Alphabet der Heimatkunde
|
Alphabet der
|
Im September des Jahres 1118 siegelte u.a. ein gewisser Reinardus von Stalburg die Gründungsurkunde des Georg-Stiftes zu Wassenberg. Und das Rittergeschlecht derer von Stalburg sollte im weiteren Verlauf der Geschichte namengebend für unseren Heimatort werden. Vermutlich verfügte dieser Ritter von Stalburg damals bereits über Landbesitz an der Vicht und möglicherweise auch über einen Wohnsitz auf dem heutigen Burgfelsen. Auf Grund der Quellenlage kann ein solcher Wohnsitz ab dem Jahr 1156 als gesichert angesehen werden. Daher gilt das Jahr 1156 gewissermaßen auch als Geburtsjahr unseres Heimatortes.
Der Name Stalburg hat sich im Laufe der Zeit mehrfach geändert, bis letztlich der heute übliche Begriff Stolberg entstand.
|
So
oder ähnlich dürfte man sich die
ursprüngliche Burg vor der Zerstörung im Jahr 1375
vorstellen. Zeichnung: Christian Altena. |
Obschon die neue Burganlage gelegentlich als Schloss bezeichnet wurde, ist Stolberg zu keiner Zeit eine Ansiedlung gewesen, die man auch nur ansatzweise als Residenzstadt hätte bezeichnen können. Nicht der Adel, sondern vielmehr wohlhabendes Bürgertum, zuvorderst die Kupfermeister, haben die Entwicklung Stolbergs geprägt.
|
Die Burg um 1500, Rekonstruktionszeichnung: H. Bildstein |
Durch Kauf, Schenkung oder Erbfolge gelangte die Herrlichkeit Stolberg zunächst in den Besitz der Edelherren von Frenz und nachfolgend an die Edelherren von Reifferscheid bzw. an das Geschlecht der Schönforster. Das Familienwappen derer von Frenz diente im späten 19. Jh. als Vorlage für das Stolberger Stadtwappen.
Um 1400 wurde Stolberg Unterherrschaft der Grafen von Jülich, zunächst mit den Freiherren von Nesselrode und später mit dem Geschlecht derer von Efferen als Lehensherren.
In der Klatterstraße ist noch ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1529 erhalten, welches später zum ehemaligen Restaurant Burgkeller gehörte.
Eine Karte aus dem Jahr 1544 gibt einen Überblick über das damalige Vichttal und zeigt nur wenige Häuser in unmittelbarer Umgebung der Burg. Egidius von Walschaple, der diese Karte gezeichnet hat, war beauftragt, die Stolberger Situation zur Vorlage beim Reichskammergericht Speyer zu dokumentieren. Daher muss man davon ausgehen, dass die Verhältnisse sehr realistisch dargestellt wurden.
Die spärliche Bebauung lässt im Umfeld der Burg bereits einen bescheidenen Ortskern erkennen. Neben diesem Ortskern sind auf der Karte weitere drei Einzelhöfe gezeigt, die sich, weiträumig verteilt, entlang des Vichtlaufes befinden.
|
Die
Burg nach E. Walschaple |
Ausgehend von der Burg liegt vichtaufwärts der Dollartshammer (im Bereich der heutigen Industrieanlagen Prym und Dalli). Dieser Hof wurde damals noch als Eisenhammer genutzt, gehörte also zum Eisenhüttengewerbe, welches von den sogenannten Reitmeistern überwiegend im oberen Vichttal betrieben wurde. Später allerdings fand eine Nutzungs-Umwidmung statt, wobei der Dollartshammer zum Kupferhof umgewandelt und durch weitere Anlagen ergänzt wurde.
|
Dollartshammer, Aquarell nach E. Walschaple von G. Dodt |
Ein ganzes Stück vichtabwärts, am heutigen Bastinsweiher, ist die Ellermühle dargestellt.
|
Ellermühle, Zeichnung nach E. Walschaple von G. Dodt |
Als nördlicher Abschluss der damaligen Bebauung im Vichttal ist die Jan-Ravens-Mühle (am heutigen Mühlener Markt) gezeigt. Letztere war zur damaligen Zeit eine Galmeimühle und ist bezüglich des Standortes identisch mit der heutigen Roderburgmühle. In unmittelbarer Umgebung entstanden später weitere Mühlen, Hämmer und Kupferhöfe.
|
Jan-Ravens-Mühle, Aquarell nach E. Walschaple von G. Dodt |
Mit Leonhard Schleicher kam 1575 der erste Kupfermeister von Aachen nach Stolberg und baute an der heutigen Burgstraße den ersten Kupferhof in Stolberg, der in der älteren Literatur häufig als Schleicher's Hof bezeichnet wurde (ehemalige Adler Apotheke).
|
Ehemalige Adler- Apotheke, Foto: Axal Pfaff |
Da die Situation im katholischen Aachen zur Zeit der Gegenreformation für die überwiegend protestantischen Kupfermeister zunehmend problematisch wurde und man in Stolberg mit der Wasserkraft der Vicht, mit den reichen Galmeilagerstätten und mit der waldreichen Umgebung beste Standortbedingungen vorfand, folgten um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert weitere Kupfermeisterfamilien, wie beispielsweise Peltzer, Prym, Hansen usw. Sie alle betrieben in Stolberg auf der Basis der oben genannten Ressourcen mit bestem Erfolg ihr Messinggewerbe.
Die Frage, ob die Abwanderung der protestantischen Kupfermeister aus dem katholischen Aachen nach Stolberg aus vorwiegend religiösen Gründen erfolgte, oder ob hierfür eher unternehmensstrategische Motive (Standortvorteile in Stolberg) ausschlaggebend waren, wird auch heute noch durchaus kontrovers diskutiert.
Ein in Stolberg recht bekanntes, mundartliches Gedicht bezieht sich auf den Religionskonflikt, der allerdings völlig unreflektiert und übertrieben dargestellt ist.
Obschon sich um den Burgbereich mit den Kupferhöfen Vogelsang, Fingerhut, Rose, Schleicher's Hof, Schart und Knautzenhof eine gewisse Konzentration der Messingfabrikation ergab, konnte eine effektive Nutzung der Wasserkraft des Vichtbaches nur durch weiträumige Besiedlung entlang des Gewässerlaufes ermöglicht werden.
|
Kupferhof Schart, Foto: Axel Pfaff |
Diese Notwendigkeit führte zwangsläufigerweise dazu, dass relativ weit auseinander liegende Einzelhöfe entstanden, wie beispielsweise Enkerei, Sonnental, Grünenthal oder Rosental. Somit konnte sich in der Ortslage Stolberg kein wirkliches Zentrum, kein echter und dauerhafter Mittelpunkt ausbilden.
Der recht großzügig angelegte Ellermühlenteich (heutiger Bastinsweiher) versorgte über den Ellermühlengraben eine ganze Reihe von relativ dicht zusammenliegenden Kupferhöfen in der unteren Tallage. Hier bildete sich mit den Höfen Roderburgmühle, Bierweide, Wuppermannshof, Krautlade, Stöck, Weide und Unterster Hof ebenfalls eine gewisse Konzentration der Messingfabrikation aus.
|
Foto: Axel Paff |
Mit zunehmendem wirtschaftlichen Wohlstand der in Stolberg ansässigen Kupfermeister erhielt insbesondere im frühen 18. Jahrhundert so mancher Kupferhof den großzügigen Zuschnitt eines Herrensitzes. Und in der Tat, zu dieser Zeit wurden die Messingmärkte in Europa von den Kupfermeistern in Stolberg monopolartig beherrscht. Das oben bereits erwähnte Gedicht beinhaltet auch hierzu eine Strophe, deren Grundaussage man in diesem Fall uneingeschränkt akzeptieren kann.
|
Kupferhof Rosental Foto: F. Holtz |
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kündigte sich der Niedergang des Kupfermeistergewerbes u.a. dadurch an, dass man nunmehr in der Lage war, aus dem Galmeierz metallisches Zink zu gewinnen. Das Galmeierz, welches beim klassischen Verfahren des Messingbrennens mit einem Gewichtsanteil von mindestens 2/3 beteiligt gewesen war, aber auch andere Zinkerztypen ließen sich nun zur Zinkherstellung nutzen. Das so hergestellte Zink wurde einerseits zum eigenständigen Werkstoff für eine variantenreiche Produktpalette und ließ sich andererseits als ca. 30 prozentiger Legierungszuschlag zur Messingherstellung einsetzen, wodurch die Standortbindung des Messinggewerbes bzw. der Standortvorteil des Stolberger Tals entfiel.
|
Typische Zinkprodukte Foto: F. Holtz |
Die ursprünglich in England entstandene und auf Kontinentaleuropa übergreifende Industrialisierung erreichte im zweiten Viertel des 19. Jh. auch den Großraum Aachen, Stolberg, Eschweiler. Mit dem Abbau von Steinkohle und Erzen sowie einer Vielzahl von Glas- und Metallhütten (Eisen, Blei, Zink) entstand in diesem Gebiet eine Industrielandschaft, die als erstes und ältestes, zusammenhängendes Industrierevier Deutschlands gelten kann.
Der Kupfermeister Matthias Leonhard Schleicher baute auf seinem Kupferhof Velau 1819 die erste Zinkhütte in Stolberg. In den 1830-er Jahren entstand die Metallurgische Gesellschaft (spätere Stolberger Zink), die auf dem Münsterbusch die Zinkhütte St. Heinrich errichtete und das Grubenfeld Diepenlinchen erschloss und zur größten Erzgrube der Region ausbaute. Die sogenannte Eschweiler Gesellschaft wurde im Erzfeld Breinigerberg aktiv und errichtete die Zinkhütte Friedrich Wilhelm auf dem Birkengang. In der Atsch entstand eine weitere Zinkhütte und am Binsfeldhammer sowie am heutigen Schellerweg wurde je eine Bleihütte in Betrieb genommen. In den Bereichen Münsterbusch, Atsch und Birkengang förderte man in mehreren Großgruben Steinkohle.
Erzgrube Breinigerberg |
Zinkhütte Birkengang |
|
Fernerhin etablierte sich in der Atsch mit der Waldmeisterhütte bzw. mit den Chemischen Fabriken Rhenania ein Unternehmen der Großchemie, und es gab, auch im Ortskerngebiet, einige Glashütten. Die Kupfermeisterfamilie Schleicher verlegte sich auf die industrielle Fertigung von Halbzeug und Prym schickte sich an, ebenfalls Halbzeug und in zunehmendem Maße Kurzwaren zu produzieren.
Mit anderen Worten: Stolberg befand sich plötzlich inmitten einer ausgeprägten Industrielandschaft. Im Nordwesten, Norden und Nordosten war der Ort von industriellen Produktionsanlagen sowie Steinkohlegruben und im Süden von Erzabbaugebieten umgeben.
Die Situation des zentral gelegenen Stolbergs war allerdings insofern absurd, als dass die weitaus meisten Industrieanlagen nicht zu Stolberg gehörten. Münsterbusch nämlich war Teil der damals eigenständigen Gemeinde Büsbach, die Atsch gehörte zum weit entfernten Eilendorf, der Birkengang lag auf Eschweiler Gebiet und die größten Erzabbaufelder gehörten zu Gressenich bzw. zu Breinig. Und an dieser Situation sollte sich bis 1935 nichts wesentliches ändern.
Trotz seiner geographisch zentralen Lage war der alte Ortskern mit seinen engen Gassen und der mittlerweile verfallenen Burg als Mittelpunkt einer aufstrebenden Industrieregion wenig geeignet. Nun hatte man allerdings 1840 mitten auf freiem Feld, ganz in der Nähe des Kupferhofes Grünenthal das stattliche, heute noch bestehende Rathausgebäude errichtet. Ganz offensichtlich bildete diese Einrichtung sozusagen einen Kristallisationspunkt für die weitere Ortsentwicklung bzw. für die Fortentwicklung der 1856 gebildeten Stadt Stolberg.
Die durchaus beachtliche Wirtschaftskraft der Region ließ bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts einen neuen, attraktiven und zeitgemäßen Stadtkern entstehen. Unmittelbar hinter dem Rathaus entstand ein Straßenzug mit einer ganzen Anzahl vornehmer Villen (von Werner Straße). Direkt vor dem Rathaus wurde der großzügig gestaltete Kaiserplatz angelegt, umrahmt von den prächtigen Gebäuden der früheren preußischen Hauptpost, des alten Gymnasiums sowie des ehemaligen Amtsgerichtes. Das gesamte Bauensemble des Kaiserplatzes spiegelt mit dem für den Historismus charakteristischen Stilpluralismus den damaligen Zeitgeschmack in eindrucksvoller Weise wider.
Auch wenn man im Steinweg oder in der Rathausstraße die Häuser oberhalb der Geschäftsfassaden betrachtet, lässt sich auch heute noch die bürgerlich gediegene Bausubstanz der Gründerzeit erkennen.
Denkmal auf dem Kaiserplatz um 1910. |
|
Kaiserplatz mit altem Rathaus |
Altes Amtsgericht |
Ehemaliges Gymnasium |
|
Alte Hauptpost |
|
|
Nun war die industrielle Entwicklung aber natürlich auch mit gewissen negativen Begleiterscheinungen verbunden. Insbesondere extreme Umweltbelastungen (z.B. beim Rösten sulfidischer Erze) und die Lebensumstände in den Arbeiterhaushalten waren Probleme jener Zeit. Diese Schwierigkeiten, die heute größtenteils überwunden und vergessen sind, wurden zwischenzeitlich allerdings von neuen, anders gearteten und ernsten Strukturproblemen abgelöst.
Mit der in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einsetzenden Entstehung u. Entwicklung der Neustadt (Steinweg- Rathausstraße etc.), wo Häuserzeilen in bester Gründerzeitarchitektur entstanden, ging eine spürbare Vernachlässigung der Altstadt einher. Wohlhabende, bürgerliche Familien verließen in zunehmendem Maße den Altstadtbereich u. wandten sich der entstehenden Neustadt zu, wobei der freiwerdende Wohnraum von nachziehenden Arbeiterfamilien belegt wurde. Hierdurch kam es zu einer (wie man sich damals auszudrücken pflegte) Proletarisierung ganzer Teilbereiche der Altstadt.
Gründerzeithaus
(ehemalige Handelskammer) in der Rathausstraße.
Foto:
F. Holtz
|
Diese Tendenz setzte sich bis weit nach dem zweiten Weltkrieg fort, bis es letztlich teilweise zur Verwahrlosung mit punktueller Bildung von sozialen Brennpunkten in der Altstadt kam.
1962 begannen erste Planungen zu einer umfassenden Altstadtsanierung. Entsprechend der damals (nicht nur in Stolberg) üblichen Vorstellungen war in den anfänglichen Konzepten auch eine mehr oder weniger großflächige Spitzhackensanierung vorgesehen. Die Burgstraße sollte beispielsweise erheblich verbreitert werden, was in hohem Maße zum Verlust historischer Bausubstanz geführt hätte. Auch der etwas vorschnelle und aus heutiger Sicht höchst bedauerliche Abriss des Kronenhofes muss der wenig sensiblen Auffassung der damaligen Zeit zugeschrieben werden.
Die durchaus visionäre Vorstellung, man könne mit erhaltender Sanierung und pfleglicher Instandsetzung der vorhandenen Altbauten in Verbindung mit punktueller, sorgsam angepasster Neubebauung ein städtebauliches Kleinod schaffen bzw. neu entstehen lassen, setzte sich nur langsam und mühsam durch, was bei dem desolaten Zustand u. dem traurigen Erscheinungsbild der damaligen Altstadt kaum verwunderlich ist.Die erhebliche Verzögerung bei der Realisierung des Altstadtprojektes von deutlich mehr als 15 Jahren muss rückblickend als Glücksfall gewertet werden, da das Konzept einer bestandserhaltenden Sanierung zwischenzeitlich breiten Konsens gefunden hatte, u. ein Totalabriss der alten Bausubstanz somit vermieden wurde.
Nachdem der Rat der Stadt Stolberg im Dezember 1977 eine Altstadtsanierung nach dem Städtebauförderungsgesetz beschlossen hatte, erfolgte im Juli 1980 die Genehmigung durch den Regierungspräsidenten. Die Realisierung des mit knapp 33 Millionen DM veranschlagten Projektes erfolgte in Zusammenarbeit mit der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). Bereits 1986 konnte mit der Bebauung des „Pleys“ das letzte Großprojekt der Altstadtsanierung abgeschlossen werden.
Startseite | Graphiken | Kaleidoskop | Touristisches |