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Inhaltsverzeichnis:

Anfang

Einführung

Vor undenklichen Zeiten

Und so hat es wohl begonnen

Erze und Metalle zur Frühzeit

Die Zeit der Kupfermeister

Kurzübersicht Frühindustrialisierung

Das Rösten der Erze

Die Zinkindustrie

Technische Entwicklungen in der Stolberger Zinkindustrie

Sodaherstellung und Chemische Fabrik Rhenania

Menschen, Technik und Sozialgefüge

Literatur- und Quellenverzeichnis

 

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Und so hat es wohl begonnen

Sie waren also Bestandteil der Landschaft, unsere Kalksteinzüge - ganz so wie heute -, noch bevor der erste Mensch hier bei uns auftauchte. Aufgefaltet und zerborsten, tief eingeschnitten vom ständigen, beharrlichen Wirken der abfließenden Bäche und bloßgelegt durch die Verwitterung bildeten sie die Grundlage für eine hochspeziell angepasste Pflanzendecke. Überall dort, wo der Kalkstein freigewittert war und an der Oberfläche anstand, bildeten sich magere, nährstoffarme Kalkböden aus, die eine üppig wuchernde Vegetation nicht zuließen. Darüber hinaus sorgte das klüftige Gefüge der Kalksteinbänke für eine gute, schnelle Drainage der Niederschlagswässer, so dass nicht nur magere, sondern auch sehr trockene Böden entstanden.

Vegetation auf kalkigen Böden
Wo der Wald Fuß fassen konnte, breiteten sich vorwiegend lichte Rotbuchenbestände aus. In der ursprünglichen, ungerodeten Naturlandschaftsform haben sie sich als meist zusammenhängende Waldgürtel dargestellt, die dem Verlauf der Kalkzüge folgten.

Noch um 1800 müssen auf Stolberger Gebiet (heutige Grenzen) drei größere Bestände dieses Waldtypes existiert haben, und der letzte Kalkbuchen-Hochwald hat an der Südflanke der Burgholzer Mulde im Bereich des Jungfernsteins bis in die frühen 60-er Jahre gestanden. Einige Exemplare dieser hoch aufragenden Rotbuchen sind hier auch heute noch zu sehen. Aber die wenigen, verstreut stehenden Einzelexemplare können keinen Eindruck mehr vermitteln, wie der geschlossenen Hochbuchenwald einmal ausgesehen hat. Viele Stolberger werden ihn noch kennen, unseren Kalkbuchenwald gegenüber der Bleihütte: hoch und licht, arm an Unterholz, mit schlanken, hellen, säulenartigen Stämmen und ausladenden Kronen, die sich weit oben erst vom Stamm verzweigten und unterhalb viel Raum ließen, Freiraum sozusagen, der mehr als groß genug war, sich nach allen Richtungen hin ungehindert zu bewegen.

Aber auch heute gibt es ihn noch, den Urtyp des Kalkbuchenwaldes. Als kleiner Restbestand zwar und leider nicht mehr in Stolberg hat er sich kurz bei Kornelimünster erhalten, wo er das Naturschutzgebiet Klauser Wäldchen bildet.

Vorwiegend in stark exponierten Bereichen von Bergkuppen und steileren Hanglagen, wo eine Überdeckung durch abgelagerten Verwitterungsschutt ausgeschlossen war, blieben die Böden extrem flachgründig und waren mit kümmerlicher Kalktriftvegetation (Kalkmagerrasen) überdeckt. Ein gutes Beispiel für eine derartige Vegetationsdecke ist das Naturschutzgebiet um den Schlangenberg (kurz bei Breinigerberg).

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Der Schlangenberg.
Foto: F. Holtz

Nicht ganz einfach hatten es die Pflanzen hier, wie man unschwer an dem kargen, spärlichen Bewuchs erkennen kann. Aber auch das ist relativ, denn für entsprechend angepasste Arten bilden diese Böden eine gute Chance, sich zu entwickeln, ohne von anderen Pflanzen verdrängt zu werden. Für einige Orchideenarten bilden diese kargen, nährstoffarmen Kalkböden eine Überlebensnische. Und hier kann man sich Jahr für Jahr dieser blühenden, exotisch anmutenden Gewächse erfreuen.

Galmeiflora
Neben Kalkbuchenwald und Kalktriftvegetation gibt es im Bereich der anstehenden Kalksteinformationen eine weitere Pflanzengesellschaft, die für den Stolberger Raum typisch ist und als botanische Besonderheit gelten kann. Sie tritt dort auf, wo die im Kalkstein eingelagerten Erze als Gangzüge oder Nester zu Tage treten. In diesen Bereichen sind die Vegetationsbedingungen dann doch schon sehr extrem. Die ohnehin recht mageren Kalkböden sind hier mit den Schwermetallen Zink, Blei und Cadmium belastet - eine Mixtur, mit der sich nur wenige Pflanzenarten abfinden können. Auf diesen so genannten Galmeitriften ist die Zinkpflanzengesellschaft mit ihren schwermetallresistenten Charakterarten zu Hause.

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Galmeiveilchen,
Zeichnung H. Kaußen
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Blüte des
Galmeiveilchens
Foto: F. Holtz
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Grasnelke und Taubenkropf.
Foto: F. Holtz

Neben den recht auffälligen Vertretern Galmeiveilchen, Grasnelke, Taubenkropf und Galmeitäschel zählen hierzu auch der unscheinbare Schafschwingel sowie die Frühlingsmiere mit ihren winzigen Blüten. Zahlreiche Standorte dieser regionalspezifischen Galmeiflora sind heute bereits unter Schutz gestellt. Auch hier ist es so, dass alle Vertreter dieser Pflanzengesellschaft von anderen Arten längst erdrückt worden wären, enthielte der Boden nicht toxische Schwermetalle.

An einigen Stellen sind die Bodenverhältnisse so unwirtlich, dass kahle, gänzlich unbewachsene Bodenflecken verblieben sind. An den Rändern lässt sich beobachten, wie der Schafschwingel als Pionierpflanze zaghaft versucht, auch hier langsam Fuß zu fassen. An diesen Stellen ist der Schwermetallgehalt offensichtlich besonders hoch und hier schon lässt sich die Ambivalenz der Erzvorkommen erahnen: wirtschaftliche Bedeutung sowie einzigartige Galmeiflora einerseits und Umweltbelastungen andererseits. Aber die Schwermetallgehalte sind erstens in den Bereichen oberflächennaher Galmeilager ein naturgegebenes Phänomen und gehören zweitens zwangsläufigerweise zum Lebensraum dieser Pflanzengesellschaft, einem Lebensraum, der heute sehr berechtigterweise geschützt wird, obschon Teile der hier anstehenden Böden in anderen Gegenden als Sondermüll zu bezeichnen wären.

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Ödlandrelikte mit spärlicher bzw. lückenhafter Vegetationsdecke im Bereich des Schlangenberges.
Fotos: R. Ethen

Schwermetallkontaminierung im Naturschutzgebiet..! Wir müssen es wohl akzeptieren - wenn auch widerwillig -, aber nicht die Pflanzen selbst können wir schützen, sondern nur ihren Lebensraum, und der eben hat in diesem Fall auch weniger sympathische Seiten.

Ob nun mit Kalkbuchenwald, mit Kalkmagerrasen oder mit Galmeitriftvegetation bewachsen, in jedem Fall bildeten die Kalksteinzüge trockene, leicht begehbare Schneisen, die in einladendem Gegensatz standen zum undurchdringlichen Urwald der feuchteren Bodenzonen. Hinzu kam die weitläufige, raumgreifende Erstreckung der Kalksteinzüge, die in Verbindung mit den günstigen Boden- und Vegetationsverhältnissen für den früheren Reisenden hoch attraktiv sein mussten. Es steht also zu vermuten, dass die Kalkformationen sofort - unbewusst natürlich und spontan - von den Menschen vereinnahmt wurden, die sich, aus welchen Gründen auch immer, im hiesigen Gelände bewegten.

Fernstraßen auf Kalk
Von weiträumiger Erstreckung war soeben die Rede, von einer geographischen Ausdehnung, die eine Nutzung im Sinne von Fernstraßen der vor- und frühgeschichtlichen Zeit möglich machte. In der Gegend von Dinant und Namur bereits treten die Kalksteinformationen beidseitig der Maas an der Oberfläche aus, verlaufen dann südlich von Lüttich über Raeren, Walheim, Kornelimünster und erreichen in der Gegend von Büsbach - Breinig Stolberger Gebiet. Hier durchkreuzen sie das südliche Stadtgebiet, folgen auch hier einer von SW nach NE verlaufenden Generalrichtung und brechen kurz vor Hastenrath urplötzlich ab.

Einschnitt am Hastenrather Graben
Der Begriff "abbrechen" steht in diesem Fall nicht einfach nur für aufhören, sondern beschreibt genau und treffend die hier vorliegenden geologischen Gegebenheiten. In der Tat tritt hier eine der beschriebenen geologischen Störungen auf, in deren Bereich das Gebirge gebrochen und grabenförmig abgesunken ist. Die so entstandene Vertiefung wird mit Hastenrather Graben bezeichnet, und die westliche Bruchkante gehört zu einer Hauptstörungszone unserer Region, der so genannten Sandgewand. Für diesen etwas eigenartigen Ausdruck, der aus der Sprache der Bergleute stammt, gibt es eine recht einfache Erklärung: Die Kluftfüllungen in derartigen Verwerfungszonen bestanden häufig aus Fließsand, der im Laufe der Zeit dort eingedrungen war. Beim Grubenausbau kam es nun natürlich zu Einbrüchen der Fugenfüllungen, was den Abbau erheblich behindern konnte. Der Begriff 'Sandgewand' suggeriert förmlich die Vorstellung eines herabrieselnden Sandvorhanges, der beim Auffahren eines solchen Kluftraumes entsteht.

Ähnlich wie den Kalksteinzügen ist es auch den Kohleflözen ergangen, die im Norden Stolbergs an der Oberfläche anstehen. Auch sie sind im Bereich der Sandgewand westlich von Eschweiler messerscharf abgebrochen und abgesackt.

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Die Kalksteinzüge
Im Stolberger Raum - um wieder zurück zu unserem Kalkstein zu kommen - lassen sich insgesamt vier Kalksteinzüge unterscheiden, die mehr oder weniger parallel zueinander verlaufen. Während im naturbelassenen Landschaftsbild die Kalksteinfelsen ausschließlich im Bereich steiler Taleinschnitte zu Tage treten (Burgfelsen oder Jungfernstein z.B.), sind sie heute durch regen Steinbruchbetrieb vielerorts künstlich aufgeschlossen und lassen sich somit recht gut verfolgen.

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Burgfelsen mit Stolberger Burg
Foto: F. Holtz

Der nördlichste der Stolberger Kalkzüge verläuft, von Krauthausen kommend, quer durch den Ortskern von Büsbach und erstreckt sich auf der anderen Talseite der Vicht bis zur Bruchkante des Hastenrather Grabens. Im Bereich dieses 'Büsbacher Kalkzuges' liegen die Steinbrüche Fuchskaule bei Krauthausen, Gussen - Atzenach und der alte, aber noch zu erkennende Steinbruch Rotsch in dem Winkel zwischen Aachener- und von- Werner Straße. Innerhalb seines weiteren Verlaufs finden wir dann noch den Burgfelsen und den früheren Steinbruch Gehlen an der Bergstraße.

Etwas weiter südlich von Büsbach teilt sich im Bereich Hassenberg - Brockenberg ein weiterer, von Kornelimünster kommender Kalksteinzug, dessen nördlicher Ast vom Jungfernstein und von den Steinbrüchen Bärenstein und Binsfeldhammer markiert wird, und der sich am Allmannshof mit dem Büsbacher Kalkzug verbindet. Hier liegen beidseitig der nach Hastenrath führenden Straße weitere Kalksteinbrüche (u.a. die Hastenrather Kalkwerke). Zum südlichen Zweig des von Hassenberg kommenden Kalkzuges gehören die Steinbrüche Rüst, Bernardshammer und der Steinbruch Vygen (Hitzberg) zwischen Werth und Gressenich.

Der südlichste Kalkzug erstreckt sich von Breinigerberg über Mausbach - Fleuth bis zum Ortsrand von Gressenich. In seinem Bereich liegt der Steinbruch Franzen am nördlichen Ortsausgang von Vicht.

Die Erzvorkommen
Wir können uns jetzt natürlich fragen, wo die bereits erwähnten, vor langer, langer Zeit entstandenen Erzvorkommen abgeblieben sind. Die Antwort ist sehr einfach: sie liegen genau in den eben beschriebenen Kalksteinzügen, ja, sie sind auf Grund der Bildungsmechanismen an diese gebunden, wie man sich sicherlich erinnern wird. Die wichtigsten Grubenfelder seien hier kurz erwähnt: Im Büsbacher Kalkzug lag das Abbaugebiet Büsbacherberg, dessen reiche Galmeivorkommen bereits in vorindustrieller Zeit nahezu gänzlich abgebaut worden sind. Auf dem etwas weiter südlich gelegenen Kalksteinzug lag das Grubenfeld Brockenberg mit ganz ähnlichen Abbauverhältnissen wie auf dem Büsbacherberg. Zum gleichen Kalkzug gehören weiter nordöstlich die Gruben Zufriedenheit und Albert, die bis zum Anfang dieses Jahrhunderts großtechnischen Abbau betrieben haben.

Eine bezüglich der Erzvorkommen weitaus höhere Ergiebigkeit jedoch wiesen die beiden ganz im Süden gelegenen Kalksteinzüge auf. Auf dem ersten dieser beiden befanden sich die Grubenfelder von Diepenlinchen (ergiebigste Erzgrube der Stolberger Vorkommen überhaupt), Hitzfeld sowie Römerfeld und auf dem zweiten das reiche Abbaugebiet Breinigerberg.

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Erzgrube Breinigerberg,
Lithographie von Adrien Chanelle
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Erzgrube Diepenlinchen,
Ölgemälde von Franz Hüllenkremer

Diese Konstellation, nämlich an der Oberfläche anstehende Erzmittel inmitten der verkehrstechnisch äußerst günstigen Kalksteinformationen muss aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht als Glücksfall für unsere Region betrachtet werden. Und jetzt taucht natürlich auch die Frage auf, wer denn wohl die Erze zuerst gefunden, erkannt, abgebaut und genutzt haben könnte; aber leider verliert sich die Identität dieser frühen Bergleute im Dunkel der Geschichte. Erhellen könnte sich dieses Dunkel möglicherweise einmal durch das zufällige Auffinden einer frühen, datierbaren Schürfstelle, eines Stollen oder Schachtes. Wahrscheinlich allerdings ist das nicht, denn im Bereich der oberflächennahen Erzvorkommen, und nur diese kommen für einen frühen Bergbau überhaupt in Frage, ist der Boden im Verlauf später folgender Abbauepochen so durchwühlt worden, dass die ganz frühen Spuren, so sie überhaupt existiert haben sollten, wahrscheinlich hoffnungslos verwischt sind und bleiben.

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