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Inhaltsverzeichnis:

Anfang

Einführung

Vor undenklichen Zeiten

Und so hat es wohl begonnen

Erze und Metalle zur Frühzeit

Die Zeit der Kupfermeister

Kurzübersicht Frühindustrialisierung

Das Rösten der Erze

Die Zinkindustrie

Technische Entwicklungen in der Stolberger Zinkindustrie

Sodaherstellung und Chemische Fabrik Rhenania

Menschen, Technik und Sozialgefüge

Literatur- und Quellenverzeichnis

 

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Kurzübersicht Frühindustrialisierung

Die einzige Möglichkeit, neue Erzmittel zu erschließen, bestand somit darin, die Grubenbaue zur Tiefe hin weiter vorzutreiben. Der hierzu erforderliche Ausbau der Gruben markierte den Beginn einer frühindustriellen Epoche, die überleitete von der Betriebsform der als Familienunternehmen betriebenen Kupferhöfe zu Großunternehmen mit dem Charakter von Beteiligungsgesellschaften, die, im Gegensatz zu mittelständischen Privatunternehmen, in der Lage waren, den nunmehr erforderlichen riesigen Investitionsaufwand bereitzustellen.

Das Vordringen in größere Tiefen war zwar naheliegend, aber eben doch nicht ganz so einfach. Naheliegend deshalb,


Die im Prinzip berechtigten Hoffnungen auf tiefer lagernde, reiche Erzmittel haben sich allerdings nicht immer erfüllt. Im Bereich der Galmeifelder Büsbacherberg, Brockenberg oder Herrenberg beispielsweise mussten die im Ausbau befindlichen Gruben mit erheblichen finanziellen Verlusten aufgegeben werden, da sich die erschlossenen Vorkommen durchaus nicht als abbauwürdig herausstellten. In anderen Grubenfeldern hingegen (z.B. Diepenlinchen oder Breinigerberg) hatte man mit dieser Strategie durchschlagenden Erfolg und stieß auf Erzvorräte, die Basis werden sollten für einen ganz neuen Industriezweig, der seinerseits wiederum andere Industrien entscheidend beeinflussen sollte.

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Erzgrube Breinigerberg,
Lithographie von Adrien Chanelle.

Aber genau diese Ungewissheit bei der Erschließung neuer und tieferer Gruben war die Ursache dafür, dass man in allen Abbaugebieten häufig allegorische (gleichnishafte) Grubennamen verwendete (z.B. 'Gute Hoffnung', 'Segen Gottes' oder ähnliches). Hierfür gibt es auch im Stolberger Raum ein gutes Beispiel: nämlich den ebenfalls allegorisierenden Grubennamen "Zufriedenheit".

Andererseits jedoch war, wie bereits erwähnt, der Tiefenausbau eben auch nicht ganz so einfach, da die zufließenden Grubenwässer einen tieferen Abbau zunächst verhinderten, was auch der Hauptgrund dafür war, dass man sich über Jahrhunderte mit Abbautiefen von 40 m und weniger begnügt hatte, bzw. hatte begnügen müssen. Was also war passiert, wieso konnte man jetzt plötzlich auf breiter Front (Diepenlinchen, Breinigerberg, Büsbach usw.) Grubenbaue anlegen, die sich zur Tiefe hin bis weit unterhalb des Grundwasserspiegels erstreckten? Hierfür gab es nun nicht nur einen, sondern eigentlich gleich mehrere Gründe.

Zunächst einmal waren um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (Franzosenzeit) die stark zersplitterten Abbaufelder zu Großkonzessionen zusammengelegt worden. Hierdurch erst wurde großtechnischer Abbau überhaupt praktikabel, da sich die hierfür erforderlichen Investitionen nur bei entsprechend großflächig angelegten Abbaufeldern lohnen konnten.

Der zweite Grund bezog sich auf die Lösung der bereits erwähnten Wasserzuflüsse. Da von der Vichtbachsohle ausgehend Wasserhaltungsstollen vorgetrieben wurden, war die Entwässerung der Grubenteile, die oberhalb des Niveaus der Talsenke lagen, eigentlich kaum ein Problem, sieht man von dem erforderlichen Investitionsaufwand einmal ab. Das eigentliche Problem bestand darin, die zufließenden Grubenwässer aus den tiefer liegenden Bauen abzupumpen. Die hierzu erforderlichen Energiemengen konnten letztlich nur durch den Einsatz von Dampfmaschinen bereitgestellt werden, die mittlerweile als relativ ausgereifte, betriebssichere Konstruktionen zur Verfügung standen. Mit den in früherer Zeit üblichen Pferdegöpeln jedenfalls hätte man überhaupt keine Chance gehabt, der Wassermassen Herr zu werden.

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Skizze: F. Holtz

Dampfmaschinen jedoch, die eigentlich überall und auf allen Gebieten die so genannte industrielle Revolution auslösten, diese Dampfmaschinen brauchten natürlich Kohle; Steinkohle, die bei den erforderlichen Antriebsleistungen und den relativ schlechten Wirkungsgraden früherer Konstruktionen in riesigen Mengen herangeschafft werden musste. Bei der Erzgrube Diepenlinchen beispielsweise überstieg der zum Betrieb der Wasserhaltung erforderliche Bedarf an Kohle (Gewichtseinheiten) die Erzfördermengen zum Teil ganz erheblich.

Erze und Kohle
Und diese so dringend benötigte Steinkohle lag nur wenige Kilometer von den Erzlagerstätten entfernt, nämlich im Bereich Birkengang, Atsch und Münsterbusch. Hier wird nun ganz besonders deutlich, warum in und um Stolberg eine bedeutende Industrieregion entstehen konnte, deren Entwicklung lückenlos anknüpfte an die Zeit der Kupfermeister und durch die besonderen natürlichen Gegebenheiten ermöglicht wurde. Während die Erzlagerstätten bereits über Jahrhunderte die Entwicklung geprägt hatten, wurde nunmehr die Lagerstättenkombination - Erze im Süden und Kohle im Norden - zum bestimmenden Wirtschafts- und Standortfaktor. Erze und Kohle, genau diese Konstellation war entscheidend für den gewaltigen Erfolg unserer Wirtschaftsregion in frühindustrieller Zeit.

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Steinkohlegrube Atsch
Quelle: Kohlhaas (1965)

Es ist natürlich immer recht problematisch, den geschichtlichen Ablauf unter der Prämisse "was wäre gewesen, wenn..." interpretieren zu wollen. Aber es ist durchaus anzunehmen, dass der Galmei, der durch den zwischenzeitlich vorgenommenen Grubenausbau wieder zugänglich geworden war, eine neue Blütezeit der Stolberger Messingindustrie hätte einleiten können, wenn nicht zeitlich parallel eine neue Entwicklung auf dem Gebiet der Metallurgie stattgefunden hätte, die gerade für Stolberg von entscheidender Bedeutung werden sollte.

Zink in Muffeln
Im ausgehenden 18. und im beginnenden 19. Jahrhundert waren von William Champion (Bristol/England), von Christian Ruberg (Schlesien) und von Daniel Dony (Lüttich) gleichzeitig und unabhängig voneinander Verfahren zur kommerziellen Zinkherstellung entwickelt worden.

Eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Herstellung von Zink hatte darin bestanden, dass man dieses Metall nicht aus seinen Erzen ausschmelzen konnte, wie dies bei den meisten anderen Metallen der Fall war. Die erforderliche Verhüttungstemperatur lag deutlich höher als die Siedetemperatur, so dass nicht flüssiges Zink, sondern Zinkdämpfe entstanden, die sich überdies sofort mit dem Luftsauerstoff zu Zinkoyxd verbanden. Das Prinzip der neuen, aus England, Belgien und Schlesien kommenden Verfahren beruhte darauf, das Erz zusammen mit einem Reduktionsmittel zur Bindung des Sauerstoffes (meist Anthrazit oder Koks) stark zu erhitzen und die Zinkdämpfe unter Luftabschluss zu kondensieren. Dies geschah in Muffeln, die aus feuerfestem Tonmaterial hergestellt waren und die von den heißen Flammgasen der so genannten Muffelöfen umströmt wurden.

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Skizze: F. Holtz

Der größere Teil einer solchen Muffel diente der Aufnahme des Erzes und des Reduktionsmittels. An einer Seite war die Muffel mit einem röhrenförmigen Fortsatz versehen, der aus dem eigentlichen Feuerraum herausragte und auch Vorlage genannt wurde.

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Zinkschmelzer
beim Einsetzen
einer Vorlage
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Vorlage,
Museum Zinkhütter Hof.
Foto: F. Holtz

Nach dem Aufheizen des gefüllten Muffelteils auf weit über 1000oC bildeten sich hier Zinkdämpfe und Kohlenmonoxyd-Gase, welche sich beide in der röhrenförmigen Vorlage sammelten. Hierbei kondensierten die Zinkdämpfe in der relativ kühl gehaltenen Vorlage zu flüssigem Zink, während die Kohlenmonoxyd-Gase den Luftsauerstoff fernhielten. Überschüssiges Kohlenmonoxyd konnte durch die Röhrenöffnung der Vorlage ins Freie abströmen u. wurde hier durch Abfackeln unschädlich gemacht (Aufoxydieren des Kohlenmonoxydes zu Kohlendioxyd).

Das Grundprinzip dieses Verfahrens, das auch Zinkdestillation genannt wird, mag weiten Kreisen (verbotenerweise) recht geläufig sein. Es funktioniert nämlich ähnlich wie das nach dem Krieg sporadisch betriebene Brennen von Schnaps, nur dass hierbei natürlich nicht Zink, sondern 'Knolly Brandy' oder ähnliches gewonnen wurde.

Dieses technisch sehr aufwendige Verfahren kam in Stolberg schon recht früh zum Einsatz. Dem Vernehmen nach muss der erste Versuch allerdings wohl auch prompt daneben gegangen sein. Bereits 1808 soll in Stolberg ein Reduktionsofen gebaut worden sein, der jedoch auf Grund technischer Mängel nicht funktionsfähig war. Wo dieser Ofen gestanden haben soll und wer dessen Besitzer war, ist nicht mehr bekannt.

Man muss allerdings den Stolbergern zugestehen, dass gerade die Zinkherstellung ein technologisches Abenteuer gewesen ist, das technische Lösungen verlangte, die man heute als HighTech bezeichnen würde. Und derartige Lösungen sind dann später in Stolberg auch erarbeitet worden; Lösungen, die teilweise Technologie-Impulse von weltweiter Bedeutung gegeben haben. Hierzu war natürlich auch Innovationspotential erforderlich, ebenfalls ein Schlagwort aus der heutigen Zeit. Wenngleich dieser Ausdruck damals noch nicht existierte, war das, was man darunter versteht, im vorigen Jahrhundert in unserer Region durchaus vorhanden und ergab sich aus dem industriegeschichtlichen Umfeld der Messingherstellung, die ja damals bereits auf eine traditionsreiche Entwicklung zurückblicken konnte.

Die erste, richtig funktionierende Zinkhütte Stolbergs ging dann 1819 in Betrieb. Sie war von dem Kupfermeister Matthias Leonhard Schleicher durch Umbau seines Messingwerkes in der Velau gegründet worden. Auch hier wird wiederum die Tatsache deutlich, dass die Zinkherstellung in Stolberg als Weiterführung einer traditionell erfolgreichen Buntmetallindustrie gesehen werden muss, die im 18. Jahrhundert in Hochblüte stand, jedoch gegen Ende des 19. Jahrhunderts hauptsächlich auf Grund der knapper werdenden Erzbasis (Galmei) zunehmend in Schwierigkeiten geraten war.

Sehr viel einschneidender als der Mangel an erreichbaren Galmeivorräten erwies sich für den Messingstandort Stolberg die Tatsache, dass jetzt plötzlich metallisches Zink in nahezu beliebigen Mengen zur Verfügung stand, und dass man dieses Zink anstelle des sehr viel unhandlicheren Galmeis bei der Messingherstellung einsetzen konnte. Es war auch - völlig anders als es noch beim Galmei der Fall gewesen war - überhaupt kein Problem mehr, das Zink zu den Kupferstandorten zu transportieren, um die Messinglegierung dort herzustellen.

Jahrhundertelang hatte Stolberg davon profitiert, dass man Messing am wirtschaftlichsten dort herstellen konnte, wo der unentbehrliche Rohstoff Galmei in nächster Nähe gefördert wurde. Und genau dieser Standortvorteil war durch die Verfügbarkeit von metallischem Zink jetzt plötzlich dahin, wodurch sich das Messinggewerbe einem schmerzhaften Strukturwandel gegenüber sah. Aus einer Vielzahl relativ kleiner Produktionsstätten, die meist den Kupferhöfen als Betriebshütten angegliedert waren, entwickelten sich einige wenige Großbetriebe, die auch in Stolberg dazu übergingen, zur Herstellung von Messing metallisches Zink einzusetzen.

Damit allerdings ist unsere Geschichte von den lagerstätten-bedingten Standortvorteilen noch lange nicht zu Ende erzählt, denn unsere Erzlagerstätten, die für die Messingindustrie zwar nicht mehr relevant waren, bildeten in Verbindung mit den Kohlevorkommen jetzt die entscheidende Grundlage für eine prosperiernde Zinkindustrie.

Das Problem mit der Blende
Zuvor jedoch musste noch ein grundsätzliches Problem gelöst werden. In den neu ausgebauten Gruben wechselte der Erztyp überall von Galmei nach Schalenblende, was ursächlich durch die Bildungsmechanismen begründet war. Der Galmei war, wie bereits erklärt, durch Verwitterung bzw. Umsetzung (Metasomatose) aus der Schalenblende entstanden, und dieser Oxydationsvorgang hatte nur in den oberflächen-nahen Bereichen wirksam werden können. Somit traf man in den immer tiefer bauenden Gruben fast nur noch auf Schalenblende (auch Zinkblende genannt) und eben nicht mehr auf Galmei. Wie man sich möglicherweise erinnern wird, hatte dieses Erz (der Name 'Blende' weist schon darauf hin) seit Alters her einen schlechten Ruf, da man es einerseits zum Messingbrennen nicht verwenden konnte und es sich andererseits allen Verhüttungsversuchen widersetzt hatte.

Zink- bzw. Schalenblende

Nachdem aber jetzt die Methode der Zinkverhüttung bekannt war, war eigentlich auch klar, was mit der Zinkblende passieren musste, bevor sie im Reduktionsofen eingesetzt werden konnte. Man musste sie nämlich in ganz ähnlicher Weise rösten, wie es bei der Verhüttung des Bleiglanzes seit jeher gängige Praxis gewesen war. Hierdurch wurde die Zinkblende (Zinksulfid) zu Zinkoxyd umgewandelt.

Der Apotheker Friedrich Wilhelm Hasenclever, der 1850 die Waldmeisterhütte gegründet hatte und 2 Jahre später Mitbegründer und Teilhaber der Chemischen Fabriken "Rhenania" wurde, entwickelte um 1850 einen Röstofen, dessen Konstruktion auf die Röstung der Blende zugeschnitten war, und der die freiwerdenden Röstgase zur Herstellung von Schwefelsäure nutzbar machen sollte.

Das aus der Blende gewonnene Zinkoxyd hätte man übrigens durchaus auch zur Messingherstellung nach dem alten Galmeiverfahren verwenden können. Aber dieses Verfahren war mittlerweile durch die technische Entwicklung abgelöst und bedeutungslos geworden. Man könnte sich allerdings fragen, warum der an sich bekannten Röstprozess nicht schon viel früher, nämlich zur Zeit der Kupfermeister eingesetzt worden ist, um die Zinkblende so aufzubereiten, dass sie für das damals übliche Galmeiverfahren verwertbar wurde.

Die Antwort darauf ist deshalb sehr naheliegend, weil zum Rösten der Zinkblende keinerlei Veranlassung oder Notwendigkeit bestand. Bei den damaligen Abbaumethoden, die sich auf Pingen- und Packenbauweise von nur geringer Schürftiefe beschränkten, blieb die Zink- bzw. Schalenblende im Prinzip unzugänglich und trat - wenn überhaupt - nur als kümmerliche Relikte im bereits umgesetzten Galmei auf. Wäre Zinkblende zu dieser Zeit schon in wirtschaftlich interessanten Mengen beim Abbau angefallen, so ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass man die bestens bekannte Methode der Erzröstung irgendwann auch in Verbindung mit der Zinkblende gesucht und gefunden hätte. Aber so wie die Entwicklung gelaufen ist, blieb die Förderung der Schalenblende, deren Röstung und Verwendung als Zinkerz der frühindustriellen Epoche vorbehalten, als die Zeit der Kupfermeister und des Messingbrennens bereits zu Ende gegangen war.

Schon die Hasenclever-Öfen der ersten Generation, die bereits eigens zum Rösten der Zinkblende ausgelegt waren, lieferten bezüglich der Aufbereitung der Blende (Umwandlung nach Zinkoxyd) recht gute Ergebnisse, allerdings konnte das eigentliche Ziel Hasenclevers, nämlich die Nutzung der Röstgase zur Herstellung von Schwefelsäure, zunächst nicht erreicht werden.

Warum aber, so könnte man fragen, maß man der Gewinnung von Schwefelsäure eine so hohe Bedeutung zu. Zunächst müsste diese Frage mit dem Hinweis beantwortet werden, dass man die Schwefelsäure zur Herstellung von Soda benötigte, wobei dann allerdings wiederum ein gewisser Erklärungsbedarf verbleibt, wieso denn die Soda so wichtig und begehrt gewesen ist. Hierzu jedoch müsste man etwas weiter ausholen und sich vielleicht einmal vergegenwärtigen, was damals nicht nur in Stolberg, sondern überhaupt in der Welt los war.

Pottasche und Soda
Die bereits erwähnte Dampfmaschine und der allgemeine Trend zur Mechanisierung hatte insbesondere in der Textilindustrie eine stürmische Entwicklung eingeleitet. Man denke nur an die mechanischen Webstühle, mit deren Hilfe jetzt plötzlich ungeahnte Mengen billiger Tuche produziert werden konnten. Entsprechend groß wurden somit auch die Mengen der Rohwolle, die vorbehandelt werden mussten. In den Wäschereien und Bleichereien benötigte man hierzu eine Substanz, die in Pflanzenasche (vorzugsweise Holzasche) enthalten war und Pottasche genannt wurde. Die Pottasche bestand aus Kaliumkarbonat und konnte mittels Wasser aus der Pflanzenasche ausgewaschen werden. Die hierzu erforderlichen Gefäße (Pötte) haben dieser Substanz dann auch ihren Namen gegeben. Je nach Anwendungszweck fand entweder die Asche direkt, oder das ausgewaschene Kaliumkarbonat Verwendung.

Die Herstellung der Pottasche oder der Holzasche überhaupt wäre an sich kein Problem gewesen, wenn man Holz in hinreichender Menge zur Verfügung gehabt hätte. Die Situation bezüglich der Pottasche war ganz ähnlich wie - oder eigentlich noch viel schlimmer als - bei der Gewinnung von Holzkohle. Holz war nämlich erstens mittlerweile europaweit knapp geworden, was nicht zuletzt daran lag, dass man zweitens zur Herstellung von Holzasche noch weit mehr Holz einsetzen musste, als dies bei der Verkohlung in Holzkohlemeilern der Fall war.

Man muss sich einmal vorstellen, wozu die Wälder damals herhalten mussten: sie hatten Brennholz, Bauholz, Grubenholz, Kohlholz, Holz für den Schiffbau und dann auch noch Holz für die Pottaschegewinnung zu liefern. Und bei der Gewinnung von Holzasche war der Holzverbrauch nun ganz besonders hoch. Lediglich 3 kg Holzasche ließen sich bei der Verbrennung von 1 Tonne Buchenholz oder von 2 Tonnen Eichenholz oder von gar 4 Tonnen Pappelholz gewinnen. Bei diesen Relationen lässt sich leicht vorstellen, dass Holz knapp und teuer wurde.

Eine gewisse kurzzeitige Entspannung der Situation ergab sich, als man herausgefunden hatte und dazu überging, auch die Asche von Seepflanzen zu verwenden. Der hierin enthaltene Wirkstoff war Natriumkarbonat, auch Soda genannt. Das damals bekannteste und wohl auch beste Produkt war die spanische Barilla-Soda, die sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Exportschlager entwickelte. Eine gewisse Rolle spielte auch die Soda aus natürlichen Lagerstätten, die beispielsweise in Ägypten in bescheidenem Maße abgebaut wurden. Durch die Verwendung der Seepflanzenasche wurde das Problem zwar etwas entschärft, aber nicht grundsätzlich gelöst, da auch für andere Produktionsprozesse Soda in großen Mengen benötigt wurde. Neben der Glasindustrie wäre hier noch die Herstellung von Seife und Waschmittel zu nennen.

Bezüglich der Textilindustrie wäre noch zu vermerken, dass zur Deckung des Textilbedarfs in zunehmendem Maße Baumwolle Verwendung fand. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts verdoppelte sich der Einsatz von Baumwolle innerhalb eines Zeitraumes von knapp 20 Jahren bei einem bereits beträchtlichen Ausgangsniveau (alleine England verarbeitete 1810 etwa 60.000 Tonnen Baumwolle). Der steigende Baumwollanteil machte nun wiederum den Einsatz größerer Sodamengen erforderlich, weil man zunächst das Samenfett auswaschen und dann die Fasern noch bleichen musste, damit der schmutzig-graue Farbton verschwand und ein gleichmäßiges Färben oder Bedrucken möglich wurde.

Die Soda und Pottasche waren also sozusagen Schlüsselsubstanzen, da die Entwicklung ganzer Industriezweige (Textil, Glas und Waschmittel) ganz entscheidend von der Verfügbarkeit der Soda, der Pottasche oder ganz allgemein von dem knappen und teuren Grundstoff Pflanzenasche abhing. Somit begann im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts die Suche nach einem Verfahren zur Herstellung künstlicher, synthetischer Soda, denn die Produkte, zu deren Herstellung Pflanzenasche erforderlich war (insbesondere Seife, Waschmittel und Glas), zählten auf Grund der hohen Kosten einerseits zu den Luxusgütern, ließen andererseits aber riesige Absatzmärkte erwarten, wenn man sie in entsprechenden Mengen billiger hätte produzieren können.

Skizze
Skizze: F. Holtz

Der Durchbruch gelang noch vor Ablauf des 18. Jahrhunderts. Nicolas Leblanc und sein Assistent Dize' hatten nach mehrjährigen Versuchsreihen einen Weg zur synthetischen Sodaherstellung gefunden: Beim Zusammenschmelzen von

bildete sich Soda. Natriumsulfat konnte aus Steinsalz und Schwefelsäure gewonnen werden. Und diese Schwefelsäure wiederum ließ sich recht einfach aus den Röstgasen herstellen, die beim Abrösten der Zinkblende entstanden, was natürlich voraussetzte, dass man diese Röstgase auffangen konnte. Die beiden anderen Ausgangsstoffe, die man zur Sodaherstellung benötigte, waren in unserer Region reichlich vorhanden: Kohle nämlich und Kalziumkarbonat, wobei dieses Kalziumkarbonat nichts anderes war, als unser bestens bekannter, oft schon erwähnter Kalkstein,

Die Bemühungen Hasenclevers, einen Röstofen zu entwickeln, der in der Lage war, das freiwerdende Schwefeldioxydgas aufzufangen, müssen vor dem Hintergrund

gesehen werden.

Nachdem das Auffangen der Röstgase zwischen 1850 und 1855 zunehmend besser gelang, konnte man mit der Herstellung von Soda beginnen, wobei lediglich das Steinsalz als Zuschlagstoff in unserer Region nicht vorhanden war und herantransportiert werden musste.

Technologische Abhängigkeiten
Die Bedeutung der Standortfaktoren Kalkstein und Erze lässt sich, wenn auch für den heutigen Beobachter vielleicht überraschenderweise, aber dennoch mit Fug und Recht ausdehnen auf weite Bereiche der Frühindustrialisierung.

Unsere Erzvorkommen haben folglich nicht nur die hiesige Metallindustrie geprägt, sondern über das Bindeglied Schwefelsäure ebenfalls direkte und entscheidende Impulse für die Entwicklung der Großchemie gegeben und hierüber auch die Entwicklung von Textil-, Waschmittel- und Glasindustrie durchaus signifikant beeinflusst. Die aus der Existenz, der Förderung, Aufbereitung, Verhüttung und Verarbeitung unserer Erze resultierende Belastung der heimischen Region ist sicherlich schon immer ein Problem gewesen und wird im Hinblick auf Schwermetallkontaminierung und bezüglich geeigneter Vorsichtsmaßnahmen auch zukünftig noch ernsthaft zu diskutieren sein. Das Problem Schwermetallbelastung wird uns also durchaus schon noch für einige Zeit beschäftigen. Grundsätzlich verdammen aber sollte man sie trotzdem nicht, die Erze unserer Region, denn die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung unseres Raumes wäre ganz sicher weniger günstig, wahrscheinlich sogar sehr viel weniger günstig verlaufen, hätte man eben diese Erze nicht gehabt.

Die Epoche der Frühindustrialisierung war ganz allgemein und insbesondere auch in Stolberg gekennzeichnet durch gegenseitige Abhängigkeiten (Interdependenzen) und Verflechtungen zwischen den einzelnen Industriezweigen; Interdependenzen und Verflechtungen, die vorwiegend und ursächlich technologischer Natur waren. Das ist am Beispiel der Stolberger Zinkindustrie recht deutlich darstellbar. Die bei der Aufbereitung der Zinkblende als Abfallprodukt anfallenden Röstgase dienten einem anderen Industriezweig, in diesem Fall der Sodachemie, als Grundstoff. Dieses Prinzip lässt sich durchaus generalisieren, denn vergleichbare Verhältnisse ergaben sich beispielsweise auch bei den Kokereien, wo das anfangs lästige Abfallprodukt Teer sehr bald zum begehrten Grundstoff für die Teerchemie wurde, deren Produkte wiederum in so unterschiedlichen Bereichen Verwendung fanden, wie beispielsweise Farbstoffherstellung oder Pharmaindustrie.

Manchmal scheint es sogar Situationen gegeben zu haben, die das Abfallprodukt Teer ganz offensichtlich aus Gründen der Nachfrage zum Hauptprodukt avancieren ließen. Zumindest tendenziell und sporadisch scheint es in Stolberg auch zu einer derartigen Rollenvertauschung zwischen Haupt- und 'Abfall'-Produkt gekommen zu sein. Manchmal hat man nämlich hier bei uns neben der Zinkblende auch Markasit (eine Eisen-Schwefelverbindung) geröstet, und das nicht etwa um verwertbares Eisenerz zu erhalten, sondern um die Nachfrage nach Schwefelsäure abdecken zu können. Die vielfältigen technologischen Verflechtungen und die daraus resultierende Komplexität lassen es nun allerdings geboten erscheinen, die Epoche der Industrialisierung nicht mehr chronologisch, sondern entsprechend der einzelnen Teilgebiete abzuhandeln. Bevor wir aber den Gesamtkomplex zerpflücken, häppchenweise aufarbeiten sozusagen, lassen sich noch einige allgemeingültige Einflüsse zeigen, die sich aus der geographischen Lagerstättenverteilung von Erze und Kohle ergaben.

Möglicherweise ist es bereits aufgefallen, dass die Standorte der einzelnen Zinkhütten mit der Lage der Erzvorkommen nicht so recht zusammenpassten. Dafür jedoch lagen die Zinkhütten ausnahmslos in einem Bereich, wo Steinkohle verfügbar war:

Das hatte natürlich einen guten Grund. Kohle nämlich war sowohl für die Zinkverhüttung als auch für die Erzförderung (dampfbetriebene Wasserhaltung) erforderlich. Das Transportwesen konnte somit in Form eines Pendelverkehrs recht effektiv organisiert werden. Auf dem Weg von den Erzgruben zu den Hütten wurde Erz transportiert, während auf dem Rückweg von den Hütten, die sich ausschließlich im Bereich der Kohlengruben befanden, zu den Erzgruben Kohle mitgenommen werden konnte, um den dortigen Energiebedarf abzudecken.

Auch andere Industriezweige, die mit hohem Energieaufwand arbeiteten, siedelten sich im Bereich des Kohlegürtels an, der im Norden Stolbergs vom Eschweiler Kohlberg über Atsch nach Münsterbusch verlief. Neben den Zinkhütten waren dies insbesondere die Glashütten und die Sodaindustrie. Die enge örtliche Anlehnung der Zinkhütten und auch der anderen Industriezweige an die Kohlengruben kann im Bereich Münsterbusch in geradezu beispielhafter Weise und für einen doch schon recht frühen Zeitpunkt der Industrialisierung verdeutlicht werden. Der Lageplan aus dem Jahr 1838 zeigt sowohl die Zinkhütte als auch Glashütten in direkter Nachbarschaft zu der James-Grube, wobei Zinkhütte und Kohlengrube sich im Besitz der gleichen Betreibergesellschaft befanden. Kurze Zeit später, im Jahr 1846, gesellte sich dann noch in unmittelbarer Nachbarschaft eine Blei- und Silberhütte hinzu.

Es ist natürlich Zufall, aber die Industriestandorte im Bereich des Kohlegürtels erwiesen sich auch dann noch als günstig, nachdem die hier abgebaute Kohle knapp und teuer wurde. Die 1841 erbaute 'Rheinische Eisenbahn' schuf die Voraussetzungen, billige auswärtige Kohle einzusetzen, und der Steckenverlauf dieser Bahn erlaubte eine relativ einfache verkehrstechnische Anbindung der neu entstandenen Industrieansiedlungen. In den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren die bedeutenden Industrieunternehmen durch Anschlussgleise direkt mit der Hauptbahn (Aachen - Köln) verbunden.

Kommen wir nun jedoch wieder zurück zu den Erzen, die vor der Weiterverarbeitung noch aufbereitet, nämlich geröstet werden mussten. Und mit diesem Röstprozess werden wir uns als nächstes befassen, bevor wir mit der Zinkverhüttung und schlussendlich der Herstellung von Soda fortfahren.

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