein fossiles Wasser, dafür aber fossilen Lehm zu bieten, der als spektakuläre, modellhafte Septarie ausgebildet ist. Das Prinzip der Septarienbildung lässt sich häufig an abtrocknenden Schlammpfützen erkennen. Durch das Verdunsten des Wassers ergibt sich ein Volumenverlust, und da der Schlamm an den fest vorgegebenen stabilen Außenkonturen anhaftet, kommt es innerhalb des sich zusammenziehenden Materials zu Rissbildungen. Ein ähnliches Funktionsprinzip führt zu rissigen, gekammerten Gebilden, den sogenannten Septarien, wenn Lehm- oder Tonkonkretion innerhalb des Bodens ihr Wasser verlieren.

 

Bergbau
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand im Bereich Aachen, Stolberg und Eschweiler eine der ersten Industrielandschaften Deutschlands. Eine wichtige Grundvoraussetzung für diese Entwicklung waren die lokalen geologischen Verhältnisse. Während sich im nördlichen Teil unserer Region bauwürdige Steinkohlelagerstätten befanden, erstreckten sich im Süden ausgedehnte, ergiebige Erzfelder.

Modelle von unterschiedlichen Schacht- und Stollenausbauten sowie eine Gezähe- und Geleuchtsammlung (Werkzeuge und Grubenlampen) führen in die Welt des Bergbaus ein. Unter den Modellen befand sich auch eine Nachbildung des ehemaligen Hauptförderschachtes der Erzgrube Diepenlinchen, dem wichtigsten und größten Erzbergwerk unserer Region.

Froschlampe
Der im Museumskeller nachgestellte Stollenausbau und insbesondere die Enge des ebenfalls nachgestellten Abbauortes verdeutlichten die Abbaubedingungen, die für den Steinkohlebergbau im Inderevier typisch waren. Flözmächtigkeiten von über einem Meter waren selten anzutreffen. Flöze mit Mächtigkeiten von deutlich unterhalb einem halben Meter galten damals noch als abbauwürdig. Die Installation im Museumskeller vermittelte einen realistischen Eindruck davon, unter welchen Arbeitsbedingungen die Kohle eingewonnen wurde.

Trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen erreichte man zur damaligen Zeit schon ganz beträchtliche Fördermengen. So lieferte die James-Grube im Gebiet des heutigen Münsterbusch während der Zeit von 1865 bis zur Grubenschließung im Juli 1891 über eine Million Tonnen Steinkohle.

Die Grube Centrum im Eschweiler Kohlberg erreichte um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer Belegschaftsstärke von bis zu 1348 Beschäftigten sowie Förderraten von etwa 200.000 Jahrestonnen und war damit das bedeutendste in Privatbesitz befindliche Steinkohlenbergwerk Deutschlands.

 

Mineralienkeller

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Kalkspatkristalle aus der Region
Einige attraktive Schaustufen machen neugierig auf die Welt der Mineralien. Funkelnde Kristalle üben mit ihrem Glanz, ihrer Farbe und ihrem Ebenmaß nicht nur ästhetische Faszination aus, sondern können auch als Botschaft aus dem Erdinnern und aus der Erdgeschichte gelten. Erdinneres und Erdgeschichte fanden sich auch in der stratigraphischen Profildarstellung, die zusammen mit zugeordneten Gesteinsproben einen Überblick über die lokale Geologie geben.

Hammerberg
Burgholzer Mulde
Binsfeldhammer
Bernardshammer


Gesteinsschichtung im östlichen Bereich des Vichttals

Die sogenannte Vennfußfläche besteht aus einer Abfolge von Sätteln und Mulden, die durch Gebirgsfaltung (Tektonik) entstanden ist. Die Morphologie der Landschaft wird heute allerdings weniger von den weitgehend eingeebneten Faltenstrukturen, sondern von den tief eingeschnittenen Kerbtälern der Flüsse Vicht, Inde und Wehe geprägt.

Jungfernsten,
kabonische Kalksteinformation.
Sieht man von kleinräumig auftretenden, durch Faltung verursachten Wechsellagerungen ab, so nimmt das Alter der Schichten von Norden nach Süden stetig zu. Entsprechend befinden sich die ältesten Gesteine im äußersten Süden des Stadtgebietes, wo oberhalb der Ortslage Zweifall Schichten des Kambriums mit einem Alter von ca. 550 Millionen Jahre aufgeschlossen sind. Im Bereich der nördlichen Stadtteile dominieren Gesteinsschichten des Oberkarbons (ca. 300 Mio. Jahre alt) mit eingelagerten Steinkohleflözen. Auf relativ engem Raum sind also rund 250 Mio. J. Erdgeschichte aufgeschlossen, was den Stolberger Raum auch aus geologischer Sicht interessant macht.

Wie bereits erwähnt, befanden sich hauptsächlich im Süden Stolbergs ergiebige Erzlagerstätten, welche die Wirtschaftsentwicklung des Stolberger Raumes über Jahrhunderte prägten und u.a. den Kupfermeistern als Rohstoffbasis dienten. Entsprechend ihrer Bedeutung, machen die Stolberger Erze Galmei, Zinkblende, Bleiglanz und Brauneisenstein den Großteil der ausgestellten mineralogischen Sammlung aus.

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Radialstrahliger Bleiglanz
Obwohl es sich bezüglich der Metallgehalte (Blei, Eisen, Zink) um die gleiche Erzgruppe handelt, lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Ausprägungen unterscheiden. Die ursprünglich entstandenen Erze (Primärerze) sind allesamt Metallsulfide, also chemische Verbindungen von Schwefel mit dem entsprechenden Metall. In den weitaus meisten Fällen lagen diese Erze nicht als Solitärmineral vor, sondern bildeten eine Vergesellschaftung, eine sogenannte Paragenese. Diese für den hiesigen Raum ganz typische Erscheinungsform wird Schalenblende genannt und besteht meist aus Zinkblende, Bleiglanz sowie Markasit.

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Krustiger Galmei
Ausgehend von der Tagesoberfläche bis zu einer Teufe von 80 bis 100 m (Oxidationszone) kam es im Laufe der Jahrmillionen zu einer Umbildung der Primärerze. Diesen Vorgang, der in der Fachsprache Metasomatose genannt wird, hat man sich als eine Art Verwitterung vorzustellen. Hierbei wurden die Zinkblende und der Markasit meist vollständig zu Galmei bzw. Brauneisenstein umgewandelt, während der Bleiglanz meist nur partiell zu Weißbleierz umgebildet wurde.

Die Gruppe der metasomatisch umgebildeten Erze wird zusammenfassend auch Galmeiparagenese genannt. Insbesondere der Galmei war für Stolberg von hoher Bedeutung, da sich in früherer Zeit Messing nur unter Verwendung von Galmei herstellen ließ.

Galmeiveilchen
Der Galmei bzw. die Galmeiparagenese wurde auch namengebend für eine Gruppe schwermetallresistenter Pflanzen (Metallophyten), die als Galmeiflora bezeichnet wird. Bekanntester Vertreter dieser Pflanzenfamilie ist das gelb blühende Galmeiveilchen, welches weltweit nur auf den Erzfeldern unserer Region zu finden ist.

Ein weiterer Blickfang in der Ausstellung ist das Fluoreszenz-Kabinett. Hier lässt sich erkennen, dass einige Mineralien unter UV-Licht intensiv leuchten. Ursache der Fluoreszenz ist die Zufuhr von Strahlungsenergie in das Kristallgitter. Das eingestrahlte UV-Licht überführt Elektronen der Gitterbausteine (Atome) in energiereichere Zustände. Bei der Rückkehr dieser Elektronen in den energetisch stabilen Ausgangszustand wird die zuvor aufgenommene Strahlungsenergie in Form von sichtbarem Licht wieder abgegeben.

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----- Roland Fuchs, Friedrich Holtz -----

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